Dan Yell – Hirnfick, Scheusal & ich – Dan Yell 2020

Von Matthias Bosenick (18.11.2020)

Nach der Lektüre dieses Büchleins hätte der Rezensent dem Autoren davon abgeraten, es zu veröffentlichen. In „Hirnfick, Scheusal & ich“ macht Dan Yell seine Sicht auf eine toxische Beziehung zu einem anderen Punkmusiker öffentlich und legt sein Inneres offen. Für ihn ist es Verarbeitung, für den Genannten womöglich Provokation sowie für den Leser eine Art Brief mit der Nacherzählung der Geschichte und einer von sehr vielen Varianten, mit so etwas umzugehen – jedoch nicht in aller Augen die beste. Als psychologisches Lehrstück für die subjektive Auseinandersetzung mit Mobbing ist es passabel, als Hilfestellung nur bedingt. Dem Büchlein liegt wahlweise eine CD oder ein Tape mit der Punk- und Wave-Musik bei, die im Text Erwähnung findet.

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Ben Aaronovitch – Ein weißer Schwan in Tabernacle Street (False Value) – DTV 2020

Von Matthias Bosenick (09.11.2020)

Hat er gut gemacht! In den vergangenen fast zehn Jahren schien es, als habe Ben Aaronovitch zuletzt das Ziel verfolgt, so viel wie möglich aus seiner zum Kult erhobenen „Die Flüsse von London“-Serie um den Zauberpolizisten Peter Grant herauszuquetschen, koste es, was es wolle, und seien es Qualität oder Verständlichkeit. Im achten Band der Reihe hat er sich offenbar wieder gefangen: Die Story ist nachvollziehbar, die Nebenhandlungen fügen sich in die Hauptgeschichte ein und lenken nicht von ihr ab, die Vorbereitung auf die Lösung schließt etwas Neues mit ein und die ausreichend diffuse Lösung ist dann doch nicht vorhersagbar. Inklusive Humor und Ermittlungsarbeit ist alles drin, was man sich wünscht. Nur der Preis ist frech, aber dafür kann Aaronovitch wohl weniger.

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Matthias Hufnagl – Interim. Gineitel Lichtorgeln – Windlust-Verlag 2020

Von Matthias Bosenick (15.10.2020)

O Lyrik, du ungnädige Literaturgattung! Wer nicht sowieso einen Zugang zu dir hat, tut sich auch mit dem Gedichtband „Interim. Gineitel Lichtorgeln“ von Matthias Hufnagl schwer. Zunächst zumindest: Man muss sich reinknien, muss es wirken lassen, sich den Bildern hingeben, den sprachlichen wie den tatsächlichen, die der Berliner DJ, Dichter und Hobbyfotograf mit Wurzeln in Dresden seinen minimalistischen Betrachtungen zur Seite stellt. Dann bekommt man einen Eindruck von Nachtleben, Fernweh, Wehmut und dem Gefühl dafür, wie schwer ein Leben ist, indem man seine Position noch nicht gefunden hat. Und davon, wie die Texte im Livevortrag wohl wirken mögen.

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Sibylle Schreiber – Vom Lachen über den Tod – Ehrlich-Verlag 2019

Von Matthias Bosenick (08.07.2020)

„Der Tod ist leider niemals lustig“, befand Terence Hill alias „Nobody“, und so begegnet die Gesellschaft diesem dem Leben immanenten Phänomen zumeist, indem sie es bestenfalls ausblendet. Gegensätzliche Erfahrungen wiederum machte die Wolfsburger Autorin Sibylle Schreiber, als sie als Lesende einige Zeit im Hospiz verbrachte: Ohne den Tod zu veralbern, begegnet man ihm dort zuweilen überraschend gutgelaunt. Behutsam und warmherzig berichtet Schreiber von Erlebnissen, die Belegschaft und Bewohner mit rührenden, fröhlichen, unerwarteten, schlagfertigen Reaktionen auf das nahende Sterben machten.

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Frank Schäfer – Die Neuerfindung des Rock’n’Roll – Verlag Andreas Reiffer 2020

Von Matthias Bosenick (17.06.2020)

Seine persönlichen Betrachtungen zur elektrisch verstärkten Gitarrenmusik bündelt Frank Schäfer in diesem Bändchen der neu ins Leben gerufenen Edition Kopfkiosk des Verlags Andreas Reiffer. Eben dieses Persönliche macht die Lektüre so reizvoll, denn nicht nur seine gefühlten Tatsachen, sondern auch seine historischen Nacherzählungen offenbaren seine subjektive Gewichtung, etwa in den Auslassungen. Man kennt ja seinen Pappenheimer, und man feiert diese eigens aufgehübschten Essays für ihren vertrauten Zungenschlag. Man liest ihn einfach gern, den Schäfer, und hat dabei stets seine charakteristische Vorlesestimme im Ohr.

