The Wedding Present – 24 Songs – Scopitones 2023

Von Matthias Bosenick (15.06.2023)

Man wird nicht jünger, aber man bleibt Jünger von The Wedding Present: Die Schrammel-Indierock-Könige griffen 2022 ein Konzept von dreißig Jahren zuvor auf und veröffentlichten jeden Monat eine Single mit je zwei neuen Songs, die sie nun, wie weiland auf „Hitparade“, als „24 Songs“ zusammenfassen. Diese Doppel-CD – in der Deluxe-Buch-Version mit DVD – birgt nun sogar 29 Songs in über zwei Stunden, die das Portfolio der heutigen, in dieser Form keine fünf Jahre alten The Wedding Present abdecken, also immer noch mal schnellen, mal entschleunigten Indierock mit dröhnenden Gitarren, angedeutetem Geschrammel und catchy Melodien, aber auch zarte Abwandlungen davon. Und einen Remix von den Utah Saints. Anders als bei „Hitparade 1“ und „Hitparade 2“ ist hier allerdings die Reihenfolge der Singles sowie deren A- und B-Seiten komplett durcheinander, Weihnachten ist jetzt mitten im Jahr, die sehr wenigen Coversongs sind nicht gebündelt. Macht nix. Es gibt gute neue The-Wedding-Present-Musik!

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Jack Dangers – Lucky Bag – Flexidisc 2023

Von Matthias Bosenick (28.03.2023)

Diese Compilation ist unhörbar. Zumindest die Tracks der Doppel-CD, die auf dem beigelegten USB-Stick tragen deutlich erkennbare Züge von dem, was man an Meat Beat Manifesto so mag, aber das Haupt-Solo-Album von Bandkopf Jack Dangers ist mitnichten ein „Lucky Bag“, auch wenn er Ohrenstöpsel und Bonbons in die Schachtel legt, sondern es handelt sich vielmehr um „Sketches Of Pain“, wie der Künstler auf eine beigefügte Karte drucken ließ. John Stephen Corrigan plündert seine Datenbanken und fegt Aufnahmen aus den Jahren 1982 bis 2022 zusammen, die das Attribut „Noise“ komplett erfüllen: Nahezu frei von Rhythmus lärmen die Stücke vor sich hin. Und nerven. Geräusche, die man nicht mal als Avantgarde oder Experiment goutieren mag, die allerhöchstens als Ausgangslage für ausformulierte Tracks herhalten könnten, aber nicht als Material eines Doppelalbums. Immerhin die wav-Dateien auf dem Stick lohnen sich. Und die Schachtel ist hübsch.

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Durchströmungen II: Klangkräfte – Separated Beats 2022

Von Matthias Bosenick (29.12.2022)

Überraschend poppig gestaltet sich die Schein-Compilation „Durchströmungen II: Klangkräfte“ auf dem Klangwirkstoff-Sublabel Separated Beats, das bisher vorrangig (nicht ausschließlich!) mit Experimentellem oder etwas vom weiten Feld des Ambient in Erscheinung trat. Für seine zweite Sammlung rief Benjamin „Ben“ Bekeschus mit Tales Unfolding ein neues Alter Ego ins Leben, unter dem er die Tracks erstellte, unter Zuhilfenahme vieler Freunde Einsatz. Diese 15 Tracks und Remixe sind dicht, beatbetont, melodiös, partiell oldschool bis in die Siebziger bis Neunziger vom Proto-Ambient über Radiopop, Dub und Dancefloor bis Esoterik, stecken voller Details und hören sich gut weg. Und setzen Bekeschus‘ erste Durchströmungen „Glaswolken“ von vor einem Jahr angemessen fort.

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Spezial: addicted/noname Label aus Moskau, Teil 13

Von Matthias Bosenick (25.10.2022)

Ein weiteres Spezial zum fabelhaften Label addicted/noname aus Moskau! Dieses Mal mit: dem Mini-Album „Homebound“ von Dehyper, dem Album „Это есть то“ von Kshettra und dem Album „Нет вечных истин“ von Ad Nihil – sowie einem Rückblick auf die „Sweet Leaf Worshippers From USSR“-Compilation, mit der vor zehn Jahren die wunderbare Arbeit von Anton Kitaev, Oleg Dynya und Ivan Bredolog begann und damit das namenlose Label aus Moskau seinen Anfang nahm. Herzlichen Glückwunsch, Freunde! С днем рождения друзья!

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Straight Shooter – 4 Alben – Sky Records/Sireena 1978-1983/2022

Von Matthias Bosenick (20.07.2022)

Was buddeln die Leute von Sireena denn jetzt wieder aus? Straight Shooter, eine Hardrockband aus Düsseldorf, die zwischen 1978 und 1984 aktiv war. Vier von fünf Alben veröffentlichen die Bremer nun verteilt auf zwei CDs und lassen offen, warum das zweite Album nicht dabei ist. Man begleitet das wechseln besetzte Quin- bis Sextett chronologisch eigensinnig auf seinem Weg vom tighten Orgelrock zur Discofizierung und mithin zur Auflösung, weil sich dann doch nicht so viele Leute für diese Transformation begeistern konnten. Als Zeitdokument sind diese beiden CDs aufschlussreich und bergen so manche Perle, die offenbar sogar in lokalen Barfußtanzdiscos zu Clubhits wurden. Ah nee, der Song war ja auf dem zweiten Album. Dennoch: Es geht geil los mit ausufernd georgeltem Hardrock, der sich international gar nicht zu verstecken gebraucht hätte.

