Alexander Kühne (Hg.) – Der Jugendclub Extrem – Verlag Kettler 2024

Von Matthias Bosenick (22.07.2024)

Eigentlich vielmehr ein bebilderter Erinnerungsband für Dabeigewesene, das Dokument eines eskapistischen Abenteuers, ist „Der Jugendclub Extrem“ vielmehr zu einem Geschichtsbuch geworden, an dem auch Interessierte Freude und Erkenntnisgewinn ziehen können, die es nicht zwischen 1984 und 1994 nach Lugau in der Niederlausitz schafften – geschweige denn, in der DDR aufwuchsen und somit überhaupt Gelegenheit für den Clubbesuch hatten. Grundlage für dieses dicke Buch bilden Fotos, die Henri Manigk und Frank Kiesewetter vom Clubleben machten, ergänzend sammelte Herausgeber und Clubmitgründer Alexander Kühne Berichte und Interviews von Machern, Muszierenden und Gästen des Indie-Clubs mit seiner nicht nur für DDR-Verhältnisse ungewöhnlichen Geschichte.

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Freida McFadden – The Housemaid Is Watching – Poisoned Pen Press 2024

Von Guido Dörheide (01.07.2024)

Freida McFadden aus New York City ist Besitzerin einer schwarzen Katze und arbeitet hauptberuflich als Ärztin, spezialisiert auf Schädel-Hirn-Traumata. Neben dem Job hat sie schon über 20 Romane geschrieben. Drei davon bilden die „Housemaid“-Reihe, die so heißt, weil deren Heldin Wilhelmina („Millie“) Calloway nach dem Ende einer zehnjährigen Haftstrafe wegen Totschlags verschiedene Jobs als Haushälterin antritt, während derer sie regelmäßig von ihrer Vergangenheit eingeholt wird (wie es zu dem erwähnten Totschlag kam, will ich hier nicht verraten, falls Sie die Bücher noch lesen wollen, auf jeden Fall hatte Millie gute und nachvollziehbare Gründe dafür). Im Zuge der wechselnden Beschäftigungen in verschiedenen Haushalten wird Millie wiederholt Zeugin von Manipulation, Unterdrückung und sexueller Gewalt, wobei nie etwas so ist, wie es zunächst scheint, was in den ersten zwei Bänden immer dann deutlich wird, wenn der erste Abschnitt (erzählt aus Millies Sicht in der Ich-Perspektive) endet und der zweite beginnt (erzählt aus der Sicht einer anderen Person aus deren Ich-Perpektive). Dabei gibt es immer Tote mit ordentlich viel Blut und am Ende fügen sich alle Puzzleteile aufs Wunderbarste und Überraschendste ineinander.

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Jens Schäfer – Langes Elend – Jens Schäfer 2024

Von Guido Dörheide (09.06.2024)

Vorab: Eine kurze Berichterstattung vom Börßumer Bücher Bahnhof, Börßum 2. Juni 2024:

Am vergangenen Sonntag besuchten die Liebste und ich zum ersten Mal Börßum, den beliebten Samtgemeindesitz im Landkreis Wolfenbüttel. Und das ist hier jetzt nicht nur so launig dahingeplappert: Eben diesen Sitz, nämlich den Börßumer Bahnhof in der Bahnhofstraße, der an diesem Tag zum „Börßumer Bücher Bahnhof“ umfunktioniert wurde (was soviel bedeutet wie Börßumer Bücher-Bahnhof oder Börßumer Bücherbahnhof, verzeihen Sie es mir, liebe Lesenden, ichbekämpfeimmernochdasLeerzeichenwoimmerichkann), den haben wir besucht. Während der Fahrt spielten wir „Gelbes Auto“, ein Spiel, das meine jüngste Tochter uns beigebracht hat. Wer zuerst ein gelbes Auto sieht, darf die/den Andere:n antippen und „Gelbes Auto!“ sagen. Dabei zählen auch DHL- und ADAC-Fahrzeuge, was immer schmerzhaft für mich ist, wenn Töchterchen und ich unweit des Wohnsitzes meiner Mutter auf die Schnellstraße einfahren und dabei am DHL-Stützpunkt vorbeikommen. Und vor der Tür des Börßumer Bücher Bahnhofs Gebäudes sahen wir zuallererst – ein gelbes Auto. Nämlich den Bücherbus des Landkreises Wolfenbüttel, der 46 Standorte im Landkreis anfährt und somit vielen Menschen die Literatur und andere Medien vor die Haustür bringt, die aus Gründen keine Bibliothek aufsuchen können. Toll sowas, denn Literatur ist so unendlich wichtig und Einrichtungen, die den Zugang dazu erleichtern, sind aller Lobpreisungen wert.

