Phillip Boa And The Voodooclub – Copperfield (Re-Edition 2024) – Vertigo/Universal 1988/2024

Von Matthias Bosenick (20.08.2024)

Es gibt fünf neue Songs von Ernst Ulrich Figgen und seinem Voodooclub. Nicht als eigenen Tonträger, sondern wie zuvor im Rahmen der wiederholten Wiederveröffentlichung eines alten Albums als Bonus. Es bleibt dabei, dass Phillip Boa die Unsitte fortsetzt, von seinen loyalen Fans mehr Kohle abzuverlangen, als diese ihm ohnehin zukommen lassen, indem er seinen Indierockpop teurer verkauft als nötig und diesen Fans auch noch Altlasten aufbürdet, die sie bereits vielfach im Regal haben. In diesem Falle wirbelt Boa die Tracklist seines dritten Albums „Copperfield“ durcheinander und packt fünf neue Songs dahinter, die er, wie bei „Boaphenia“, im Geiste der alten Songs aufgenommen haben will. Interessanter noch sind zwei, drei Songs auf der Bonus-CD, die natürlich Lücken lässt zu früheren Rerelease-Bonus-Tracks. So kennt man ihn. Kill Your Ideals!

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Collapse Under The Empire – Non-Album Singles & Bonus Tracks – Finaltune Records/Broken Silence 2023/2024

Von Matthias Bosenick (12.08.2024)

Das ist Dienst am Fan: Die ganzen teils lediglich digital veröffentlichten Stücke, die nie auf Alben erschienen, als Compilation bündeln und einige unveröffentlichte Tracks dazupacken, das freut die Sammler, besonders jene haptischer Musikgenüsse. So verfährt das Hamburger Instrumental-Postrock-Duo Collapse Under The Empire auf dem recht pragmatisch betitelten „Non-Album Singles & Bonus Tracks“, auf dem sich in fast 75 Minuten 15 Stücke aus ebenso vielen Jahren finden; das Duo löst damit eine Bonus-Disc aus ihrer 2023er Werkschau-Box mit dem ebenfalls programmatischen Titel „Works“ heraus – und bleibt dennoch unvollständig. Zudem erscheint die Band ein wenig als One Trick Pony, denn große Varianten oder Entwicklungen lassen sich im Vergehen der Zeit nicht ausmachen, außer, dass alles bald runder geschliffen klingt als zu Beginn.

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Spezial: Bo Müller – Räume/Krüger – GÜT – Bauchpfannen Aufnahmen 2024

Von Matthias Bosenick (09.08.2024)

2024, die beiden verbliebenen Mitglieder des künstlerisch wie musikalisch unschätzbar einflussreichen Trios Die Trottelkacker aus der Samtgemeinde Velpke veröffentlichen 22 Jahre nach dem Ende jener Band neue Solo-Sachen. Der eine, Krüger, mit „GÜT“ eine Best-Of seiner Songs aus der Zeit von 2007 bis 2017, der andere nach Bandprojekten wie Müller & die Platemeiercombo und der weiterhin aktiven Müller-Verschwörung mit „Räume“ sein erstes echtes Solo-Album als Bo Müller. Behandelt Krüger mit fettem Indie-Rock gesellschaftliche wie emotionale Schief- und Tieflagen, reduziert sich Müller bei gar nicht so unähnlichen Themen auf seine Akustikgitarre. Bei aller Ernsthaftigkeit, Reife und musikalischer Perfektionierung: Die Kriegst die Jungs aus den Trottelkackern, aber die Trottelkacker nicht aus den Jungs. Und das ist GÜT so, das weitet Räume.

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Schlackrufe BRD 2 – Tutti Frutti Igitt Records 2024

Von Matthias Bosenick (09.27.2024)

Was ist hieran das größte Ereignis: dass es zu der wundervoll beknackten Idee, ein Mischgetränk namens Schlacke zu erfinden und dazu eine Tribute-Compilation herauszubringen, einen zweiten Teil gibt? Dass die 24 Beitragenden mit der Grundierung Punk das Zeug – Boonekamp mit Ahoj-Brause – allem Anschein nach tatsächlich probiert haben? Dass es satte 24 Musikstücke zum Thema gibt, die auch für Punkverhältnisse ordentlich produziert, arrangiert und komponiert sind? Dass sich doch so viele Reime auf „Schlacke“ finden lassen? Der Wahlbremer Nils Bauer alias Plautzenotto, selbst Beitragender hier, fügt diese Rasselbande aus Rasselbands auf seinem Label Tutti Frutti Igitt Records unter dem Banner „Schlackrufe BRD 2“ zusammen, das Tape ist leider bereits ausverkauft. Noch so ein Anwärter für das größte Ereignis in diesem Zusammenhang!

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Jan-Friedrich Conrad – Crime Scenes – Bartling Schallplatten 2024

Von Matthias Bosenick (31.05.2024)

Von Jan-Friedrich Conrad stammt der zweitwichtigste Titelsong der Hörspielreihe „Die drei ???“: Die Synthpopmelodie mit den Vocoderstimmen, die den Seriennamen wiederholen. Auch sonst trägt der Komponist seit Jahrzehnten Musik zu dieser und anderen Kopfkino-Serien bei. Auf „Crime Scenes“ sammelt er satte 60 Tracks nicht nur aus Rocky Beach, und zwar als Stream und Doppel-CD sowie in reduzierter Fassung auch als Doppel-LP. Diese Sammlung belegt: Einen Teil der Tracks erkennt man durchaus aus den Hörspielen wieder, ein Teil der Tracks würde auch für sich als attraktive Musik durchgehen und einen Teil der Tracks kann man als kaum mehr denn als funktionalen Zweck betrachten. Ein großer Kaufgrund sind die enthaltenen Raritäten.

