Morgue Meat – Apocalyptic Visions – Pest Records 2024

Von Matthias Bosenick (29.08.2024)

Puh, ja: Morgue Meat aus Dallas, Texas, bedienen sämtliche Klischees. Nee, halt: Sie bedienen die Death-Metal-Folklore, so war das gemeint. Bandname irgendwas mit Tod: gegeben. Albumtitel „Apocalyptic Visions“ bekannt und mit Bibelbezug: gegeben. Schriftzug unlesbar: gegeben. Cover irgendwie gruselig: gegeben. Albumtitel in einer Art Frakturschrift: gegeben. Songtitel blasphemisch und todesnah, etwa „Crushing The Messiah’s Skull“ oder „Realm Of Eternal Suffering“: gegeben. Musik meistens schnell, immer tief, teilweise groovend: gegeben. Gesang bisweilen ins Quieken gehend gegrowlt: gegeben. Preis für den Download mit Verweis auf die Offenbarung: $6.66, gegeben. Neu sind die Wurzeln des Trios: Außer in Texas liegen die in El Salvador und Mexico. Behauptet die Info, dass die Band dies musikalisch berücksichtigt, hört man es nicht wirklich heraus: „Apocalyptic Visions“ geht klassisch in die Fresse. Ein Fest für Fans des Genres.

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Vibravoid – We Cannot Awake – Tonzonen Records 2024

Von Matthias Bosenick (28.08.2024)

„We Cannot Awake“ ist eine bunte, ähm, Tüte geworden: Auf ihrem 90488. Album vermengen Vibravoid aus Düsseldorf psychedelische Genres wie Psych-Pop, Post Punk, Stoner, Fuzz, Space, Noise, Kraut und allerlei weitere bewusstseinserweiternde rockbasierte Ausrichtungen zu einem bunt schillernden Werk. Der schlüssige Schluss straft den Titel Lügen, man wird abrupt aus der Kontemplation gerissen. Gerissen!

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Umbersun – Endless Winter Nights – Pest Records 2024

Von Matthias Bosenick (27.08.2024)

Zuerst denkt man: Kitsch. Doomige Riffs und synthetischer orchestraler Bombast. Sobald aber das Growlen einsetzt und sich in die Stimmung einfügt, lässt man sich auch mitten im Sommer auf die „Endless Winter Nights“ ein. Im Verlauf wird das Debüt-Album des rumänischen Quintetts Umbersun noch waverockig, bekommt einige Gimmicks und entwickelt eine merkwürdig anheimelnde Stimmung aus Depression und Gemütlichkeit. Eine schöne Einstimmung auf die zunehmende Dunkelheit.

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Meer – Wheels Within Wheels – Karisma Records 2024

Von Matthias Bosenick (23.08.2024)

Meer ist wirklich ein schöner Name für eine Band, obschon diese hier aus Norwegen kommt, wo „Meer“ eigentlich „hav“ oder „sjø“ heißt, dann ist die Intention dahinter etwas unklar. Die Musik auf dem dritten Album „Wheels Within Wheels“ wiederum neigt dazu, die Hörenden zu überschwemmen: Orchester-Pop, Bombast, Opulenz, Expressivität, allergrößte Emotionen, im Grunde Kitsch – und auch noch wider besseren Kategorisierens einsortiert im Prog-Rock-Fach. Auf diesem Album bekommt man von allem zu viel, außer von Ruhe und Entspannung. In den wenigen stilleren Sequenzen kommen die Finessen des Oktetts wesentlich besser zum Ausdruck, und doch dominiert eine niederschmetternde Kirchentags-Erbaulichkeit. Da passt die Rückübersetzung: Norwegisch „meer“ (eigentlich „flere“) heißt auf Deutsch einfach „mehr“. Dabei wäre „for mye“ treffender gewesen: „zu viel“.

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Ritual – The Story Of Mr. Bogd, Part 1 – Karisma Records 2024

Von Matthias Bosenick (21.08.2024)

Wer eine Katze als Freund hat, weckt schon mal Aufmerksamkeit. Mr. Bogd, offenbar ein Geschäftsmann, der sich auf eine Reise begibt, nennt eine Katze seinen Helden, mitten im Album „The Story Of Mr. Bogd, Part 1“ – dem Comeback des schwedischen Prog-Quartetts Ritual nach 17 Jahren Pause. Das gestalten die Stockholmer gleich mal als Auftakt eines Doppel-Albums, dessen zweiter Teil noch aussteht. Die Musik ist wild: Gefühlt ist hier kein Instrument nicht zu hören, kein prog-verwandtes Genre ebenso, alles pendelt verspielt zwischen Frickelei und Narration, man staunt. Und schnurrt.

