Von Matthias
Bosenick (08.01.2020)
Hollywood versucht sich mit „Knives
Out“ an einer britischhumorigen Agatha-Christie-Kriminalgeschichte
mit Starbesetzung. Das Ergebnis ist trotz Überlänge turbulent und
kurzweilig, aber bei Weitem nicht so gelungen wie und auch viel
amerikanischer, als die Macher wohl glauben. Solide Unterhaltung zum
Mitermitteln mit diversen überraschenden Wendungen.
Archiv der Kategorie: Kino
Die schönste Zeit unseres Lebens (La belle Époque) – Nicolas Bedos – F 2019
Von Matthias
Bosenick (06.12.2019)
Hinter diesem einfältigen deutschen
Titel verbirgt sich einer der brillantesten Filme des Jahres:
vielschichtig, komplex, schwarzhumorig, zynisch, romantisch,
herzenswarm, böse, einfallsreich, temporeich, lustig. Wer das
Drehbuch schrieb, verdient allen Respekt; allein das kurze
Nacherzählen ist schon schwierig. Liebesdrama mit inszenierter
Zeitreise, könnte man sagen, und wird diesem Knaller nicht gerecht.
Wichtig: Hitler kriegt aufs Maul! Franzosen können also auch
Komödien abseits des Mainstreams.
Giraffe – Anna Sofie Hartmann – DE/DK 2019
Von Matthias Bosenick (23.11.2019)
So viel gewollt und am Ende doch nichts erreicht: Regisseurin Anna Sofie
Hartmann will von ihrer Heimat erzählen, der dänischen Insel Lolland nämlich,
und was es dort mit den Menschen macht, dass der Tunnel nach Fehmarn nun endgültig
beschlossen ist. Sie lässt dabei zahlreiche Schicksale anklingen, führt aber
nichts zu einem emotional berührenden oder auch nur narrativ überzeugenden
Ausgang. Eine verschenkte Chance, die einem sogar leidtut, weil man die
grandiosen Ideen erkennt. Schade!
PJ Harvey: A Dog Called Money – Seamus Murphy – IRL/GB 2019
Von Matthias Bosenick (21.11.2019)
Wir sehen der
englischen Musikerin Polly Jean Harvey dabei zu, wie sie in den
Elends- und Krisengebieten dieser Welt (Afghanistan, Kosovo, USA)
Inspiration für ihr 2016er-Album „The Hope Six Demolition Project”
findet und diese vor Publikum in Musik umsetzt. Da die Dokumentation
ihres irischen Freundes Seamus Murphy ohne tiefergehende
Informationen auskommt, ist man darauf angewiesen, lediglich die
Bilder und die Töne wirken zu lassen. Für alles andere muss man
seinen Plattenschrank oder das Internet bemühen. Der Film ist
ansprechend fotografiert, die bluesbasierte Indie-Musik ist
unantastbar, lediglich die fehlenden Zusammenhänge sorgen für etwas
Stirnrunzeln. Der Film lief in Braunschweig im Rahmen der
Sound-On-Screen-Reihe des 33. Internationalen Filmfests.
Shaun das Schaf 2: UFO-Alarm (Farmageddon) – Will Becher & Richard Phelan – GB 2019
Von Matthias
Bosenick (17.10.2019)
Fast alles richtig gemacht! Die
Gagdichte ist immens, die Figuren sind grandios, die Geschichte ist
schlüssig, der vertraute Kosmos ist eingehalten, der Spaß richtet
sich an alle Altersstufen, die Anspielungen sind Legion, die
Schnappatmung ist garantiert. Da nimmt man die zu sehr kindgerechten
Anteile, den leichten Qualitätsabfall gegen Ende und den miesen
Soundtrack trotzdem dankbar in Kauf. Im zweiten Kinofilm trifft das
Knetgummischaf Shaun aus dem Umfeld von Wallace & Gromit auf ein
Alien und hilft ihm, zu seinem Planeten zurückzukehren. Ohne Worte!
