Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Otto Pankrock aus Hagen

Von Onkel Rosebud

Neulich verschlug es meine Freundin aus beruflichen Gründen nach Hagen, dem „Tor zum Sauerland“. Sie beschwerte sich, wie öde es da gewesen sei: Die Fußgängerzone sähe aus wie in Kassel, überhaupt BRD-70er-Jahre-Ästhetik überall. Auf dem Bahnhof zöge es wie Hechtsuppe und das Freizeitangebot bestünde aus einer Tour durch ehemalige Luftschutzeinrichtungen oder ein begehbares Planetenmodell. Hier leben, nein danke, schimpfte sie. Ich konnte sie nicht trösten, wusste aber zu berichten, dass Hagen Ende der Siebziger mal das „Liverpool Deutschlands“ genannt wurde, denn die Stadt war für einen kurzen Augenblick das musikalische Epizentrum der Neuen Deutschen Welle. Die Humpe-Schwestern, Nena, Extrabreit kommen aus Hagen… und natürlich Grobschnitt.

Die Band war die westdeutsche Antwort auf die Anfangsjahre von Pink Floyd und deren Markenzeichen bestand darin, in ihren Liedern „hinten raus“ immer schneller zu werden. Grobschnitt vereinte Musik und Theater in ihren Live-Shows – mit komödiantischen Einlagen und optischen Effekten. Die Band war die erste deutsche Band, die Pyrotechnik in ihr Bühnenprogramm einbaute und die ein Album zuerst in englischer Sprache und dann auch auf Deutsch veröffentlichte, so geschehen 1975 und 1976 mit dem Album „Jumbo“. Ein Konzert der Gruppe konnte so schon mal mehrere Stunden dauern, was auch an den langen Improvisationen innerhalb des Programms lag. Diese Improvisationen nannten sich „Solar Music“ oder „Powerplay“. Anfangs waren die Texte der Band in englischer Sprache, später wurden auch welche in Deutsch geschrieben. Ob Englisch oder Deutsch, die Songtexte hatten stets eine gesellschaftliche Aussage. So äußerten sich Grobschnitt zu umweltpolitischen Themen, wie Atomenergie und zur Friedensbewegung. Mit „Rockpommels Land“ entstand auch ein musikalisches Märchen, welches das Musikmagazin „eclipsed“ in die Liste der weltweit 150 erfolgreichsten Progressive-Alben aufgenommen hat.

Zwischen 1970 und 1989 veröffentlichte Grobschnitt 13 Alben und acht Singles, wovon „Wir wollen leben“ einer der kommerziell erfolgreichsten Songs wurde. Besonderes Kennzeichen von Grobschnitt ist bis heute, dass die Musiker nur unter Spitz- bzw. Künstlernamen auftreten. Willi Wildschwein, Lupo, Quecksilber, Eroc und Toni Moff Mollo.

Onkel Rosebud