Die drei ??? (225) und der Puppenmacher – Europa/Sony Music 2024

Von Matthias Bosenick (25.03.2024)

Drei Stunden Hörspiel bietet diese Nummer 225, die sechste Jubiläumsfolge der Serie Die drei ???, verteilt auf fünf teils bunte Schallplatten. Die Geschichte „und der Puppenmacher“ ist ja ganz nett und fügt sich auch angenehm ineinander, doch reichen die paar Buchseiten schlichtweg nicht aus, um drei Stunden Hörspiel auf eine Weise zu füllen, dass man bei der Stange bleibt. Das war nach den langweiligen letzten 100 Folgen genau so zu erwarten und erfüllt sich leider auch noch. Komprimiert auf eine Stunde wäre „Der Puppenmacher“ ein großartiger Fall geworden. So ist es eher eine szenische Lesung als ein Hörspiel und lässt einerseits Action vermissen und andererseits den Wunsch nach Schnellvorlauf laut werden. Nehmt den Hörspielmachern doch mal die Serie aus den Händen!

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New Model Army and Sinfonia Leipzig – Sinfonia – Ear Music/Edel/Attack Attack 2023

Von Guido Dörheide (20.09.2023)

HINWEIS: Hier geht es nur um die CD „Sinfonia“ und nicht um die DVD. Begeistert von der Musik habe ich nicht gewartet, bis ich das Bildmaterial gesichtet habe, sondern komplett begeistert und enthemmt gleich mal losgeschrieben. Alsdann, gehen wir es an:

New Model Army. NMA. Oder einfach nur „Army“, wie Schulfreund Martin sie damals nannte. Wie lange finde ich die schon toll? Nun, seit 1989, seit ich mir „Thunder And Consolation“ auf der Klassenfahrt nach Würzburg in der 10. Klasse des Humboldt-Gymnasiums kaufte – auf einen Tipp meiner Klassenkameradin Silke hin, die ich sinngemäß fragte, ob Army nur so ein Modetrend oder eine feste Größe auf dem Weg der Bildung eines erwachsenengerechten Musikgeschmackes sei – und Silke (die mir kurze Zeit später, als ich von Vinyl auf CD umstieg, meine komplette Toten-Hosen- und Ärzte-Sammlung abkaufte, danke nochmal dafür; die indizierten Ärzte-Alben hatte die Mutter meines Freundes Klaus für mich bei Salzmann in Braunschweig erstanden) meinte, Army könnte ich unbesehen kaufen, von denen wäre immerhin „51st State“. Danke, Silke, denn New Model Army begleiten mich seitdem durch mein Leben und ich feiere diese Band, als gäbe es kein Morgen.

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Pet Shop Boys – Smash – Parlophone 2023

Von Matthias Bosenick (05.07.2023)

Und noch eine Compilation mit Hits und Singles. „Smash“ behauptet, auf drei CDs sämtliche Singles des Synthiepop-Duos Pet Shop Boys von 1985 bis 2020 in chronologischer Reihenfolge zu bringen, und da geht es schon los: Die von Bobby O produzierten ersten Singles aus dem Jahr 1984 fehlen hier, die „Lost“-EP aus dem laufenden Jahr ist ebenso wenig berücksichtigt wie die „Agenda“-EP aus dem Jahr 2019 sowie diverse Songs, die lediglich in Großbritannien nicht oder ausschließlich digital als Single erschienen. Derjenige, der alle 14 Alben sowie sämtliche bisherigen Compilations (denn auf denen gab es stets exklusive Singles, die hier wiederum alle berücksichtigt sind; exklusiv für „Smash“ indes gibt es keine) im Regal zu stehen hat, braucht „Smash“ nicht; die paar Single-Edits machen keinen Kohl fett, denen sind im Zweifel die Albumversionen ohnehin vorzuziehen. Bleiben die beiden BluRays, die der erweiterten Box hinzugefügt sind, sowie das Buch mit den Anmerkungen von Neil Tennant und Chris Lowe. Und eine Zeitreise durch fast 40 Jahre Synthiepop mit allen Hochs und Tiefs, die die künstlerische Kurve der Briten in 55 Songs und rund 220 Minuten gut nachzeichnen.

