Sophie Tassignon – A Slender Thread – Nemu Records 2025

Von Matthias Bosenick (11.07.2025)

Dieses Album lässt sich nur bedingt unter Jazz einsortieren – vielmehr ließe sich von experimenteller Neo-Klassik sprechen, wie man sie annähernd auch aus den kulturell offeneren Randbereichen der jüngeren Gothic-Szene kennt. Auf ihrem zweiten Solo-Album „A Slender Thread“ rückt die in Berlin arbeitende Belgierin Sophie Tassignon ihre Stimme in den Mittelpunkt, mal als Vehikel für deutsche, englische, russische oder arabische Texte, mal als avantgardistische Chorbegleitung, mal als zusätzliches Instrument. Außer Ambient-Soundscapes sind kaum Instrumente zu hören – erst im letzten Track wird es plötzlich elektronisch. Dieser Bach reißt die Hörerschaft mit.

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6SISS – Spare Parts – Antibody Label 2025

Von Matthias Bosenick (10.07.2025)

Lose Skizzen sammelte Peter Andriaenssens zusammen, sagt er, und erstellte daraus „Spare Parts“, sein neues Album unter dem Alias 6SISS. Darauf zu hören sind Retro-Industrial nach modernster Ausführung, IDM und eine Idee von Techno, von Melodien befreit, nicht indes von Atmosphären und Emotionen, solchen zwischen Einsamkeit und Energieausbruch. Für einen Haufen heterogener Ersatzteile klingt dieses Album des Belgiers angenehm homogen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Was ist eigentlich mit Anne Clark passiert?

Von Onkel Rosebud

Zu den Songs, die meine Freundin immer und immer wieder hören kann, zählt auch „Our Darkness“ von Anne Clark. Allerdings muss es die 12-Inch-Version von 1983 sein, nicht einer der zahlreichen Remix-Aufgüsse, um das sogenannte Beste der 90er, 00er und 2010er-Jahre darin unterzubekommen. Mein Lieblingslied der früheren Dark-Wave-Queen ist „Heaven“ von 1985. Okay, sie schreit, als ob sie gleich ein Kind zur Welt bringen würde, ist aber trotzdem einer ihrer besten Songs.

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Ursula Nistrup – As I Move Towards Embrace – Nordsø Records 2025

Von Matthias Bosenick (09.07.2025)

Die Schönheit dieses Vinyls liegt im Gesamtpaket: „As I Move Towards Embrace“ ist der Titel einer Ausstellung der Künstlerin Ursula Nistrup, für die Sängerin Lis Sørensen sowie die Musizierenden Jomi Massage und Luke Sutherland eine Art Score erstellten. Goldenes marmoriertes Vinyl, einseitig bespielt, monochrom blaues Cover einer trüben Landschaft, dazu melancholischer Gesang – eine Platte für den Herbst, möchte man meinen, aber diese Musik umarmt einen auch ganzjährig.

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Drazek Fuscaldo feat. Jörg A. Schneider & Thymme Jones – Certain Kinds – Schneider Collaborations 2025

Von Matthias Bosenick (08.07.2025)

Das Album beginnt mit einem Lachen. Dabei wirkt die Musik so ernsthaft und melancholisch: „Certain Kinds“ vom Duo Drazek Fuscaldo, bestehend aus Przemysław Krzysztof Drazek und Brent J. Fuscaldo von Mako Sica, hier unter Zuhilfenahme von Schlagzeuger Jörg A. Schneider und Pianist Thymme Jones, lässt sich zwischen Neoklassik, Freejazz und Sakralmusik ansiedeln, hält sein Gestüm im Zaum und lässt sich trotz der unkonventionellen Herangehensweise als entspannend auffassen. Und dann dieses Lachen zu Beginn: Als wüsste man nicht intuitiv sowieso, dass es wohl eine Menge Spaß macht, miteinander solche Musik abseits ausgetretener Pfade zu erstellen.

