Anubis – The Unforgivable – Bird’s Robe Records 2024

Von Matthias Bosenick (04.10.2024)

Das geht einmal quer durch die Welt: Die Band mit dem nach einem ägyptischen Gott benannten Namen Anubis kommt aus Sydney und singt auf ihrem siebten Album „The Unforgivable“ über einen Mann, der im mittleren Westen der USA einer Sekte mit dem schönen Namen „The Legion Of Angels“ verfällt und ihr wieder zu entkommen versucht; das Cover spiegelt dies beklemmend wieder. Da passt ja außerdem der Bandname wie die Faust aufs Butterbrot. Ihre Musik beschreibt das nunmehr seinen 20. Geburtstag feiernde Sextett selbst als Cinematic Progressive Rock, das kann man so annehmen und sich darüber freuen, dass es trotz epischer Hymnen und emotionaler Elegien zwischenzeitig auch mal zur Sache geht und die zahlreichen Saiteninstrumente dem Aspekt Rock mehr Gewicht verleihen.

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Nilüfer Yanya – My Method Actor – Ninja Tune 2024

Von Guido Dörheide (03.10.2024)

Seit 2016 tummelt sich Nilüfer Yanya aus London, UK, auf dem Schallplattenmarkt, zunächst mit einer Handvoll Singles und EPs und dann 2019 mit dem bescheiden und zurückhaltend betitelten Debütalbum „Miss Universe“. Für mich eine der Albumsensationen eines an Albumsensationen nicht eben armen Jahres, somit finde ich persönlich, der Titel geht voll in Ordnung. Ebenso wie „Painless“ aus 2022, ein ebenso tolles Album wie das Debüt. Und nun also „My Method Actor“, auf dessen Cover Frau Yanya spärlich bekleidet vor einem Spiegel sitzt, als hätte sie vor, mittels guten Aussehens von der dargebotenen Musik abzulenken. Aber wurscht, das hat sie nicht nötig und das Cover-Artwork wirkt auch nicht irgendwie effekheischerisch, eher fragt man sich, warum sie da auf dem Sims vor dem Spiegel einer hässlich/muss-man-mögen-aus-den-80ern grünbeige-rosa gestalteten WC-Räumlichkeit sitzt. Yanyas Gesichtsausdruck hingegen bildet die Stimmung des Albums perfekt ab: Leicht fragend, melancholisch, wie die Musik auf „My Method Actor“, das musikalisch mit ein wenig weniger Schmackes daherkommt als die beiden Vorgängerinnenalben.

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Thurston Moore – Flow Critical Lucidity – The Daydream Library Series 2024

Von Guido Dörheide (03.10.2024)

Oh Mann, Thurston Moore! Obwohl der Platten- und Buchsammler und begeisterte Kreuzworträtsellöser seit der Auflösung seiner Band Sonic Youth im Jahr 2011 eigentlich mit schöner Regelmäßigkeit (2011, 2014, 2017, 2019, 2020) neue Alben rausbringt, hatte ich ihn für dieses Jahr eigentlich so gar nicht auf dem Zettel. Passt aber gut, schließlich rezensierte ich vor kurzem das Album „The Collective“ von Moores Ex-Frau, Kim Gordon. Gordon und Moore waren seit 1980 ein Paar, seit 1984 verheiratet und betrieben Sonic Youth von 1981 bis 2011, dem Jahr, in dem auch ihre Ehe in die Brüche ging, die meiste Zeit über mit Lee Ranaldo an der zweiten Gitarre und Steve Shelley am Schlagzeug. Die Trennung im Hause Moore/Gordon und bei Sonic Youth haben mich damals ziemlich aufgewühlt, weil ich einerseits Gordon und Moore immer für ein schönes und tolles Paar hielt (hirnverbrannter Schwachsinn natürlich, da ich ja beide gar nicht persönlich kenne und mir über ihr Beziehungsleben ohnehin keine Kenntnisse hätte anmaßen können, selbst wenn ich sie persönlich gekannt hätte) und mir andererseits nie vorstellen konnte, dass es mit Sonic Youth jemals ein Ende nehmen könnte. Ja klar, ihre Alben wurden immer langweiliger und ruhiger, aber nie schlecht, und logisch, Großtaten wie „Daydream Nation“ (1988), „Goo“ (1990) und „Dirty“ (1992) konnten auch nicht getoppt werden. Nicht von Sonic Youth und auch nicht von irgendwem anders.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wohin mit dem Hass?

