Die drei ??? (225) und der Puppenmacher – Europa/Sony Music 2024

Von Matthias Bosenick (25.03.2024)

Drei Stunden Hörspiel bietet diese Nummer 225, die sechste Jubiläumsfolge der Serie Die drei ???, verteilt auf fünf teils bunte Schallplatten. Die Geschichte „und der Puppenmacher“ ist ja ganz nett und fügt sich auch angenehm ineinander, doch reichen die paar Buchseiten schlichtweg nicht aus, um drei Stunden Hörspiel auf eine Weise zu füllen, dass man bei der Stange bleibt. Das war nach den langweiligen letzten 100 Folgen genau so zu erwarten und erfüllt sich leider auch noch. Komprimiert auf eine Stunde wäre „Der Puppenmacher“ ein großartiger Fall geworden. So ist es eher eine szenische Lesung als ein Hörspiel und lässt einerseits Action vermissen und andererseits den Wunsch nach Schnellvorlauf laut werden. Nehmt den Hörspielmachern doch mal die Serie aus den Händen!

Premiere bei den drei Fragezeichen: Sie bekommen ihren Fall schon drei Wochen vor Antritt der Reise zum Tatort. Der liegt in Arizona, wohin Kenneth, der aus Irland stammende ehemalige Schrottplatzgehilfe von Titus Jonas, mithin Onkel des ersten Detektivs Justus Jonas, aus amourösen Gründen zieht. ???-Chef Justus, der zweite Detektiv Peter Shaw und der für Recherchen und Archiv verantwortliche Bob Andrews nehmen Kenneths Einladung zu dessen Hochzeit an und sollen herausfinden, was es mit einem ominösen Einbruch mit Gespenst auf sich hat. Vor Ort werden sie für nächtliche Störenfriede mit Stroboskoplicht gehalten und finden dabei heraus, dass Trish, Kenneths Gattin in spe, Polizistin ist. Sie lernen die „Twin Peaks“-artige Dorfstruktur kennen und erleben dies und das, treffen nach einer Stunde endlich auf einen Verdächtigen, nämlich einen Gewaltverbrecher, der Trish seine Entlarvung zu verdanken hatte und die titelgebenden Strohpuppen bastelte, die als Visitenkarte an den Orten merkwürdiger, aber banaler Ereignisse gefunden werden. Die Ereignisse überschlagen sich ganz gemütlich und am verhältnismäßig schlüssigen Ende stellt sich heraus, dass jemand aus beruflichem Neid bei jemand anders die Symptome einer verschwiegenen Krankheit auslösen will.

Zum Vergleich: „Toteninsel“ (Folge 100), „Feuermond“ (Folge 125), „Geisterbucht“ (Folge 150) und „Schattenwelt“ (Folge 175) basierten auf drei Büchern mit jeweils 128 Seiten, also auf 384 Seiten, die Hörspiele dazu waren zwischen 166 und 186 Minuten lang und abgesehen von den qualitativen Schwankungen der Vorlagen kompakt und griffig inszeniert, besonders die 100 und die 150. Mit Folge 200, „Feuriges Auge“, streckte das Hörspielstudio die ebenfalls dreibändige Vorlage bereits auf knapp 300 Minuten – denen zu folgen erheblich schwerfällt. Nun reduzierte man die Seitenzahl für die Nummer 225 zwar auf lediglich 200 statt der bisherigen 384, also auf gut die Hälfte, aber behält die Spieldauer von drei Stunden bei. Kann man sich doch denken, dass das langweilig werden muss. Wird es auch. In anderen Drei-Stunden-Hörspielen passiert so viel, dass man das Gefühl hat, zwölf Stunden zu hören – dieses wirkt wie zwölf Stunden, weil die Leute ewig labern.

An dem Eindruck von Gelaber sind sie alle beteiligt, die drei Hauptfiguren wie die Nebencharaktere sowie der Erzähler. Axel Milberg mag in jener Funktion seine Sache ja ganz gut machen, nur sind seine Beiträge oft rasend redundant. Entweder greifen die spielenden Figuren seine Beiträge eh nochmal auf oder man hätte seine Beschreibungen einfach mal inszenieren können, um das Hörspiel lebendig zu halten. Es gibt andere Beispiele für Serien, in denen Erzähler eine wesentliche und eingreifende Rolle spielen, etwa Point Whitmark, doch schaffen es die Macher da, die Beiträge nicht in Geschwafel ausufern zulassen. Zumal die Inhalte, die Milberg zu vermitteln hat, oftmals überhaupt nicht relevant für die Geschichte oder auch nur überhaupt interessant sind. Und zumal Milberg selbst ab der Hälfte der Folge immer weniger verständlich nuschelt.

Man hätte so viel komprimieren können, nicht nur am Gelaber. Es gibt Handlungsstränge, die überflüssig sind und in einem Fall sogar – nun – bescheuert: Kenneth benimmt sich blöd, Trish verknackt ihn konsequenterweise und cancelt sogar die Hochzeit. Das macht das Wiederbegegnen mit Kenneth nicht attraktiv und das Wiederhören des Hörspiels nicht reizvoll, zusätzlich zur Langeweile, die dieser in den Grundgerüsten gar nicht verkehrte Fall vermittelt.