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Killing Joke – Honour The Fire – Live Here Now 2023

Von Matthias Bosenick (28.06.2023)

Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem es von Killing Joke mehr Live- als Studio-Alben gibt, sofern nicht bald das zur „Lord Of Chaos EP“ sowie zur bislang nur digital erhältlichen Single „Full Spectrum Dominance“ gehörende und derzeit sogar noch unangekündigte neue Album erscheint. Und weil sich Killing Joke einfach mal an gar keine Regeln halten, eröffnen sie seit einer Weile ihre überlangen und für ihren großen Pool an geilen Songs noch viel zu kurzen Sets mit der Zugabe, dem größten Hit nämlich, den sie je hatten, „Love Like Blood“ aus dem Jahr 1985. Nicht im Set indes sind eben „Lord Of Chaos“ und der Song, nach dem Tour und dieses Album benannt sind: „Honour The Fire“ vom 2010er-Album „Absolute Dissent“. Macht nix, man bekommt hier einen angenehm hörbar produzierten Querschnitt durch das, was die Engländer vom Dub ausgehend ab 1979 aus der Erfindung des Postpunk in den darauffolgenden Jahren so an Proto-Industrial, Semi-Metal und energetischer Rockmusik entwickelten, mit einem Schwerpunkt auf der Anfangszeit.

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De Staat – Red/Yellow/Blue – Virgin 2023

Von Matthias Bosenick (26.06.2023)

De Staat sind wie ein unerträglicher Onkel auf der Familienfeier, der einen trotzdem beeindruckt, wie ein Film über eine unsympathische Figur, der einen nicht loslässt, wie der Prügeltyp auf dem Schulhof, mit dem man zur eigenen Verwunderung Interessen teilt und sich mit ihm anfreundet: Neben dem Übersong „Kitty Kitty“ und dem großartigen Circle-Pit-Anheizer „Witch Doctor“ scheinen sämtliche anderen Songs der Niederländer abzustinken, und trotzdem kann man nicht weghören. Viel liegt an der Ausstrahlung des Sängers Torre Florim, der einen mit seinem manischen Gehabe in die Abhängigkeit treibt, denn die Musik ist, freundlich gesagt, sperrig – für reinen Pop zu experimentell, für Rock zu artifiziell, sehr viel Plastik, sehr viel Plakativität, aber verdammt noch eins, spätestens, wenn man sie einmal live sah (Guido Dörheide und der Schreiber dieser Zeilen berichteten), ist man verfallen. Das aus drei erweiterten EPs bestehende Quasi-Album „Red/Yellow/Blue“ erfüllt alle Anforderungen und Ablehnungen, aber man kann einfach nicht weghören. „Who’s Gonna Be The GOAT?“ Klar: De Staat!

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The Wedding Present – 24 Songs – Scopitones 2023

Von Matthias Bosenick (15.06.2023)

Man wird nicht jünger, aber man bleibt Jünger von The Wedding Present: Die Schrammel-Indierock-Könige griffen 2022 ein Konzept von dreißig Jahren zuvor auf und veröffentlichten jeden Monat eine Single mit je zwei neuen Songs, die sie nun, wie weiland auf „Hitparade“, als „24 Songs“ zusammenfassen. Diese Doppel-CD – in der Deluxe-Buch-Version mit DVD – birgt nun sogar 29 Songs in über zwei Stunden, die das Portfolio der heutigen, in dieser Form keine fünf Jahre alten The Wedding Present abdecken, also immer noch mal schnellen, mal entschleunigten Indierock mit dröhnenden Gitarren, angedeutetem Geschrammel und catchy Melodien, aber auch zarte Abwandlungen davon. Und einen Remix von den Utah Saints. Anders als bei „Hitparade 1“ und „Hitparade 2“ ist hier allerdings die Reihenfolge der Singles sowie deren A- und B-Seiten komplett durcheinander, Weihnachten ist jetzt mitten im Jahr, die sehr wenigen Coversongs sind nicht gebündelt. Macht nix. Es gibt gute neue The-Wedding-Present-Musik!

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Goethes Erben – X – Dryland Records 2023

Von Matthias Bosenick (10.05.2023)

Was für ein Werk! Mit pandemiebedingtem Verzug wirft Oswald Henke unter seinem Haupt-Alias Goethes Erben deren zehntes Studioalbum „X“ in die Fangemeinde, die sich selbstredend für die gigantische Box-Version mit dickem, großem Buch und Doppel-DVD entscheidet, nicht für die einfache CD, die natürlich auch schon geil genug ist. Wie die Besetzung der Band, änderte sich auch die musikalische Untermalung von Henkes theatralisch-lyrisch dargebotener Weltanschauung über die Zeit: Dieses Album startet mit Ambient-Drones, aus denen der Künstler dunkle, schöne, zerbrechliche, opulente, wütende Lieder herausschält. Lässt man sich erst auf die klassisch depressiven Themen ein, bricht Henke einem auf halber Strecke das Genick mit der zu Industrial-Sounds geäußerten Feststellung, „der linke Arm muss weg“ – willkommen bei Goethes Erben. Auf den DVDs gibt es Konzerte und Interviews.

