Von Matthias
Bosenick (28.10.2019)
Wenn man es besinnlich will, sollte
man nicht unbedingt dieses Triumvirat des Bösen ranlassen: Unflat
Till Burgwächter, Blutjunkie Hardy Crueger und Sarkast Karsten
Weyershausen beschreiben die „Braunschweig’sche Weihnacht“
mitnichten tourismusfördernd. Zwar finden sich Braunschweigkenner in
diesen auch für ortsfremde zugänglichen Kurzgeschichten, Glossen
und Cartoons zurecht, sehen sich dann aber nach anfänglicher
Empathie und Herzenswärme hinterrücks von Abscheu, Hohn, seelischer
Schwärze, Tod, Psychothriller und sonstigem Makabren überrumpelt.
Ein Riesenspaß für alle Schwarzhumorigen und eine unerwartete Wende
angesichts der verkaufsbegünstigenden Thematik. Als
Geschenkverpackungsband empfiehlt sich hier ein Strick.
Archiv der Kategorie: Buch
Ben Aaronovitch – Der Oktobermann/Schwarzschimmel – dtv/Panini 2019
Von Matthias Bosenick (15.10.2019)
Seit acht Jahren gibt es nun die „Rivers Of London“-Serie von Ben Aaronovitch mit dem Londoner Zauberpolizisten Peter Grant als Hauptfigur. Auf Deutsch existieren davon sieben Romane und mit den neusten zwei Veröffentlichungen zudem zwei Kurzromane und drei Graphic Novels, auf Englisch liegen zusätzlich noch weitere drei Comics sowie diverse schriftliche und Hörbuch-Kurzgeschichten vor, der achte Roman der Hauptreihe und der siebte Comic sind für November vorgesehen und in der Schublade hat Aaronovitch noch diverse weitere unveröffentlichte Ideen. Und: Simon Pegg und Nick Frost wollen den Stoff verfilmen. Bei so viel Output bleibt Qualität bisweilen auf der Strecke, das gilt auch für die jüngsten in Deutschland erschienenen Geschichten: Liest sich „Der Oktobermann“ noch einigermaßen flott und flüssig weg, lässt einen „Schwarzschimmel“ doch eher kalt.
Karsten Weyershausen – Ist Götterspeise Blasphemie? – Edition Wortmax 2019
Von Matthias
Bosenick (09.10.2019)
Mit einer bewusst unsortierten
Sammlung kleiner bereits online veröffentlichter Texte begründet
Karsten Weyershausen die Edition Wortmax, die aus dem gleichnamigen
bundesweit vernetzten Literaturblog hervorgeht. „Ist Götterspeise
Blasphemie?“, fragt er im Titel, und setzt nach: „Und andere
völlig unnütze Gedanken zu Dingen, die sowieso nicht zu ändern
sind“. Damit umreißt der Autor recht treffend den Geist, der ihn
umtreibt: Im Spannungsfeld zwischen milder Beschwerde und
resigniertem Fatalismus findet er die Rettung seiner Seele im
Unnützen. Und das wissen wir Popkultursozialisierten: Im Unnützen
liegt der meiste Spaß, das reflektiert dieses Buch vortrefflich,
angesichts der Ausgangslage überraschend warmherzig sogar.
Veit Heinichen – Borderless – Piper 2019
Von Matthias
Bosenick (18.07.2019)
Da nutzt Veit Heinichen die Form des
Thrillers, um seine sehr wertvolle linksbasierte Rundumschlag-Kritik
an Europa zu transportieren: Hier geht es um Flüchtlinge, Korruption
und undemokratische politische Verstrickungen, vom italienischen
Adrianest Grado ausgehend quer durch Europa. Fundiert recherchiert
und bisweilen recht spannend aufgearbeitet, aber etwas konstruiert
und behäbig zusammengefügt.
Ben Aaronovitch – Die Glocke von Whitechapel (Lies Sleeping)/Die Nachthexe (Body Work) – dtv/Panini 2019
Von Matthias
Bosenick (21.06.2019)
Im zehnten auf Deutsch erschienenen
Buch, und zwar dem siebten Band der Serie (verwirrend!) um den
Londoner Zauberpolizist Peter Grant, macht Ben Aaronovitch einiges
besser als zuvor: Er lässt den Leser besser an das komplexe
bisherige Geschehen anknüpfen und ermöglicht es damit auch
Neueinsteigern, so etwas in der Art wie Anschluss zu finden, schweift
nicht so ausgiebig ab wie sonst und bleibt in seinen Beschreibungen
anschaulich und nachvollziehbar. Eine schlechtere Story wie in manch
vorherigem Buch ergibt das gottlob nicht, auch wenn aus dem Whodonit
dieses Mal eine Actionjagd wird.