Von Onkel Rosebud

Ich habe festgestellt, dass ich das Wort Hass inflationär benutze, um eine Abneigung zu beschreiben. Meine Freundin mag das nicht. Sie lehnt jede Form von Radikalisierung ab und findet, Hass ist ein gewagter Ausdruck und vergiftet die Seele. Mit dem Hass ist es aber eine seltsame Sache. Ich wiederum neige nicht nur ab und zu zur Übertreibung, sondern habe bei dem Thema auch kognitive und psychologische Tendenzen in Richtung starker emotionaler Antworten. Am deutlichsten zeigt sich das im Straßenverkehr. Lahmarschiges Anfahren von Teilnehmern an Ampeln mit kurzer Grünphase oder die Parkplatz-Anfahrsituation: Ein Sucher fährt langsam in der Mitte der Straße und blinkt nicht, bevor er (meistens ein Er) einparkt. Um dann zwei Parkplätze gleichzeitig auszufüllen, oder, oder, oder. Das bringt mich zur Weißglut und lässt mich Beleidigungen brüllen.

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Giants Dwarfs And Black Holes – Echo On Death Of Narcissus – Sireena Records 2024

Von Matthias Bosenick (02.10.2024)

Von wegen, das rheinmainische Quartett Giants Dwarfs And Black Holes ist musikalisch an die Siebziger angelehnt: Sicher, die Wurzeln psychedelischer und progressiver Rockmusik finden sich auch auf dem dritten Album „Echo On Death Of Narcissus“ sehr ausgeprägt, aber strukturell ist die Musik doch wesentlich moderner, in ihren sonstigen Zutaten ebenso, solch eingestreute Riffs etwa gab es in dem Sound vor 50 Jahren noch nicht, und überhaupt, die vielfach überschrittenen Grenzen, das Selbstbedienen bei allem, was ansonsten noch so mit Rock’n’Roll-Instrumentarium machbar ist. Dazu der changierende Gesang von Christiane Thomaßen, die ihre Stimme sogar mal ins Soulige bringt. Ab ins All, da knistert die Sportzigarette!

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Mt. Oriander/Amid The Old Wounds – Split – Time As A Color 2024

Von Matthias Bosenick (01.10.2024)

Der Herbst ist da, und mit ihm ein passender Soundtrack: Melancholie, Innerlichkeit, Selbstreflexion, Einkehr transportieren die drei Songs, die die zwei Emos Mt. Oriander alias Keith Latinen und Amid The Old Wounds alias Daniel Becker auf dieser Split-7“ zusammentragen. Während letzterer das Singer-Songwritertum solo an der Akustischen auslebt, präsentiert sich ersterer voll instrumentiert im milden Shoegaze-Indierock-Gewand. Die schönen Songs wären noch schöner mit einem etwas unschrägeren Gesang, aber irgendwie passt das ja auch in den Herbst, nech!