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U2 – Songs Of Surrender – Island 2023

Von Matthias Bosenick (28.04.2023)

Der beste Witz ist natürlich, dass die Stadionrockband U2 ihr 40 Songs starkes Neueinspielungs-Vierfachalbum mit „One“ beginnen und mit „‚40‘“ enden lässt. Der zweitgrößte Witz ist, dass die Iren ihren Backkatalog überhaupt fleddern müssen, nach zwei reichlich miesen, ohnehin schon retrofixierten Alben, da steht Fürchterliches zu befürchten – doch das Durchhören der vier je 40 Minuten langen CDs dreht die Erwartungen um: „Songs Of Surrender“ ist, sagen wir mal vorsichtig – gut. Die alten Songs bekommen neue attraktive Facetten, die jüngeren Songs sind plötzlich hörbar, alles richtig gemacht. Diese neuen Facetten sind übrigens chillig, downbeatig, reduziert, entelektrifiziert, nicht auf die Kacke – so war es nicht zu erwarten, so lässt es sich aber – trotz Bonos sich nicht selten wieder übertrieben quäkig in die Gehörgänge windender Stimme – gut hören, musikalisch ist es nämlich, und dies ist offenbar hauptsächlich Multiinstrumentalist The Edge anzurechnen, einwandfrei. Der drittgrößte Witz wiederum ist, dass sie das grandiose und letzte überhaupt gute Album „No Line On The Horizon“ komplett außen vor lassen – das kann man ihnen mit Fug und Recht zur Last legen und es sagt dann doch wieder einiges über der Iren Verständnis von guten Songs aus. „October“ fehlt rätselhafterweise außerdem. Der viertgrößte: Weder „Surrender“ noch „Moment Of Surrender“ gehören zu den „Songs Of Surrender“.

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Jack Dangers – Lucky Bag – Flexidisc 2023

Von Matthias Bosenick (28.03.2023)

Diese Compilation ist unhörbar. Zumindest die Tracks der Doppel-CD, die auf dem beigelegten USB-Stick tragen deutlich erkennbare Züge von dem, was man an Meat Beat Manifesto so mag, aber das Haupt-Solo-Album von Bandkopf Jack Dangers ist mitnichten ein „Lucky Bag“, auch wenn er Ohrenstöpsel und Bonbons in die Schachtel legt, sondern es handelt sich vielmehr um „Sketches Of Pain“, wie der Künstler auf eine beigefügte Karte drucken ließ. John Stephen Corrigan plündert seine Datenbanken und fegt Aufnahmen aus den Jahren 1982 bis 2022 zusammen, die das Attribut „Noise“ komplett erfüllen: Nahezu frei von Rhythmus lärmen die Stücke vor sich hin. Und nerven. Geräusche, die man nicht mal als Avantgarde oder Experiment goutieren mag, die allerhöchstens als Ausgangslage für ausformulierte Tracks herhalten könnten, aber nicht als Material eines Doppelalbums. Immerhin die wav-Dateien auf dem Stick lohnen sich. Und die Schachtel ist hübsch.

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Devin Townsend – Lightwork – Inside Out Music 2022

Von Matthias Bosenick (29.11.2022)

Yeah, Pop! Der Alleskönner macht nach dem chaotisch-unhörbaren Metal-Zappa-Experiment-Album „Empath“ endlich wieder verträgliche Musik, und dieses Mal eben Pop. Das kann er, das macht er auch nicht zum ersten Mal, manche Performance mit Anneke van Giersbergen etwa deutet sehr sehr in Richtung Schlager, aber weil Dev eben Dev ist, ist das „Lightwork“ vielschichtig: Den Metal packt er in die unteren Ebenen, das Komplexe fließt wie nebenbei ein, sein Pop hat ein massives Fundament, auf dem er leichtfüßig Pirouetten dreht, mit ausgebreiteten Armen. Einmal mehr gibt’s in der limitierten Version ein komplettes Bonus-Album, „Nightwork“, und auf dem tobt er sich etwas mehr aus.

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