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Michael Howe – Terrible Maps – HarperCollins 2023

Von Matthias Bosenick (06.06.2024)

Das buchgewordene Meme: Weil die Kommentare zu seinen ernstzunehmenden Kartographiebeiträgen in diesem Internet häufig sehr despektierlich ausfielen, drehte Kanalbetreiber Michael Howe den Spieß einfach um und erschuf „Terrible Maps“, einen Kanal mit Kartenmaterial zu absurden Themen. Oder Wortspielen. Oder einfach nur hanebüchenem Blödsinn. Und diese Memesammlung funktioniert auch als Buch noch mehr als prächtig, es vergeht kaum ein Umblättern ohne Lachanfall. Englisch- und Geographiekenntnisse sowie ein fundiertes Allgemeinwissen sind eine günstige Voraussetzung für den Genuss. Eignet bestens sich als Geschenk – danke, Andrea!

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Julia A. Jorges – Hochmoor – Blitz-Verlag 2024 / Mordsgeschichten auf der Oker, 11. Mai 2024

Von Guido Dörheide (28.05.2024)

Am 11. Mai befahren die Liebste und ich mit dem Fahrzeug die Harzautobahn in umgekehrter Richtung. Nicht etwa als Geisterfahrende, sondern durchaus auf der korrekten Fahrspur in Fahrtrichtung Norden. Ziel unseres Weges ist Braunschweig, eine von amüsant-charmanter Selbstüberschätzung geprägte Bier-, Fußballtraditions-, Löwen- und Universitätsstadt, die mit Unterbrechungen ein Vierteljahrhundert lang meine Heimat war. Nun also mal die Okermetropole als Tourist bereisen, mit Lost-Place-Begucken, Pizza bei meinem Namensvetter in der Neuen Straße (Immer wieder preisgünstig & lecker, und bei der Höllenpizza wird man gefragt, ob man sie „so, wie sie ist“ oder weniger scharf haben wolle. „So, wie sie ist“ macht sie fürwahr ihrem Namen alle Ehre.) und dem Besuch einer Veranstaltung aus der Reihe „Mordsgeschichten auf der Oker“ (Infos und Reservierung unter https://www.okertour.de/klassiker/reservierung-mordsgeschichten-auf-der-oker) als krönendem Abschluss.

Zu sehen und zu hören gibt es die in Goslar aufgewachsene Braunschweiger Autorin Julia Annina Jorges, die mit leiser, aber eindringlicher und allzeit gut zu verstehender Stimme zunächst die Kurzgeschichte „Zwischen zwölf und Mittag“ und dann Auszüge aus ihrem aktuellen Roman „Hochmoor“ liest.

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Michael „Schepper“ Schaefer – Gedichte Gedanken Gefühle & Gedöns – Schepper 2024

Von Matthias Bosenick (28.05.2024)

Es gibt etwas Neues von Schepper – aber dieses Mal keine Musik, sondern ein Buch mit Lyrik: „Gedichte Gefühle Gedanken & Gedöns“ beinhaltet genau das, was der Titel verspricht, ist also sehr persönlich gehalten und spiegelt die Seelenlage ebenso wie die Auseinandersetzung mit der näheren und weiteren Umwelt des Autoren wieder. Die Grundstimmung ist über manche Strecken melancholisch, aber es wäre natürlich kein Buch von Schepper, tobte er sich nicht auch humoristisch darin aus. Was indes wundert: Kein einziges Mal fällt das Wort „Bass“. Aber dafür hat er dann ja auch seine CDs.

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Sibylle Schreiber – Das 3×8 der Liebe – Ehrlich-Verlag 2024

Von Matthias Bosenick (29.04.2024)

Es ist nie zu früh, an Weihnachten zu denken – und nie zu spät für das große Glück: Mit „Das 3×8 der Liebe“ veröffentlicht die eigentlich blutrünstige Thriller-Autorin Sibylle Schreiber weit außerhalb der Vorweihnachtszeit eine besondere Geschichtensammlung. Aufgeteilt auf 24 Adventskalendertürchen, berichtet sie von 24 Liebesgeschichten rund um die Welt und leuchtet dabei lokale Weihnachtsbräuche aus, mit Romantik, Tragik, Humor, Action, Jugend, Alter, Leben und Tod, sogar mit Metaphysik und Folklore. Sie erzählt in ihrem empathischen, bildreichen und assoziativen Schreibstil, gleichzeitig gewählt und am Puls der Zeit – man muss gar nicht bis zur Adventszeit warten, um an diesem Buch Freude zu haben.