Serge Roon – Augentrost: Ein Stummfilm – Serge Roon 2018
Von Matthias Bosenick (15.04.2019)
Mit seinem neuesten Buch kehrt Serge Roon zumindest formal zurück zu seiner einstigen Profession: Der frühere Intendant des Celler Schlosstheaters verfasst „Augentrost“ als Theaterstück. Darin lässt er ein Mädchen und dessen Großeltern während eines unbestimmten Krieges die Normalität suchen und mühsam dagegen ansteuern, den dünnen Firnis der Zivilisation zu verlieren. Mit reduzierten Worten erzeugt Roon Beklemmung und Finsternis, legt aber auch zynischen Humor in seine seelischen Grausamkeiten. Mit Text bedruckt sind überdies lediglich die ungeraden Seiten: Die geraden gestaltete Grafiker Ferdinand Georg. So viel Spoilern darf sein: Um einen „Stummfilm“ handelt es sich hierbei nicht.
Frank Schäfer – Jagdszenen in Niedersachsen – Verlag Andreas Reiffer 2019
Von Matthias Bosenick (02.04.2019)
In, nicht aus: Frank Schäfer kompiliert bereits in Magazinen und Zeitungen veröffentlichte Texte, in denen sein Heimatbundesland eine wie auch immer geartete Rolle spielt. Damit ist das Grundkonzept auch schon umrissen, denn die Beiträge spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit die breite Stilpalette des sprachgewandten Dr. phil. wieder, in Bezug sowohl auf die Themen als auch auf die Textgattungen sowie die Stimmungen. Trotz des vielen Beiträgen zugrundeliegenden Humors ist Schäfers Ziel nicht jedes Mal die Pointe, und nicht selten bleibt einem das Lachen auch im Halse stecken und man bekommt Angst vor den Niedersachsen, besonders denen im ländlichen Bereich, und wenn man diesem entstammt, weiß man, dass jede Angst berechtigt ist. Aber: Provinz findet allein in den Köpfen statt, und das weiß der Autor nicht nur, sondern offenbart es auch anschaulich. Letztlich zählt, dass man über sich selbst lachen kann, und das gilt auch und besonders für Niedersachsen.
Micha-El Goehre – Wenn das Leben dir Limonade gibt, mach Zitronen draus – Satyr-Verlag 2019
Von Matthias Bosenick (19.03.2019)
Der Autor nimmt das Credo seines Titels ernst: Was auch immer andere lecker finden mögen, er findet einen Grund, darüber sauer zu sein. Und sei es auf Leute, die auf alles sauer sind. Ohne das Spiel mit Meta-Ebenen und eingestreutem selbstkritischen Augenzwinkern hielte man den Autoren – oder seine Ich-Figur – für einen selbstgerechten, negativen Meckerkopp, der nach eigener Ansicht zu wenig Geschlechtsverkehr hat (könnte eine Erklärung sein). Die Texte aus diesem Buch stammen von Lesebühnen, Poetry Slams und Magazinkolumnen – und geben viel zu selten Goehres verletzlicher Seite Raum. Dabei wirkt er genau in solchen Momenten am sympathischsten – und das kann er nicht verbergen, der Black-Metal-Slammer, dass er nämlich sympathisch ist. Sonst hätte man an der Lektüre nämlich weit weniger Vergnügen.
Axel Klingenberg – Die Wahrheit über Wolfenbüttel – Verlag Andreas Reiffer 2018
Von Matthias Bosenick (25.10.2018)
Stimmt, das fehlte sogar noch: Ein Buch mit 111 Gründen für „Die Wahrheit über Wolfenbüttel“. Und wer wäre dafür besser geeignet, als Braunschweigs Lokalliterat Nummer Eins, Axel Klingenberg? Mit dieser kurzweiligen Zusammenstellung historischer Ereignisse und Personen aus der kleinen Nachbarstadt verabschiedet sich der Punk aus dem Literaturbetrieb, wie er sagt. Bauen wir auf den Scorpions-Moment, nicken das kurz ab und widmen uns dem Kompendium, das anlässlich des 900. Geburtstags Wolfenbüttels entstand. Wolfenbüttel in einem Wort: Lessing! Jägermeister! Also in zwei Worten, okay. Nein, Klinge findet noch einige mehr und trägt sie akribisch und unterhaltsam zusammen. Das ist sicherlich auch für die meisten Wolfenbütteler ansprechend lehrreich.
Bert Gerecht – Mr. Bassman geht tief runter – BoD/Bert Gerecht 2018
Von Michael „Schepper“ Schaefer (16.07.2018)
Gleich am Anfang warnt Basspionier Bert Gerecht in seinem autobiografischen „Schelmenroman“ zartbesaitete Zeitgenossen vor Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll. Aber mal ganz ehrlich: So etwas will man doch auch lesen in einer Musikerbiografie, oder etwa nicht? Jedenfalls hat Bert nichts anbrennen lassen, sich auch selbst den ein oder anderen angezündet und war immer Feuer und Flamme für neue Ideen in Sachen Bass. Neben pikanten Details aus seiner Sturm- und Drangzeit gibt es viele interessante Geschichten und Informationen über seinen Einfluss auf die hiesige Bass-Szene.