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NFD – Requiems From The Abyss – Jungle/Gothic Citadel Records 2021/2022

Von Matthias Bosenick (07.07.2022)

Nicht nur Vinyl-Presswerke haben offensichtlich Produktionsprobleme, bei CDs kommt dies ebenfalls gelegentlich vor, wenngleich es sich im Falle der Best-Of- und Raritäten-Box „Requiems From The Abyss“ von NFD („Noise For Destruction“) auch um die Produktion der Verpackung drehen kann: Pappbox mit CD-Slipschubern, Postkarten, Postern, Pin, das ist alles schon aufwändig. Digital kam diese Übersicht schon 2021 heraus, und es stellt sich bei jeder Best-Of die Frage, welcher Fan sie braucht, und die beantworten die englischen Fields-Nachfolger mit Unveröffentlichtem und Rarem. Hier gibt’s Gothic Rock im Geiste Pink Floyds und des Heavy Metal, also von Leuten, die das Genre mit erfanden und seit 20 Jahren unkitschig fortsetzen. Und die geburtshelfenden Fields Of The Nephilim sowie The Nefilim hört man ständig heraus.

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Ocean Child: The Songs Of Yoko Ono – Canvasback/Atlantic 2022

Von Matthias Bosenick (16.05.2022)

Wenn man mit den Beatles überwiegend nix anfangen kann, nimmt man Yoko Ono dann in Sippenhaft oder findet man die vermeintlich nervige John-Lennon-Witwe dann erstrecht gut? Auf „Ocean Child“ sammelt Kurator Benjamin Gibbard einen Haufen alter Helden und Jungspunde, die dem Oeuvre der Avantgardekünstlerin anlässlich ihres 89. Geburtstags Tribut zollen – und von der Avantgarde bleibt hier nicht allzuviel übrig. Es ist natürlich schwierig, die aufgrund der Teilnahme von Yo La Tengo, David Byrne, Stephin Merritt und The Flaming Lips erworbenen Neubearbeitungen zu bewerten, wenn man die Originale nicht kennt, weil man für sich den Faktor Sippenhaft zur Anwendung bringt, aber für sich genommen sind die allermeisten der 14 Songs hier eher langweilig. Oder positiv ausgedrückt: Man kann zu diesem Album prima chillen.

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The Rude Revolution – Stay Rude Stay In Solidarity – Rude Revolution 2021

Von Matthias Bosenick (09.02.2022)

Antifaschistische Bands für antifaschistische Projekte: Das Ska- und Oi!-Kollektiv Rude Revolution mit dem trinkfesten Krokodil als Logo sammelt Songs von Musikgruppen, die mit ihrem Beitrag für den Sampler „Stay Rude Stay In Solidarity“ die Arbeit vom Bündnis gegen Rechts Braunschweig und vom Kulturzentrum Nexus unterstützen, die sich den Erlös aus dem Verkauf dieser Schallplatte teilen. Diese international belegte Auswahl eint, dass sie allesamt Nexus-Bühnenluft in den Lungen tragen und in der breiten Palette zwischen eben Ska und Oi!-Punk nicht nur Haltung zeigen, sondern auch noch gute Laune im Köcher haben.

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Spezial: Head Perfume Records

Von Matthias Bosenick (18.01.2022)

Zwei neue LPs bringt der Dresdener Tausendsassa René Seim auf seinem Label Head Perfume Records heraus, in denen der Fuzz eine wesentliche Rolle spielt: „Always Memphis Rock And Roll – Volume 1“ ist eine Zusammenarbeit mit Robert Wyatt von Black & Wyatt Records aus der titelgebenden Gegend mit Songs, die mehrere Jahrzehnte abdecken und die große Bandbreite lokaler Mucker dokumentiert, und die Compilation „Hotzenplotz“, die den Anschein einer Zusammenstellung diverser Artisten hat, indes ausschließlich den verstorbenen Oldenburger Krachmacher Nils Damage in all seinen Inkarnationen portraitiert. Lärm!

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Nick Cave & The Bad Seeds – B-Sides & Rarities Part II – BMG 2021

Von Matthias Bosenick (23.11.2021)

Solche B-Seiten- und Raritäten-Compilations sind ja immer Dienst am Sammler und am Fan, und Nick Cave bietet diesen Dienst jetzt zum zweiten Mal an. Abgedeckt ist der Zeitraum zwischen „Dig, Lazarus, Dig!!!“ 2008 und „Ghosteen“ 2019, also genau der des Wechsels vom physischen Krawall in den transzendentalen Ambient-Trance. Diese Entwicklung bescherte dem Todespoeten eine neue Aufmerksamkeit, doch muss man sich als Altfan damit anfreunden können, dass bei Nick Cave aus dem Rock’n‘Roll ein immerhin kunstvolles, aber ein Wimmern wurde. Die erste dieser Doppel-CD ist für jene die attraktivere, die zweite zwar schön chillig, aber eine Rückkehr zum Krach wäre allmählich echt mal begrüßenswert.

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