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Michael Schenker – My Years With UFO – Ear Music 2024

Von Guido Dörheide (30.09.2024)

Einst unterhielt ich mich mit meinem damaligen Kollegen Manfred über die Schenker-Brüder aus Sarstedt bei Hildesheim, Niedersachsen, Germany. Und Manfred war voll des Spottes über Michael, den jüngeren Schenker, ob seines Ausstiegs bei ihm seinen Bruder seinen Scorpions nach dem ersten Album, und meinte, „Ah höhöhö, der ging dann zu UFO (das Manfred etwa „Ufo“ aussprach) und meinte, er könne da was werden. Ah höhöhöhö!“ Ja klar, Michael Schenker hätte natürlich auch mit den Scorpions Mitglied der größten deutschen Stromgitarrenmusikkappelle (ja genau, das ist nämlich genau nicht die peinliche Tippfehlercombo „Rammstein“) werden können, aber in wessen Schatten hätte er da wohl auf Dauer gestanden? Raten Sie mal! „You’re no good, can’t you see, brother Rudi, Rudi, Rudi“ ist das Stichwort.

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Ghost:Whale – Dive:Two – P.O.G.O./Bitume 2024

Von Matthias Bosenick (30.09.2024)

Dieser Geisterwal verbindet auf seinem zweiten Album Dub und Doom. So geht das: Wenn es alles bereits gibt, einfach einiges davon neu kombinieren. Aber Vorsicht, die Musik hier klingt nicht wie das, was man sich unter der Kombi aus den zwei genannten Stilen vorstellt – sondern eher wie Industrial. „Dive:Two“ von den Brüsseler Doppelpunkt:Liebhabern Ghost:Whale ist außerdem gleich ein Doppel-Album geworden, ohne Punkt, aber mit instrumentalem Doom, den er zum Ende der ersten CD und besonders ausgeprägt auf der zweiten ordentlich toastet und stampft. Gesang braucht der Sound tatsächlich nicht, die endlos ausufernden Tracks – mit zwei Bässen und ohne Gitarre übrigens – sind abwechslungsreich genug, um damit zu fesseln, obschon Walgesang eine interessante Ergänzung wäre. Vielleicht auf dem dritten Album?

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Nick Cave And The Bad Seeds – Wild God – Bad Seed/Play It Again Sam 2024

Von Matthias Bosenick (26.09.2024)

Mit großer Geste umarmt Nick Cave die Welt wieder. Gospel, Orchester, Piano, Flöten, eine dezente und kaum als solche wahrnehmbare Rockband, raumgreifende schönste Melodien, überkopfgroße erbauliche Songs, kein Kitsch, oh Lord! Alles sehr anspruchsvoll und inbrünstig, aufgekratzter Rock’n’Roll war früher, heute sind wir closer to God, da springen wir wie Super Mario von Wolke zu Wolke, ab ins Nirvana. Die opulente Wucht haut einen um, und hinterher braucht man unbedingt irgendwas Dreckiges. Gern auch etwas Älteres von Nick Cave oder gleich Grinderman.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Danke Goth – Anja Huwe

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin neigt zur Synästhesie. Buchstaben oder Zahlenfolgen erzeugen vor ihrem inneren Auge Farben oder Temperatur. Zum Beispiel bezeichnet sie die Ziffer 9 als warmes Grün. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass Töne für sie nicht nur klingen, sondern gleichzeitig schmecken. Neulich habe ich ihr Auszüge aus dem mich begeisternden Tonträger „Codes“ von Anja Huwe vorgespielt. Ihr Kommentar lautete sinngemäß: „Riecht nach abgestorbenem Gehölz. Schmeckt wie Esche mit Brombeeren.“ Ziemlich gute Antwort, dachte ich, weil meine Freundin bis dahin Anja Huwe nicht kannte, und dass sie mit ihr eine Sache und mit 4-5% der Weltbevölkerung gemein hat: Synästhesie. Kurze Erklärung: Normalerweise reagiert beispielsweise der Geruchssinn auf einen olfaktorischen Reiz, etwa eine duftende Blume oder frische Brötchen. Das Gehör wiederum nimmt Lärm oder klackende Hackenporsche wahr. Menschen mit Synästhesie riechen Gerüche oder hören Töne aber nicht nur, sie können sie auch „sehen“ oder „schmecken“.

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