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Enablers – Almost To Who Knows Where – Atypeek Music 2024

Von Matthias Bosenick (27.05.2024)

Nach 20 Jahren Existenz kann man ruhig mal eine Best-Of veröffentlichen, oder? Ein seltenes Format außerhalb der Weihnachtszeit, noch seltener in Bezug auf Bands, die aufgrund ihrer musikalischen und sonstigen Ausrichtung nicht eben massentauglich sind und vermutlich weder Club- noch Radiohits vorzuweisen haben. Also interessant sind, wie die Enablers, eine Band aus San Francisco, die Post-Punk-, Post-Rock- und Noiserock-Tracks als Grundlage für einen Textvortrag nutzen, der irgendwo zwischen Poetry und Rap sein Eigenleben führt. Schön, auf diese Weise – „Almost To Who Knows Where“ ist auch noch ein Doppel-Album mit 31 Tracks – auf die Band aufmerksam zu werden – es gilt nunmehr sieben vorausgehende Alben nachzukaufen.

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Spezial: Head Perfume Records/Windlustverlag

Von Matthias Bosenick (28.02.2024)

Mit drei neuen Zugpferden aus zweien seiner Ställe macht René Seim dieser Tage auf sich aufmerksam: Der Verleger und Labelbetreiber aus Dresden stellt dem europäischen Publikum das retroselige Surfpunk-Duo Turnstyles mit der Best-Of-CD „Variations“ vor und teast das kommende Album des italienischen Rock’n’Roll-Trios Faz Waltz mit der 7“ „Rave A-Comin‘/Jackal Hop“. Außerdem legt er das Best-Of-Büchlein „Mach dich hübsch, spring ins All und komm am Sonntag wieder“ mit seinen eigenen Gedichten aus über zehn Jahren Lyrikerdaseins mit einigen Bonus-Tracks zum dritten Mal auf.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Conrad Schnitzler: Sauerkraut nicht Amaranth

Von Onkel Rosebud

Wenn Musik zirpt, blubbert und tiriliert, wenn sie zwitschert, ziept und quiekt, wummert und stampft, dann ist das heute ohne das Vermächtnis des Conrad Schnitzler in Betracht zu ziehen nicht vorstellbar. Denn bis heute wird Schnitzler (geboren am 17. März 1937 in Düsseldorf, gestorben am 4. August 2011 in Berlin an den Folgen einer Magenkrebserkrankung) weltweit als ein Vorreiter der elektronischen Musik verehrt, obwohl er selbst gar keine Musik machen wollte und die kommerzielle Vermarktung seiner Arbeiten strikt ablehnte. Der gelernte Maschinenbauer und Schüler von Joseph Beuys gründete 1969 die Band Kluster, die mit ihm zwei Jahre existierte, und war 1970 Mitglied der zweiten Formation von Tangerine Dream. Er besorgte Kraftwerk den ersten Synthesizer, einen tragbaren Synthi-A der Firma EMS, bekannter unter dem Namen VCS 3.

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New Order – Substance 2023 – Factory/Rhino Records 2023

Von Matthias Bosenick (05.12.2023)

It seems like I’ve been here before: Was machen einst erfolgreiche Musizierende, sobald ihr Zenit überschritten scheint? Compilation- und Live-Alben herausbringen, und sobald noch mehr Zeit vergeht, mit erweiterten Reissues der Erfolgsalben aufwarten. Die für Puristen faktisch schon wieder nicht mehr existierenden New Order absolvieren hier alles gleichzeitig: Sie bringen ein Reissue einer Compilation heraus mit einem Live-Album als Bonus. Nun war „Substance“ – den Titel übernahmen sie 1988 für eine Compilation von Joy Division – 1987 wegweisend und die einzige Möglichkeit, den Überhit „Blue Monday“ in Albumform zu erwerben; auch, wer alle Studioalben hat, braucht „Substance“, und auch, wer „Substance“ hat, braucht dieses Reissue, weil die damals nur auf Tape erschienenen Extra-Tracks hier endlich remastert als dritte CD zugänglich sind. Hier lässt sich dreimal der Weg der Joy-Division-Nachfolger vom Wave und Postpunk zur Synthiepop-Disco nachverfolgen. Übergroß, und das, obwohl Bernard Sumner nicht singen kann.

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Planète Magnifiée/Fantastic Planet: Hommage à Failure – Bitume Prods 2023

Von Matthias Bosenick (29.11.2023)

So bekommt man den Horizont erweitert: Bei Failure handelt es sich um eine US-Indierockband, die in den Neunzigern einige Alben und Singles herausbrachte, sich auflöste und wie fast alle Indiebands im neuen Jahrtausend einen Neustart absolvierte. Man kann ja nicht alles kennen, obschon einige Failure-Musiker später bei diversen Tool-Projekten aufschlugen, da hilft eine Tribute-Compilation schon weiter: „Planète Magnifiée“ wird zweigeteilt vom französischen Label Bitume Prod herausgegeben. Der erste Teil mit 19 Bands liegt bereits vor: Die darauf enthaltenen Coverversionen wecken zum Teil den Geist des Neunziger-Indierock, wie man ihn seinerzeit auf MTV zu lieben lernte, obwohl viele Songs von nach der Reunion dabei sind, verharren aber nicht bei der schnöden Reproduktion. Die Kompilatoren rekrutierten Beitragende aus den unterschiedlichsten Genres, Stoner, Punk, Doom, Electro-Rock, Noisecore, Synthiepop und natürlich Indierock, und erstellen ein breites Portfolio an unbekannten Bands, die einer auch nicht so bekannten Band huldigen. Auch ohne Kenntnis der Originale ist diese Zusammenstellung eine Erkundung wert.

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