Wildwood Morning – Hurt No Living Thing – Dynamite Konzerte 2024

Von Matthias Bosenick (11.07.2024)

Hört sich anders an, als es sich liest: Das Duo Wildwood Morning sortiert sich irgendwie im Folk ein, aber sobald man dessen zweites Album „Hurt No Living Thing“ auflegt, erklingen Garagen-Fuzz, Surf-Twang, Mariachi-Trompeten, Reggae, krautige Psychedelik und Harmonien wie bei Nico, den Beatles oder Abba. Mit Geige, so viel Folk darf sein. So geht das: Genres funktionieren nur noch, wenn man sie überzeugend überkreuzt, und das begreifen Laura Lazzarin und Henning Wienecke, die beiden Köpfe hinter dem Berliner Projekt Wildwood Morning.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen

Von Onkel Rosebud

Neben den vielen Nachteilen, die das Älterwerden mit sich bringt, gibt es auch mindestens einen Vorteil, nämlich die gelassen-milde Weisheit, die sich mit den Jahren einstellt. Diese bewog mich, meine Freundin davon zu überzeugen, dass es sich beim Album-Debüt der Formation Fischmob, „Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen“ (Plattenmeister, 1995), um das beste Album handelt, welches im deutschsprachigen Raum jemals veröffentlicht wurde. Sie hatte zwar einige Einwände, es fielen Stichworte wie Kraftwerk, Rio Reiser, Blumfeld, Blümchen, aber als sie DJ Koze (über The Notwist) mit in die ultimative Liste aufnehmen wollte, konnte ich ihr überzeugend darlegen, dass der Protagonist auch für „Bonanzarad“, dem 2. Song auf dem Album, zuständig gewesen ist. Er sampelte damals De La Soul, pfiff die Melodie selbst, unterlegte diese mit einem treibenden Old-School-Beat, baute Film- und Gitarren-Samples in Strophe und Refrain … und fertig war das bis heute unerreichte, schmissige Crossover-Kunststück, mit dem damals die Straßen von Kapitalisten, Spießbürgern und Bullen zurückerobert werden sollten: „Die Fußgängerzone ist mein Revier… und auf Tempo 30 scheiß ich…“. Dazu lief der Pop-Appeal des Songs aus „Ohren, Mund und Nase“.

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Goat Girl – Below The Waste – Rough Trade 2024

Von Guido Dörheide (10.07.2024)

Below the waist – Unterhalb der Gürtellinie also gewissermaßen – aha, okay. Ach nee – „Below The Waste“, also unterhalb des Mülls, darauf bezieht sich also der Titel des dritten Albums von Goat Girl. Einer 2016 in London gegründeten Indie-Band, die ausschließlich aus Frauen besteht. Und sich nach einer Mischung aus Elastica, den Breeders und The Fall, für die Goat Girl auf deren letzter Tour vor dem Tod von Mark E. Smith die Vorband waren, anhört – also keine Frage, da muss ich mal reinhören. Und ich stamme ja selber aus einer sogenannten Ziegenstadt und daher interessiert mich Goat Girl schon alleine deswegen.

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Louise Patricia Crane – Netherworld – Peculiar Doll Records 2024

Von Matthias Bosenick (10.07.2024)

Das Solo-Debüt „Deep Blue“ war vor vier Jahren bereits umwerfend, der Nachfolger „Netherworld“ ist dem mindestens ebenbürtig: Folklore und progressive Rockmusik sind nicht mehr nur Anteil, sondern stehen im Fokus der Kompositionen, die Louise Patricia Crane hier umsetzt. Flöten, Geigen, ausufernde, epische Songs, gefühlvoll und ganz und gar ungruftig, da lässt sich die Nordirin nicht festlegen, trotz ihres vorausgegangenen Einsatzes als Gast bei The Eden House, der Trip-Goth-Band von Ex-Leuten der Fields Of The Nephilim. Das hier ist anders, und das ist auch begrüßenswert gut so.

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Alcest – Les Chants De L’Aurore – Nuclear Blast Records 2024

Von Guido Dörheide (09.07.2024)

Ich bin ja irgendwie immer so ein Spätentdeckender, wenn es um gute Musik geht. Und so wurde ich auf Alcest erst 2019 anlässlich der Veröffentlichung von „Spiritual Instinct“ aufmerksam, also im 20. Jahr des Bandbestehens. Da hätte ich gerne damals was drüber geschrieben, was allerdings bis jetzt, zum Erscheinen von „Les Chants De L’Aurore“ (Hihi, jetzt hätte ich beinahe „Les Chats“ geschrieben, und Odin, Lilli und Fritz sitzen grinsend in der Ecke. Grinsekatzen.) warten musste, weil ich damals Dringenderes, wenn auch nicht Sinnvolleres zu tun hatte. Aber Wurscht, et kütt, wie et kütt, und auch die Chants von Aurora nehmen mich nicht minder gefangen als wie weiland der spirituelle Instinkt. Alcest bestehen vorwiegend aus Schnee, nee ohne Scheiß, ihr Gründer und einzigstes Dauermitglied Stéphane Paut nennt sich allen Ernstes „Neige“, und das nicht, weil ihm die Einfälle für neue Songs irgendwann mal zur Neige gehen, sondern weil das das französische Wort für „Schnee“ ist.