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Maps And Foils – Nulle Part – Maps And Foils 2025

Von Matthias Bosenick (07.07.2025)

Vom Opener sollte man sich nicht abschrecken lassen, wenn einem Härte und Melodien als Kombi nicht so sehr behagen: Maps And Foils aus Paris machen mitnichten Metalcore, dafür aber einen Hardcore, den sie so variantenreich darbieten, wie sie es vor 30 Jahren bei Refused lernten. „Nulle Part“ ist das dritte Album der zum Trio veränderten Band, die sogar nach noch weit mehr Leuten klingt. Hier gibt’s Tupfer von Industrial, Folk und Groovemetal inmitten des Gebrülls, und das kommt gut so.

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Clockwork Orange + Special Guests – Live in der Kuba-Halle Wolfenbüttel am 5. Juli 2025

Von Matthias Bosenick (06.07.2025)

Ein Live-Comeback nach 38 Jahren, das dürfte an Rekorden kratzen: 1987 gaben die Wave-Rocker Clockwork Orange aus irgendwo zwischen Gifhorn-Leiferde und der ganzen Welt ihr letztes Konzert, seit etwas über drei Jahren arbeiten sie an der Neubelebung – und nun war es so weit, endlich. Und was für eine furiose Rückkehr! Sofort wähnte man sich wieder in den Achtzigern, gleichzeitig weder im überkommenen Gestern noch unter Epigonen – die fünf spielten schließlich die Musik, die sie damals schon spielten, indes um Jahrzehnte gereift. Wann auf Schallplatte?

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Marc Ribot – Map Of A Blue City – New West Records 2025

Von Guido Dörheide (02.07.2025)

Irgendwo las ich jüngst, wie es zum Titel des neuen Marc-Ribot-Albums kam: Als seine Tochter ein Kind und Marc Ribot ein junger Vater war, zeichnete die Tochter die Karte einer Stadt in tiefem Blau, und er meinte, das wäre eine schöne blaue Karte einer Stadt. Die Tochter korrigierte den Vater und sagte, es sei keine blaue Karte einer Stadt, sondern die Karte einer blauen Stadt. Sowas kriegen nur Töchter hin, ich musste gleich dran denken, wie meine ältere Tochter früher immer auf meine Frage „Hey M., soll ich die Pizza in 6 oder in 8 Stücke schneiden?“ mit „Papa! 6 Stücke. 8 Stücke sind zu viel, die schaffen wir nicht!“ antwortete und wir uns kaputtgelacht haben. Töchter sagen sowas, und es ist großartig, ebenso wie das „Hey Du! Ich mag Dich nicht mehr – gib mir sofort meine Telefonnummer zurück“ von meiner Jüngsten.

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La Nouvelle Musique – La Nouvelle Musique – Fruits de Mer Records 2025

Von Matthias Bosenick (03.07.2025)

Von wegen „La Nouvelle Musique“, was das gleichnamige Londoner Duo auf seinem Debütalbum präsentiert, ist schon sehr retro, und außerdem wirkt es wie eine Compilation, weil Joanna Beck und Ian de Silva eine überraschend weite Palette an Genres auf ihre elf Songs verteilen. Kammerpop, Akustik-Folk, Bond-Song, Wave, Soul – was diese Stücke eint, ist eine unterschwellige Melancholie, die selbst bei den fröhlicher arrangierten Songs noch mitschwingt. Gerade das ist ein weiteres Qualitätsmerkmal dieser vermeintlich neuen Musik.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Die Legende Kim Deal

Von Onkel Rosebud

Als das zarte Pflänzlein unserer Liebe noch keimte, also am Anfang der Beziehung mit meiner Freundin, hat mich echt genervt, dass sie Kim Gordon mit Kim Deal verwechselte bzw. dachte, das wäre einunddieselbe Person, die Kim eben. Dabei war das doch aus meiner Sicht gar nicht so schwer, die beiden Göttinnen auseinander zu halten: Die eine spielte Bass in der besten Rockband aller Zeiten und hatte Beef (und eine Tochter) mit dem schlaksigen Thorsten, der sie aber ab und zu mal singen ließ. Die andere spielte Bass in der besten Alternativ-Rockband aller Zeiten und kam mit dem kleinen Frank nicht zurecht, der es nicht für nötig erachtete, sie öfter vor das Mikrophon zu stellen.

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