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Kari Erlhoff – Rocky Beach Crimes: Tödliche Törtchen (Tante Mathilda ermittelt) – Kosmos 2023

Von Matthias Bosenick (26.04.2024)

Wie nähert man sich diesem Buch: Im Kontext eines Pferdes, das auf dem besten Wege ist, zu Tode geritten zu werden, oder als solitären Cozy-Krimi? Beides ist möglich – und überraschenderweise funktioniert beides auch ganz gut. Bei den „Rocky Beach Crimes“ handelt es sich um die drölfzigste Methode, aus der ursprünglichen Jugendbuchserie „Die drei ???“ noch mehr Geld zu quetschen; dieses Mal, indem man vertraute Nebenfiguren ganz ohne die titelgebenden Juniordetektive in Buchform eigene Fälle lösen lässt. Den Auftakt macht Justus Jonas‘ Tante Mathilda, der die in der Hauptserie für ihre ungewöhnlich brutalen Geschichten bekannte Kari Erlhoff mit „Tödliche Törtchen“ einen Fall auf den Leib schneidert, der der resoluten Altwarenhändlerin erstaunlich gut steht. Und ohne diesen Serien-Kult-Kontext bekommt man einen Krimi, den eine Schrottplatz-Miss-Marple im Rahmen ihrer Möglichkeiten souverän meistert. Untiefen haben diese letalen Backwerke zwar, doch überwiegt hier das Positive. Drei weitere Bücher liegen in diesem Spin-Off bereits vor: Gentleman-Kunstdieb Victor Hugenay, Ex-Kommissar Reynolds und Erzfeind Skinny Norris sind da die Ermittler. Wann Blacky?

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Stefanie de Velasco – Das Gras auf unserer Seite – Kiepenheuer & Witsch 2024

Von Guido Dörheide (25.04.2024)

Mitte März reisen die Liebste und ich mit dem Fahrzeug in die Hauptstadt, um uns die Premierenlesung von Stefanie de Velascos „Das Gras auf unserer Seite“ anzuhören, kostenloses Parken in Sichtweite des Brandenburger Tores sowie Currywurstessen und ein wenig Sehenswürdigkeiten begucken unter den Linden inklusive. Die haben da sogar einen Laden mit Bud-Spencer- und Terrence-Hill-Fanartikeln!

Es ist eine entspannte Fahrt und ein wunderschöner Tag. Zu Letzterem trägt Stefanie de Velasco mit ihrer Lesung sehr bei. Bevor sie damit loslegt, aus Ihrem neuen Roman vorzulesen, erzählt sie dem Publikum, dass es ihr großen Spaß mache, sich fiktive Romanheldinnen auszudenken, bis dann der Moment käme, in dem ihr klar werde, dass sie ja irgendwann aus diesem Buch vorlesen müsse.

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Project Pitchfork – Elysium – Trisol 2024

Von Matthias Bosenick (17.04.2024)

Man darf ja noch hoffen, dass Peter Spilles nach Corona-Pandemie und Krankheitsausfall an sein nächstes Album als Project Pitchfork anders herangeht als zuvor, aber nein, „Elysium“, der dritte Teil einer 2018 begonnenen und auch gleich unterbrochenen und wie auch immer strukturierten Trilogie, setzt den Schlager-Weg der einstigen Electro-Darkwave-Helden aus Hamburg fort. Pluspunkt für Spilles ist, dass er Scheubi, seinen Mitstreiter seit 1988 – damals noch als Demoniac Puppets –, vor die Tür setzte, weil jener in der Coronazeit zu schwurbeln begann. Ist doch alles recht billig hier im „Elysium“, auch wenn es teilweise hart herüberkommen will: Melodien und Harmonien mit einigen Clicks am PC zusammengeschoben und drübergekrächzt, bisschen Bummbumm, paar Balladen, dazwischen Meeresrauschen, wie schon 1995 auf „α Ω“. Wann kam das letzte gute Album der Mistgabeln heraus – ist es wirklich schon mehr als 20 Jahre her? Man darf ja noch hoffen.

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