Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Die Lüge – Über das Verdrängen einer Vergewaltigung

Von Onkel Rosebud

Im Original heißt die Miniserie auf Netflix „En helt vanlig familj”, wie auch im Englischen: „A nearly normal Family“ – also eine fast normale Familie. Denn das schöne Familienbild, das sich die Sandells aufgebaut haben, stimmt so nicht ganz. Das wird vor allem in einer Situation ganz deutlich. Die Tochter überlebt in jungen Jahren einen Vorfall von sexualisierter Gewalt – und versucht, ihren Eltern die Situation zu erklären. Ihr Vater steht auf ihrer Seite, doch überraschenderweise will ihre Mutter den Vorfall nicht zur Anzeige bringen. Sie beteuert zwar, dass sie ihrer Tochter glaubt, doch weiß sie, dass eine Anzeige zu einer sehr persönlichen Befragung und Untersuchung führen würde, die Stella womöglich noch mehr traumatisieren könnte.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Die Discounter

Von Onkel Rosebud

In meiner Jugend habe ich auch mal in einem Supermarkt gearbeitet. Damals hieß das noch Konsum und war im Volksmund eine Abkürzung für „Kauft ohne nachzudenken schnell unseren Mist“. Das schnörkellose Gebäude befand sich auf der Rosa-Luxemburg-Straße, Ecke Karl-Liebknecht-Platz meiner Geburtsstadt. Kein Scheiß. Eigentlich wollte ich in der Getränkeabteilung arbeiten, aber Sportfreund Röder, der Leiter der Konsumgenossenschaft und Mäzen des örtlichen Fußballklubs namens „Einheit“, war der Meinung, dass mein Talent im Nachfüllen der Obst- und Gemüseregale bestand. Also hauptsächlich Kartoffeln, rote Bete, Kohl aller Spielarten und sonstige regionale Agrarprodukte sowie Zeugs in Dosen. Das Highlight war immer die Woche vor Weihnachten. Da gab es Kuba-Orangen und meine Aufgabe bestand darin, darauf zu achten, dass jeder Kunde nur zwei von den Dingern in den Einkaufskorb legte. Mit dem Hintergrund war die Serie für mich natürlich ein Muss.

„Die Discounter“ ist in erster Linie eine Serie von jungen für junge Leute. Krasse Sprache, Sex, kein Sex, Rumgedisse, laute Vorwitzigkeit… man könnte „jung“ auch mit „Spät- und immer-noch-Adoleszente“ ersetzen. Meine Freundin ist also ganz klar nicht die Zielgruppe.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wohin mit dem Hass?

Von Onkel Rosebud

Ich habe festgestellt, dass ich das Wort Hass inflationär benutze, um eine Abneigung zu beschreiben. Meine Freundin mag das nicht. Sie lehnt jede Form von Radikalisierung ab und findet, Hass ist ein gewagter Ausdruck und vergiftet die Seele. Mit dem Hass ist es aber eine seltsame Sache. Ich wiederum neige nicht nur ab und zu zur Übertreibung, sondern habe bei dem Thema auch kognitive und psychologische Tendenzen in Richtung starker emotionaler Antworten. Am deutlichsten zeigt sich das im Straßenverkehr. Lahmarschiges Anfahren von Teilnehmern an Ampeln mit kurzer Grünphase oder die Parkplatz-Anfahrsituation: Ein Sucher fährt langsam in der Mitte der Straße und blinkt nicht, bevor er (meistens ein Er) einparkt. Um dann zwei Parkplätze gleichzeitig auszufüllen, oder, oder, oder. Das bringt mich zur Weißglut und lässt mich Beleidigungen brüllen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Danke Goth – Anja Huwe

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin neigt zur Synästhesie. Buchstaben oder Zahlenfolgen erzeugen vor ihrem inneren Auge Farben oder Temperatur. Zum Beispiel bezeichnet sie die Ziffer 9 als warmes Grün. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass Töne für sie nicht nur klingen, sondern gleichzeitig schmecken. Neulich habe ich ihr Auszüge aus dem mich begeisternden Tonträger „Codes“ von Anja Huwe vorgespielt. Ihr Kommentar lautete sinngemäß: „Riecht nach abgestorbenem Gehölz. Schmeckt wie Esche mit Brombeeren.“ Ziemlich gute Antwort, dachte ich, weil meine Freundin bis dahin Anja Huwe nicht kannte, und dass sie mit ihr eine Sache und mit 4-5% der Weltbevölkerung gemein hat: Synästhesie. Kurze Erklärung: Normalerweise reagiert beispielsweise der Geruchssinn auf einen olfaktorischen Reiz, etwa eine duftende Blume oder frische Brötchen. Das Gehör wiederum nimmt Lärm oder klackende Hackenporsche wahr. Menschen mit Synästhesie riechen Gerüche oder hören Töne aber nicht nur, sie können sie auch „sehen“ oder „schmecken“.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Was ist eigentlich mit Lauryn Hill passiert?