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Jörg Hiecke/René Seim (Hg) – Ich liebe Musik Vol. 2 – Windlustverlag 2020

Von Matthias Bosenick (30.03.2020)

Ein überwältigend bewegendes Buch. Die Vorgabe von Ideen- und Herausgeber Jörg Hiecke war, etwas zum Titelthema „Ich liebe Musik“ zu verfassen und dabei ein spezielles Lied hervorzuheben. 69 Beiträge sammelte er mit Verleger René Seim, die sie nun in diesem Kompendium bündeln. Da die beiden Dresdener sind und sich die Vielzahl der Beitragenden aus dem näheren Umfeld fanden, bekommt man berührende Geschichten über Musikfansein in der DDR, zur Wendezeit, nach dem Mauerfall – und sowieso von ganz vielen Momenten erzählt, in denen Musik eine wegweisende Wirkung auf die Verfasser hatte. Wehmut ist ein beherrschendes Gefühl, und Liebe, auch ungenannt, sowieso. Eine grandiose Idee, 21 Jahre nach dem ersten Mal immer noch, mit einem grandiosen Ergebnis.

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Hardy Crueger – Schlachthaus – Hardy Crueger 2020

Von Matthias Bosenick (27.02.2020)

Wenn schon ein sympathischer Mensch auf solch menschenverachtende Ideen kommen kann, mag man sie sich gar nicht in den Köpfen solcher Leute vorstellen, wie Hardy Crueger sie in seinem neuen Thriller „Schlachthaus“ beschreibt. Um die größenwahnsinnige Motivation von Serienmördern geht es, und Crueger beweist sich als Fachmann sowohl in Täter- als auch in Opferpsychologie. Das Buch ist spannend und abstoßend zugleich, man mag es nicht lesen, aber auch nicht aus der Hand legen. Ein schmerzhafter Parforceritt für die empfindsame und empathische Seele.

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Machyyre – Wunschbrunnen – Wolfsrudel/Puppengott 2020

Von Matthias Bosenick (25.02.2020)

Was’n Paket! Jonas Kolb aus Schöningen bringt sein neues Album „Wunschbrunnen“ unter dem dem schwer aussprechbaren Alias Machyyre nicht einfach als CD heraus, sondern in ein dickes Buch mit Stickern, Extra-Booklet (seinem „Puppetier“-Comic), Mini-Buch und sonstigen Goodies eingebettet. Musikalisch lässt er sich noch am ehesten in der Neuen Deutschen Todeskunst verorten, und wenn man das weiß und sich dann aber vom ersten Track gleich in bester Black-Metal-Manier anbrüllen lässt, ist man umgehend geplättet. Dunkle Poesie mit minimalistischer Musik und vielen Überraschungen, nicht nur optischen. Verstörend gut.

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The Russian Doctors – Das große Pratajev-Liederbuch II – Verlag Andreas Reiffer 2019

Von Matthias Bosenick (23.12.2019)

Sergeij Waschowitsch Pratajev war ein Zeitgenosse von Arnold Hau (mit mehr Gewicht auf „Genosse“ als auf „Zeit“), von ähnlicher Universalgelehrtheit, aber erst ein halbes Jahrhundert später von Holger Oley und Frank Bröker entdeckt. Dem trinkfesten Russen widmete das Entdeckerduo so manche Veröffentlichung, und die jüngste bündelt die von Pratajev inspirierten Texte zu den Alben, die es unter dem Namen The Russian Doctors zwischen 2013 und 2020 herausgebracht haben wird, versehen mit erläuternden Fußnoten. Eine handliche Reiselektüre, auch zur Wandergitarre.

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Burgwächter/Crueger/Weyershausen – Braunschweig’sche Weihnacht – Verlag Andreas Reiffer 2019

Von Matthias Bosenick (28.10.2019)

Wenn man es besinnlich will, sollte man nicht unbedingt dieses Triumvirat des Bösen ranlassen: Unflat Till Burgwächter, Blutjunkie Hardy Crueger und Sarkast Karsten Weyershausen beschreiben die „Braunschweig’sche Weihnacht“ mitnichten tourismusfördernd. Zwar finden sich Braunschweigkenner in diesen auch für ortsfremde zugänglichen Kurzgeschichten, Glossen und Cartoons zurecht, sehen sich dann aber nach anfänglicher Empathie und Herzenswärme hinterrücks von Abscheu, Hohn, seelischer Schwärze, Tod, Psychothriller und sonstigem Makabren überrumpelt. Ein Riesenspaß für alle Schwarzhumorigen und eine unerwartete Wende angesichts der verkaufsbegünstigenden Thematik. Als Geschenkverpackungsband empfiehlt sich hier ein Strick.

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