Steel Pole Bath Tub – The Skull Tapes – SPBT/No Coast 1987/2023

Von Matthias Bosenick (06.02.2024)

Kaum erheben sich die Noiserockhelden Steel Pole Bath Tub nach rund 20 Jahren Pause wieder von ihren Sofas, erinnern sie sich an kurz nach wie es damals begann, 1987, als Dale Allan Flattum, Mike Morasky und Dorothy Kent alias Darren K. Mor-X alias Darren Kent Morey ihre zweiten Demos als „We Own Drrrills“ auf Kassette herausbrachten, und schicken diese fünf Songs nun überarbeitet als vielfach divers gefärbte 12“ mit Original-Artwork von Flattum alias Tooth zurück ins Weltgeschehen. Der Sound ist sowas von vertraut, man fühlt sich sofort zu Hause: schräge Gitarren, ungenaue Melodien, Gequatsche aus dem Fernseher, mitreißende Rockmusik zwischen Space, Psychedelic, Surf und dem, was dereinst sowohl den Indierock als auch den Grunge zutiefst beeinflussen sollte. Jetzt fehlt noch das allererste Demo aus dem Vorjahr und eine Compilation mit allen 7“es und Raritäten!

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Sleaford Mods – West End Girls – Rough Trade 2023

Von Matthias Bosenick (22.01.2024)

Yeah! Yeah!!! Mies gelaunt und angepisst huldigen die beiden Polit-Rüpel von den Sleaford Mods ihren ebenfalls nicht unpolitischen Synthiepophelden Pet Shop Boys: Aus Charity-Gründen covern sie deren fast 40 Jahre alte Debütsingle „West End Girls“. Die Musik belassen sie weitgehend bei, damit auch Tempo und Melancholie, und da das Original bereits mehr oder weniger ein Rap war, liegt diese Adaption hier gar nicht so fern, nur dass die Sleaford Mods räudiger rappen. Und auf der 12“-Version auch dirty. Größter Schulterschlag ist, dass die Pet Shop Boys dieser Version nicht nur zustimmten, sondern sie auch gleich remixten.

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Afsky – I stilhed – Vendetta Records 2022

Von Matthias Bosenick (15.12.2023)

Einer der vielen schönen Aspekte am Black Metal ist seine Vielseitigkeit. Gelang es der Kopenhagenerin Amalie Bruun alias Myrkur etwa damit, dass sie Kammerchöre und Folklore in ihre Variante von Black Metal einband, die aufgebrachte Hörerschaft zu verunsichern, legt ihr temporärer Mitmusiker Ole Luk alias Afsky damit nach, dass er mit „I stilhed“ eine EP mit Akustikversionen seiner Black-Metal-Stücke herausbringt. Ja: Er allein an der Klampfe. Die Kompositionen geben es her, dass diese Versionen nicht nah Lagerfeuer klingen, sondern die melancholische Schwärze auch im Minimalismus in sich tragen. Auf der B-Seite rotiert ein augenverdrehendes Muster mit, dem Vinyl liegt ein Heft mit den Akkorden bei. Veröffentlicht bereits im Sommer 2022, liegt es an der Unfähigkeit des Paketzustellers, die Adresse korrekt zu lesen, dass der Rezensent die EP erst jetzt in Händen hält.

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Aphex Twin – Blackbox Life Recorder 21f / in a room7 F760 – Warp Records 2023

Von Matthias Bosenick (05.10.2023)

So hätte es vermutlich geklungen, wenn der Richard D. James von heute seinen Aphex-Twin-Glitch in den Achtzigern schon produziert hätte: Die EP, deren gewohnt kryptischen Titel „Blackbox Life Recorder 21f / in a room7 F760“ man länger zu lesen braucht als die vier Tracks zu hören, ist erfreulich rhythmisch und trotz der angewandten Manipulationen entspannt hörbar. Es sind melodische Tracks, die man sich im Radio dennoch nicht vorstellen kann, dafür bastelt der Ire da viel zu viel dran herum, aber er baut Sounds ein, die man aus dem Synthiepop der Achtziger kennt. Wie man diese Tracks damals wohl aufgenommen hätte? Auf Kassette!

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The Smile – Europe: Live Recordings 2022 – XL Recordings 2023

Von Matthias Bosenick (05.10.2023)

Die dreiköpfige Supergruppe The Smile ist mehr als nur ein hochkarätiges Studioprojekt, die Briten können ihre Kunstrockmusik auch live darbieten, und wer im zurückliegenden Jahr die Konzerte verpasste, bekommt die Möglichkeit, auf dieser 12“ einiges nachholen zu können. Fünf der sechs Songs sind dem Debütalbum „A Light For Attracting Attention“ entnommen, eines, „Feelingpulledapartbyhorses“, ist ein von Jonny Greenwood komponierter Radiohead-Song, den Sänger Thom Yorke 2009 als Solo-Single herausbrachte. Diese EP präsentiert nun auf der A-Seite die knackigeren Stücke, die Songs sind nervös hektisch und eignen sich besser zum Durchhören als das Album, und auf der B-Seite die gebremsten Experimente, denen man sich in aller Ruhe widmen muss. Kurios: Aus den Streaming-Angeboten ist die EP wieder verschwunden, man muss also schon die limitierte Vinyl-12“ haben.