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I, Cursed – Death Holograms – Inverse Records 2024

Von Matthias Bosenick (14.08.2024)

Für das – nun – Duo I, Cursed ist „Death Holograms“ eine Art Einstand, nach einigen Singles und einer Split-Veröffentlichung, und die Finnen haben so viel Feuer unterm Hintern, dass diese sieben Tracks in unter einer Viertelstunde wirken wie ein Vollzeitalbum. Im weitesten Sinne sind I, Cursed im Death Metal angesiedelt, was sie nicht davon abhält, auf Genregrenzen zu pfeifen und in ihr strukturiert lärmendes Gepolter auch Leihgaben aus dem punkigen Grindcore oder dem hüpfbetonten Thrash Metal sowie unterschwellige, atmosphärische Melodien einzufügen. Insbesondere der – äh – Gesang sticht hervor: Was wie aus vielzähligen Kehlen klingt, kommt aus lediglich einer.

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Dirk Serries – Defiance Of Self – Silentes/13 2024

Von Matthias Bosenick (13.08.2024)

Es ist ein Rausch, ein Skulpturengarten im dichten Nebel, ein Tauchgang in Honig, ein zwielichtiges Labyrinth in Watte: „Defiance Of Self“ nennt Dirk Serries seine Experimente, die er mit seiner Gitarre und seinem Effektboard mitschnitt, in Echtzeit, wie die Info betont. Die Info sagt außerdem, dass die fünf Ambient-Tracks dunkel und experimentell ausgefallen sind, aber das ist durchaus diskutabel: Freunde solcher freien Musik finden Freude an den entschärften Atmosphären, die die Hörenden umhüllen und vom Übel der Welt abtrennen. Dunkel geht anders, abstrakt indes ist es sehr, und es gelingt dem Antwerpener ungemein gut, aus dem Experiment Schönheit zu extrahieren. Von wegen „Selbstverachtung“!

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Spezial: Bo Müller – Räume/Krüger – GÜT – Bauchpfannen Aufnahmen 2024

Von Matthias Bosenick (09.08.2024)

2024, die beiden verbliebenen Mitglieder des künstlerisch wie musikalisch unschätzbar einflussreichen Trios Die Trottelkacker aus der Samtgemeinde Velpke veröffentlichen 22 Jahre nach dem Ende jener Band neue Solo-Sachen. Der eine, Krüger, mit „GÜT“ eine Best-Of seiner Songs aus der Zeit von 2007 bis 2017, der andere nach Bandprojekten wie Müller & die Platemeiercombo und der weiterhin aktiven Müller-Verschwörung mit „Räume“ sein erstes echtes Solo-Album als Bo Müller. Behandelt Krüger mit fettem Indie-Rock gesellschaftliche wie emotionale Schief- und Tieflagen, reduziert sich Müller bei gar nicht so unähnlichen Themen auf seine Akustikgitarre. Bei aller Ernsthaftigkeit, Reife und musikalischer Perfektionierung: Die Kriegst die Jungs aus den Trottelkackern, aber die Trottelkacker nicht aus den Jungs. Und das ist GÜT so, das weitet Räume.

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Dead Bob – Life Like – Wrong Records 2023/2024

Von Matthias Bosenick (08.08.2024)

„Fuck this fucking shit“, schöner Einstieg. Seit 2016 sind NoMeansNo offiziell in Rente, und mit John Wright setzt ein Drittel jener Band aus Kanada unter dem Alias Dead Bob die Reise nun doch noch fort. Etwas mehr als ein Jahr nach der Veröffentlichung ist das Vinyl des Debüts „Life Like“ jetzt auch in Europa zu haben – und es lohnt sich: Natürlich bekommt man den Prog-Jazz-Punk von NoMeansNo kredenzt, dazu aber auch den Ramones-Pastiche-Punk der Hanson Brothers sowie einige Neuheiten. Offenbar hat der Schlagzeuger noch einiges mehr an Material in der Schublade, und wer weiß, vielleicht bekommt er seinen Bruder Rob eines Tages doch noch zurück ins Studio.

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Tom Liwa & Leuchtturmband – Primzahlen aus dem Bardo/More To Primes – Der, den mein Freund kannte 2024

Von Matthias Bosenick (05.08.2024)

Tom Liwa sitzt bei dir in der Bude rum und quatscht dich voll. Das allein reicht ihm aber nicht, er hat noch eine leise Indierock-Band mit dabei. Und eine Saxophonistin. Rund 100 Minuten auf drei CDs lag hockt er neben dir und erzählt vor sich hin. Öffnet die Tür zum Jazz und dein Herz für seine Betrachtungen. Lässt die Leuchtturmband im Wendland sanften Folk-Indie spielen, der für sich schon ungemein umhaut, auch auf so eine lange Strecke, und holt als Garnitur Luise Volkmann hinzu, die mit ihrem Saxophon mehr Melodie improvisiert, als Liwa singt. Weil er eben zumeist spricht. 100 Minuten „Primzahlen aus dem Bardo“ und „More To Primes“ können ganz schön kurz sein. Country’n Western sollte man für den Genuss schon mögen, übrigens, wenn auch nicht zwingend chinesischen.

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