Von Onkel Rosebud

Nach wie vor geht Lauryn Hill meiner Freundin runter wie kaltes Malzbier. Über 25 Jahre ist es mittlerweile her, dass sie ihren Solo-Durchbruch mit „The Miseducation Of Lauryn Hill” feierte. Ein Album, das weltweit Erfolge erzielte und einen Meilenstein in der Hip-Hop-Szene setzte. Ihr Debüt gewann als erste Hip-Hop-Platte 1999 den „Album des Jahres“-Grammy, neben vier weiteren Auszeichnungen in den wichtigen Kategorien. Das hatte zuvor noch kein Rapper, geschweige denn, ein weiblicher MC geschafft. Ja, und wer sich mal eben, mit 23 Jahren, von den Fugees auskoppelt, hat schon einen eklatanten Vorsprung am Start für die Solo-Karriere. Wer das nicht glaubt, gleich mal Roberta Flacks Coverversionen von „Killing Me Softly With His Song“ auflegen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Was meine Freundin gerne hört.

Von Onkel Rosebud

In dieser Folge der Kolumne gehe ich auf einen besonderen Wunsch meiner Freundin ein. Sie hält mir regelmäßig vor, in ihrem werten Namen über Zeugs zu schreiben, was sie oft gar nicht kennt, und fordert eine Richtigstellung: Schreib‘ doch mal wirklich über das, was deine Freundin gerne hört, zum Beispiel über Stereolab. Na, sehr gern.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Once a Stuffie always a Stuffie.

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat meine aktive Wonderstuff-Phase nicht mitgekriegt. In unserer Kennenlern-Periode hat sie im Angesicht meines schwarzen T-Shirt-Friedhofs mal gefragt, wieso ausgerechntet auf der offensichtlich am meisten getragenen Obertrikotage ausgerechnet „The Idiot“ steht. „Wolltest Du Deinen Kritikern zuvorkommen“, kicherte sie. Ich stammelte was über Selbstironie und eine Platte namens „Construction For The Modern Idiot“ (Polydor, 1993), schnallte aber schnell, dass ich bei ihr nicht mit geigengestützem, englischem Alternitive-Rock (sondern mit walisischem Trip-Hop, aber das ist eine andere Geschichte) punkten kann.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Seelenmusik: Tindersticks

Von Onkel Rosebud

Als 1993 das erste Album der Tindersticks erschien, steuerte Britpop auf seinen Höhepunkt zu. Aber die Band aus Nottingham lebte in einer anderen Welt. In dreiteiligen, grauen Anzügen standen die jungen Männer, die damals schon Musik von älteren Herren machten, auf der Bühne und pflegten in ihren Songs eine langsame, düstere Romantik. Das ist nicht als Beleidigung gemeint. Tindersticks steht für Musik von reifen Herren, die gelernt haben, zu reflektieren, zu horchen, zu fühlen und den Zweifel, auch an sich selbst, zu kultivieren. Es ging ihnen immer um Atmosphären und imaginäre Räume, in denen sich Sehnsucht, Trauer, manchmal auch Glück und Hoffnung entfalten können. 

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Eisbergsalat auf Käsebrötchen – Bjarne Sörensen

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin meinte neulich, wir müssen mal über Bjarne Mädel reden. Erklär‘ mir doch mal, warum er Everybody’s Darling ist. Sie hört verschiedentliche Podcasts und immer, wenn er zu Gast ist, freut sich der Host unheimlich und lobt sein Kulturschaffen. Ich hob an und referierte über die Figur Berthold „Ernie“ Heisterkamp aus der Serie „Stromberg“, in der Bjarne Mädel trotz fragwürdiger Krawatten, Schweißflecken auf dem Hemd, Depression und vehementer Unsexyness Kultstatus erlangte. Dann „Der Tatortreiniger“. Insbesondere Folge 3 der 2. Staffel, „Schottys Kampf“, gehört in jede Schultüte, wenn es darum geht, zu beweisen, dass deutscher Humor dem britischen ebenbürtig sein kann. Und natürlich noch frühere „Mord mit Aussicht“, da ist er „der Bär“. Meine Freundin gähnte und mahnte mich, endlich zum Punkt zu kommen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Bio-Bananen sind von glücklichen Affen.

Von Onkel Rosebud

Diese Ausgabe der Kolumne stellt eine Verneigung vor Frau Mansmann, bakraufarfita-records, bierschinken.net und wolverine-records dar. Ich halte das für notwendig, weil es auch in meinem Leben diverse Kreuzungen auf der dornigen Straße, die sich das Leben nennt, gegeben hat, wo ich hätte abbiegen können, um mich hingebungsvoll einer mir geliebten Subkultur zu widmen, so wie es Bönx, Fö, Schuldenberg, Felix Wirtz und Sascha Wolff gemacht haben. Und nicht zuletzt Van Bauseneick.

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