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Meat Beat Manifesto & DHS – Man From Mantis – Love Love Records 2023

Von Matthias Bosenick (18.07.2023)

Die kreuzatlantische Zusammenkunft findet ein Update: Jack Dangers als Meat Beat Manifesto aus Swindon in England und sein langjähriger US-amerikanischer Freund Benjamin Stokes alias Dimensional Holofonic Sound, also DHS, aus San Francisco plündern auf den vier Tracks dieser 12“ ihre eigene elektromusikalische Vergangenheit und generieren etwas Zukünftiges daraus. 808-Acid-Sounds, Breakbeats, 70er-Vocoder, trockene House-Beats, Kraftwerk- und Aphex-Twin-Anleihen, alles drin, was man von beiden und sonst so aus der synthetischen Welt kennt, seit mindestens 40 Jahren und über das gemeinsame Projekt Tino hinaus.

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Die Müller-Verschwörung – Versuch und Irrtum Vol. 1: Alles auf Plan B – Die Müller-Verschwörung 2023

Von Matthias Bosenick (13.03.2023)

Als erste von drei geplanten EPs zum Thema „Versuch und Irrtum“ wirft Die Müller-Verschwörung „Alles auf Plan B“ als 12“ in die Runde. Diese vier Songs decken die ganze Palette der Müller‘schen Eigenschaften ab, wie Polyrhythmik, Rock’n’Roll, Jazzpop, Humor, Melancholie, Tiefsinnigkeit, Plakativität sowie hochgradige kompositorische und spielerische Fähigkeiten. Einige der Songs kennt man bereits live und kann sich bestens vorstellen, dass der Rest der EP ebenso mitreißend auf der Bühne funktioniert. Nur eines fehlt: Die Stimme des Chefs.

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Front 242 – Rewind – Alfa Matrix 2022

Von Matthias Bosenick (15.12.2022)

Endlich neues Material von Front 242! Oder doch nicht: Lediglich eine EP mit Remixen, die allerdings überwiegend von namhaften Leuten, nicht von den üblichen plakativen Stumpfnickeln der „Szene“: Terence Fixmer, The Hacker, Radical G und – als Vertreter des Labels – Kant Kino. Sie bearbeiten Klassiker neu, „No Shuffle“, „Don’t Crash“ und „Take One“, und man feiert natürlich, dass man aus dem Hause der belgischen EBM-Erfinder überhaupt etwas hört, da nimmt man es ihnen nicht übel, dass die Electro-Techno-Neuversionen ganz so besonders eigentlich gar nicht sind. Immerhin senkt das Label Alfa Matrix mit der zweiten Auflage der 12“ die Zweithandpreise der Erstauflage. Die Bandcamp-Bonustracks indes bekommt man nicht mal als Downloadcode dazu.

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Killing Joke – Lord Of Chaos – Spinefarm Records 2022

Von Matthias Bosenick (27.10.2022)

Wieder so ein Vinyl, das ewig nach der Online-Veröffentlichung der entsprechenden Musik auf sich warten lässt. Und das Warten lohnt sich, zum Glück: „Lord Of Chaos“ ist typisch moderne Killing Joke, treibend, riffig, post-heavy, mit einnehmend warmer hymnischer Melodie und verhalten geschrienem Refrain, dazu ein Bonus-Track und zwei Remixe, Dub, Electro, ebenfalls typisch Killing Joke. Fügt sich nahtlos ins Oeuvre ein, was die alten Männer hier machen, sieben Jahre nach dem letzten Studioalbum „Pylon“.

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Primus – Conspiranoid – Prawn Songs 2022

Von Matthias Bosenick (24.10.2022)

Wenn intelligente Menschen sich mit der Pandemie auseinandersetzen und sich mit Verschwörungstheorien befassen, kommen auch intelligente Erkenntnisse zutage, die Verschwörungstheorien als das behandeln, was sie sind: durchgeknallte Paranoia. Entsprechend betiteln die drei ausschließlich musikalisch Durchgeknallten von Primus ihre themenbezogene EP mit dem treffenden Kofferwort „Conspiranoid“ und erfüllen damit gleich zwei wesentliche Aspekte: Sie positionieren sich in Zeiten des rechtsbefeuerten Dummheitswahns auf der Seite der Nichtdummen – und machen grandiose Musik. Die drei Songs auf „Conspiranoid“ sind so Primus, wie man sie vor über 30 Jahren zu lieben lernte: frickelig, progressiv, eigensinnig, trotzdem eingängig und natürlich basslastig.

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