Once Upon A Time … In Hollywood – Quentin Tarantino – USA 2019
Von Matthias
Bosenick (21.08.2019)
Da verwirklicht sich der
Meisterregisseur Quentin Tarantino einen Jugendtraum und dreht einen
mordscoolen Film über die Zeit, aus der die Filme stammen, die ihn
als Heranwachsenden beeinflussten. Gleichzeitig nutzt er diese
Hommage dazu, den Hippiealptraum schlechthin märchenhaft und blutig
umzudeuten. Wer nicht dieselbe Sozialisation wie Tarantino erfuhr und
die zwei wechselhaften Stunden bis zum Höhepunkt einigermaßen
durchgehalten hat, weiß dann, wofür sich der Film lohnt. Es ist
schwierig, „Once Upon A Time … In Hollywood“ als durchweg
gelungen zu empfinden, aber ausgesprochen einfach, die grandiosen
Aspekte zu feiern.
Leid und Herrlichkeit (Dolor y Gloria) – (Pedro) Almodóvar – E 2019
Von Matthias
Bosenick (26.07.2019)
Kein überbordend extrovertiertes
Meisterwerk, aber in seinem gebremsten Tempo, seiner positiven
Stimmung und seiner Farb- und Formgebung mindestens richtig gut ist
Pedro Almodóvars jüngster Film mit dem etwas abschreckenden Titel
„Leid und Herrlichkeit“ („Schmerz und Ruhm“ wäre passender
gewesen). Seine Homies Antonio Banderas und Penelope Cruz veredeln
diese Selbstreflexion, die manche als den Abschiedsfilm Almodóvars
auffassen. Dabei lässt das wundervolle Ende auch andere Schlüsse
zu.
The Dead Don’t Die – Jim Jarmusch – USA 2019
Von Matthias
Bosenick (14.06.2019)
Der Schuss ging nach hinten los.
Anders als bei „Dead Man“ und „Only Lovers Left Alive“
gelingt es Jim Jarmusch mit „The Dead Don’t Die“ nicht, ein
Genre in seinem Sinne umzukrempeln. Western und Vampirfilm
funktionierten bei ihm deshalb so gut, weil er etwas Eigenes daraus
machte; den Zombiefilm übernimmt er mit eigenem Tempo und einigen
eigenen Dialogideen, lässt ihn aber ansonsten zu sehr im Genre
verhaftet und bleibt bei der Umsetzung seiner spärlichen
Traditionsbrüche inkonsequent. Nach „The Limits Of Control“ ist
dies sein zweiter mittelschlechter Film – was die erheblich
gigantische Ausbeute an hochgradig guten Filmen zum Glück nicht
allzusehr beeinträchtigt.
Roads – Sebastian Schipper – D/F 2019
Von Matthias Bosenick (31.05.2019)
Hier gewinnt der Inhalt über die Form: Verglichen insbesondere mit Sebastian Schippers vorherigem Film „Victoria“ besticht „Roads“ mit der Geschichte, die er erzählt, und dies in eher konventionellen Bildern. Aber die Handlung fesselt: Ausgehend von zwei Familiendramen, handelt „Roads“ Adoleszenz, Flüchtlingsschicksale, Europa und Antirassismus gekonnt miteinander verwoben ab. Zwei Teenager aus verschiedenen Kulturkreisen suchen Angehörige und überwinden dabei nicht nur geographische Grenzen. Und The Notwist besorgen den chilligen Soundtrack dazu.
Pokémon Meisterdetektiv Pikachu (Pokémon Detective Pikachu) – Rob Letterman – USA/J 2019
Von Matthias
Bosenick (09.05.2019)
Die Pokémon-Go-Spieler, die einfach
nur ihre Lieblingsmonster animiert im Kino sehen wollen, reiben sich
überrascht die Augen: Die Story, die um das
Taschenmonster-Multiversum herumgestrickt wurde, ist mehr als nur
okay, und die Bilder begeistern auf allerweitesten Strecken. Einem
Pikachu mit Pelz und einem entwaffnenden Schatz an rhetorischen
Mitteln guckt man gern dabei zu, wie es als Kumpel eines
melancholischen Detektivsohns in einem Mordfall ermittelt, in dem
Drogenmissbrauch, illegale Arenakämpfe und das Streben nach
Weltherrschaft wichtige Rollen spielen. Ohne Vorkenntnisse mindestens
aus Pokémon Go hat man zwar etwas weniger Spaß an diesem Film, mit
dafür unbändigen. Eine gelungene Umsetzung.