Knives Out (Mord ist Familiensache) – Rian Johnson – USA 2019

Von Matthias Bosenick (08.01.2020)

Hollywood versucht sich mit „Knives Out“ an einer britischhumorigen Agatha-Christie-Kriminalgeschichte mit Starbesetzung. Das Ergebnis ist trotz Überlänge turbulent und kurzweilig, aber bei Weitem nicht so gelungen wie und auch viel amerikanischer, als die Macher wohl glauben. Solide Unterhaltung zum Mitermitteln mit diversen überraschenden Wendungen.

Der Auftakt ist vielversprechend: Nach dem merkwürdigen Suizid eines stinkreichen Krimischriftstellers an dessen 85. Geburtstag gerät die Feiergesellschaft, die überwiegend aus der zerstrittenen Familie besteht, ins Gebet der polizeilichen Ermittler, die von einem anonym rekrutierten weltberühmten Privatdetektiv unterstützt werden. Selbstredend kommt heraus, dass beinahe jeder der Anwesenden ein Motiv hatte: der weinerliche Sohn, der eingeschränkt das Verlagsimperium leiten sollte, die selbstverliebte Witwe eines Sohnes, die ein Kosmetikunternehmen leitet und die das College ihrer Tochter nicht bezahlen kann, die rauhbeinige Tochter und deren Gatte sowie deren enterbter aufmüpfiger Sohn – und vielleicht auch die südamerikanische Pflegekraft, an die sich der Schnüffler bald heftet.

Jede Figur bekommt in einer Verhörsituation den Raum, dem Zuschauer ihre Marotten darzustellen, und man feiert die Schauspieler wie Jamie Lee Curtis, Don Johnson, Daniel Craig und Chris Evans für ihre überzeugende Darstellung. Doch behält Regisseur Rian Johnson deren Verschrobenheit nicht bei, sondern verliert sie zugunsten der durchaus fesselnden Whodunit-Nacherzählung inklusive angenehmer Rechtsbashing-Gesellschaftsabrechnung aus den Augen. Insbesondere der Moment der Testamentseröffnung lässt die Familienmitglieder in ihrer Individualität verblassen; sie verlieren bis zum klassischen Showdown im Salon ihren Biss. Auch der Detektiv, der noch zu Beginn mit der angeschlagenen Klaviertaste Gespräche leitet, verliert das Dominante und entwickelt sich eher zu einem pseudoschusseligen Columbo als etwa zu einem widerhakigen Dale Cooper. Dennoch hat er die durchgehend beste Performance, zusammen mit dem Großmaul Ransom und der Pflegehilfe Marta.

Sei’s drum, die Geschichte lehnt sich lockerst an klassische Agatha-Christie-Krimiplots an. Doch sind hier die hinter den Kulissen parallel zu den Ermittlungen gesponnenen Intrigen ausgespart, die eine Poirot-Geschichte zumindest für den Leser kniffliger machen als für den Detektiv, der ja nicht alles wissen kann und doch viel mehr weiß. Nicht nur das macht „Knives Out“ trotz einer optischen Mischung aus weltweiter Neuzeit (Technik) und englischem Vintage (Kleidung und, Zitat aus dem Film, „Cluedo-Brett“-Haus) zu einem reichlich amerikanischen Film.

Das gilt auch für den Humor, der erst gegen Ende etwas an Fahrt aufnimmt und bis dahin lediglich die Erwartungen erfüllt, die man an die Figuren hat. Der Gag mit dem Erbrechen etwa wird bis zum Erbrechen strapaziert, Zitate finden sich eher an amerikanische Bewegtformate wie „Is was, Doc?“ oder „Game Of Thrones“ angelehnt als an britische. Da liegt mehr Sogkraft in der Geschichte, die so manche Wendung nimmt und geschickt mit Verdacht und viel zu frühem Geständnis spielt. Darin liegt die größte Stärke des Films, wenngleich wechselnde Verdachtsmomente ausbleiben und es eher für eine der Figuren darum geht, nicht in den Fokus zu rutschen.