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Schlackrufe BRD 2 – Tutti Frutti Igitt Records 2024

Von Matthias Bosenick (09.27.2024)

Was ist hieran das größte Ereignis: dass es zu der wundervoll beknackten Idee, ein Mischgetränk namens Schlacke zu erfinden und dazu eine Tribute-Compilation herauszubringen, einen zweiten Teil gibt? Dass die 24 Beitragenden mit der Grundierung Punk das Zeug – Boonekamp mit Ahoj-Brause – allem Anschein nach tatsächlich probiert haben? Dass es satte 24 Musikstücke zum Thema gibt, die auch für Punkverhältnisse ordentlich produziert, arrangiert und komponiert sind? Dass sich doch so viele Reime auf „Schlacke“ finden lassen? Der Wahlbremer Nils Bauer alias Plautzenotto, selbst Beitragender hier, fügt diese Rasselbande aus Rasselbands auf seinem Label Tutti Frutti Igitt Records unter dem Banner „Schlackrufe BRD 2“ zusammen, das Tape ist leider bereits ausverkauft. Noch so ein Anwärter für das größte Ereignis in diesem Zusammenhang!

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Patrick Siegfried Zimmer – Memories XXI-XXX – PSZ Recordings 2024

Von Matthias Bosenick (08.07.2024)

Air nun wieder! Watteweich und einkuschelnd setzt der Universalkünstler Patrick Siegfried Zimmer, einst als finn., nur echt mit Punkt und kleingeschrieben, die Musikwelt aufwirbelnd, seine 2018 begonnene autobiographisch motivierte Album-Reihe „Memories“ mit den Kapiteln „XXI-XXX“ fort. Auf diesen handelt er eigene Tagebucheinträge balladesk auf Klavierbasis ab und umpuschelt sie mit Chören, Streichern, großen Gesten und der Vermeidung von Kitsch. Melancholisch und dennoch heilsam ist der Genuss dieses Albums, keine schlechte Medikation in ungestümen Zeiten.

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KMFDM – Let Go – Metropolis Records 2024

Von Guido Dörheide (08.07.2024)

Auf KMFDM ist Verlass, sie hören sich immer so an wie immer und sie liefern und liefern und liefern. Quasi der VW Käfer unter den Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsprodukten. Zuerst hörte ich von der Band mit dem merkwürdigen Namen „Kein Mehrheit für die Mitleid!“ in den 80er Jahren auf Super Channel (erinnert sich noch jemand an diesen Sender?) in einem Bericht über das Berliner Atonal-Festival, auf dem KMFDM neben den Neubauten, Die Haut und anderen wundervollen bundesdeutschen Beiträgen zur Weltkultur auftraten. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich im Jahr 2024 ein neues Werk von KMFDM rezensieren würde. Wobei das nicht Wunder nimmt, denn schließlich veröffentlichen KMFDM seit 1984 ungefähr im Zweijahresrhythmus neue Musik, „Let Go“ ist ihr ungefähr 25. Studioalbum. Also eine weitere vergessene Untergrundinstitution, die ihre langjährige Nichtrelevanz hinter blindaktionistischer Veröffentlichungstätigkeit verstecken muss?

Nein!

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Erra – Cure – UNFD 2024

Von Guido Dörheide (07.07.2024)

Ich mag nun mal keinen Metalcore. Dieses Gegrowle, abgewechselt mit Klargesang, und darüber immer der Versuch, so hart wie nur irgendwas zu klingen, nimmt mich nicht mit. Von nirgendwo und keine Stelle nach hin. Manchmal muss ich aber Ausnahmen machen, und Erra aus Birmingham (hihi, wie Sabbath) aus Alabama (OK, doch nicht wie Sabbath) sind so ein Fall. Vielleicht, weil sie in meinen Augen nur sehr wenig Metalcore und sehr viel Prog Metal machen. Also Djent mag ich (jahaa, ich weiß, Djent is not a genre…), und auch diesen kriegt man bei Erra viel zu hören. Der Gesang ist sehr metalcorig, mit den verzerrten Passagen habe ich keine Probleme, aber auch der Klargesang, wie zum Beispiel im zweiten Song des Albums, „Rumor Of Light“, ist erträglich und sogar gut. Die Stimme gefällt und J.T. Cavey am Gesang macht eigentlich alles richtig. Er lehnt sich mit Schmackes rein, und dazu arbeiten sich seine Mitstreiter am modernen Metal ab, dass es eine Freude ist.

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Deicide – Banished By Sin – Reigning Phoenix Music 2024

Von Guido Dörheide (07.07.2024)

Neue Death-Metal-Musik mit no clean singing ist immer ein Quell für Lebensfreude und Daseinsbejahung. Naja, nicht immer, es gibt ja auch noch Sachen für Unterwegs, SFU, Six Feet Under meine ich, die den geneigten Fan eines besseren belehren, was Qualität und Glaubwürdigkeit im Death Metal betrifft. Immerhin sind Chris Barnes und seine Jungs aus Tampa in Sachen Selbstüberschätzung immer in den oberen 5% des vorderen Drittels unterwegs. „Killing For Revenge“ ist auf jeden Fall Scheiße, und das nicht nur, weil es mir nicht gefällt, sondern weil es qualitativ definitiv gegen alles abkackt, was es sonst noch gibt.

Deicide zum Beispiel, ebenfalls aus Tampa, Florida, eine Band, die einem wunderbar auf die Nerven zu gehen vermag, vor allem deren Sänger Glen Benton ist bisweilen eine echte Landplage, mit umgedrehtem Kreuz auf der Stirn und immer für eine satanistisch/antichristliche Provokation zu haben, Gähn!

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