Überhaupt, Fall: Zunächst berichtet Kenneth von einem Einbrecher, der mit dem Tischtuch über dem Kopf aus der Küche flieht, sowie von einem zweiten Einbruch, bei dem nichts gestohlen wird. Flackerlichter und nächtliche Störanrufe kommen hinzu, ein „Aztekenschwert“-artiger Nachbar, der es auf Trishs Grundstück abgesehen hat, spät die Geschichte von dem Gewaltverbrecher, der vorzeitig aus dem Knast entlassen wurde. Das ist die Basis, auf der die Juniordetektive ermitteln, also bei Verdächtigen einbrechen, labern und schwer verständliches Gelaber belauschen. Irgendwann wird Trishs Hund entführt, einige Zeit danach auch Bob. Die tatsächliche Tat und deren Hintergründe wiederum sind an sich gut erdacht, da kann man nix sagen. Es hat in Sachen Vorankommen und Straftat nur etwas vom „Verbrechen im Nichts“, zunächst also eher Kinderprogramm, bis es erwachsener wird.

Um mal etwas Positives einzuschieben: Die Szene, in der Peter den Nachbarn erpresst, ist großartig. Man freut sich diebisch mit ihm. Und kurz darauf ist der Fall auch schon gelöst, das kommt also spät, kurz vor Schluss, also nur noch ungefähr eine halbe Stunde Gelaber. Zu dem überdies auch nervige Serien-Dauer-Floskeln zählen wie Bobs „Moment mal, Moment mal“, Justus‘ „Bitteeeee???“ und Peters „Echt jetzt?“. Den Vogel ab schießt der Schluss, der nach Lösen des Falles noch ewig weitergeht; wie bei „Der Herr der Ringe“ findet man den Absprung nicht und muss die nicht vollzogene Hochzeit und trotzdem stattfindende Feier lang und breit auswalzen. Abgesehen davon, dass man Kenneth nicht mehr mag, wäre es sogar interessanter gewesen, gar nicht zu wissen, ob die Hochzeit nun abgeblasen bleibt oder nicht, oder ganz anders gesagt: Es ist einem egal, ganz weglassen wäre besser gewesen, aber das hatten wir ja schon –Trishs Grundsatzfrage ist konsequent, aber sprengt die Folge.

Dann gibt’s da ja noch das herausragende Merkmal des Nestes, in das Kenneth zieht: Strohpuppen, einerseits eine Tradition, andererseits irgendwie offenbar ausschließlich gefertigt von dem Gewaltverbrecher, bevor er inhaftiert wurde. Man verteilt auch danach noch immer seine Puppen im Ortsbild, weil Tradition. Etwas unklar. Ebenso, wie man auf die Idee kommt, das Diner im Ort „Roadkill“ zu nennen, also quasi „Bei Unfall getötetes Wild“. Lecker! Und dann spricht Tim Mälzer den Koch. Was nicht weiter ins Gewicht fällt, wenn man seine Stimme nicht kennt, denn er macht seinen Job bemerkenswert gut.

Ganz schräg ist nur der Umgang damit, dass Kenneth nach seiner Zeit auf dem Schrottplatz mit seinem Bruder Patrick nach Irland zurückkehrte und nun also wieder in den USA auf der Matte steht. „Ihr seid ja groß geworden“, blabla – in der Serie alterten die drei Fragezeichen zwischen Folge 50 und Folge 225 um nur wenige Monate, wenn überhaupt. Für die Hörenden sind Jahre vergangen, für die handelnden Figuren aber nicht. 1989 treten Patrick und Kenneth noch in „…und die Comic-Diebe“ und in „…und die Musikpiraten“ in Erscheinung, Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer greift sie 1993 in ihrem Erstling „Tatort Zirkus“ noch auf, danach spricht man von Kenneth und Patrick, die in den Originalen Hans und Konrad Schmid heißen, lediglich indirekt; in Folge 100, die offenbar demnächst verfilmt werden soll, fliegen Titus und Mathilda nach Irland, um Patrick und Kenneth zu besuchen, darüber hinaus sind sie höchstens eine Information, weil sie bisweilen als verlässliche Gehilfen fehlen. Heißt: Zwischen 1993 und 2024 liegen nicht knapp 30 Jahre, sondern nur maximal anderthalb.

Um mindestens die Hälfte gekürzt und knackiger inszeniert wäre dies eine Bomben-Folge geworden, so sind es aber nur wieder die Drei Fragezeichen von nach dem Jahr 2000. Warum nur gibt man trotzdem schon wieder so ein Schweinegeld für satte fünf Schallplatten aus, während frühere Drei-Stunden-Folgen noch auf drei LPs passten? Was weiß ich denn! Muss ich mal Jay, Tom und Derek fragen.

PS: Dank des Twitter-Accounts von rocky-beach.com weiß ich jetzt folgende Hörspiel-Standardsatz-Erstäußerungen der drei Sprecher:
„Echt jetzt?“ (Peter): „Botschaft aus der Unterwelt“ (154)
„Moment mal, Moment mal“ (Bob): „…und die Schattenmänner“ (66)
„Bitteee?“ (Justus): „…und die Perlenvögel“ (39)
Danke!