Hardy Crueger – Der andere Krieg: Die Odyssee des Victor Rosenfels – Edition Narrenflug 2015

Von Matthias Bosenick (05.12.2015) / Auch veröfentlicht auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Noch so ein Braunschweiger Vielschreiber: Hardy Crueger veröffentlicht mit „Der andere Krieg“ sein mindestens drittes Buch in diesem Jahr. Mit dem vorliegenden macht er es seinem Leser nicht ganz einfach: Einerseits behandelt er Themen, die dem halbwegs gebildeten Leser längst mehr als vertraut sind, andererseits setzt er zu viel Hintergrundwissen voraus, um für Jugendliche leicht nachvollziehbar zu sein. Die Geschichte an sich entwickelt indes einen starken Sog: Crueger lässt einen vom Schicksal gepeinigten Heranwachsenden namens Victor Rosenfels in den Dreißigerjahren wie eine Art Hiob auf Odysse durch Deutschland und die USA mäandern. Trotz aller bekannter Umstände erzählt Crueger die Geschichte so komprimiert, dass man das Buch wie im Zwang verschlingt, bei jedem Umblättern gebannt denkend: Was passiert denn jetzt noch?

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Axel Klingenberg – Das wird man ja wohl noch sagen dürfen! – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (16.11.2015) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour – Der Stadtblog

„Wie Deutschland verblödet“, lautet der Untertitel zu Axel Klingenbergs neuer Schrift „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“. Das geht an der Intention dieses Büchleins allerdings vorbei: Hier geht es nicht ums schlichte Blödsein, sondern darum, dass Rechtssein immer normaler wird. Dem liegt zwar sicherlich ein gewisser Bildungsmangel zugrunde, aber das eher in der vermeintlich breiten Masse; Klingenberg findet Rechtssein jedoch vornehmlich bei – nun – Intellektuellen. Und schon ist man mittendrin in der Diskussion, die der Autor mit diesem Buch auch befeuern will. Keine leichte Aufgabe und sehr dünnes Eis, auch aus Punksicht. Doch Klingenberg entlarvt die hetzerische Rhetorik schlüssig und entschlüsselt das, was die Redner tatsächlich damit sagen.

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Ben Aaronovitch – Fingerhut-Sommer – DTV 2015

Von Matthias Bosenick (11.11.2015)

Schnell mal alle fünf Bücher in zweieinhalb Wochen gelesen, trotz der Werbung in einem Gruftmagazin angesprochen gefühlt, trotz des „Spiegel-Bestseller“-Stickers nicht zurückgeschreckt und trotz des miserabel übersetzten ersten Bandes fasziniert genug gewesen, um dran zu bleiben: Ein reizendes Konglomerat aus Versatzstücken unzähliger Vorlagen ist Ben Aaronovitch da mit seiner Mär um den zur Zauberei fähigen Police Constable Peter Grant im London der Gegenwart gelungen. Die Reihe hat so viele Vorzüge, dass ihre Nachteile kaum ins Gewicht fallen, obwohl sie offenkundig sind. Aber das sind die Zeichen der Zeit: Mittelmaß ist das neue Gut, man ist ja schon dankbar, dass hier Gut mal das neue Sehr Gut sein darf. Und man ist hier darüber hinaus eben aufs Heftigste gefesselt.

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Axel Klingenberg – Döner mit Braunkohl und Bier (Erweiterte Neuausgabe) – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (02.09.2015)

Als „Braunschweig-Buch“ bewirbt der aus der Heide zugezogene Altpunk Axel Klingenberg sein „Döner mit Braunkohl und Bier“; da könnte also viel Schlimmes drin stecken, doch umgeht Klingenberg die hurratouristischen Klippen und biedert sich beim Stadtmarketing nicht an. Vielmehr empfiehlt er sein Werk als Pflichtlektüre für Braunschweigs Offizielle, wie eben das Stadtmarketing und besonders auch das Kulturinstitut, das Kultur abseits von eigengeförderten Mainstreamaktivitäten wie „Kultur im Zelt“, „Klassik im Park“ und den Opern auf dem Burgplatz – die allesamt durchaus ihre Berechtigung haben – nicht wahrnimmt. Es gibt nämlich ein Braunschweig ohne Lobby, in Sachen Betrachtung, Bewertung und Bespielung. Klingenberg rückt die Unsichtbaren ins Licht, indem er ihre Stimme ist. Wer solches tut, muss seine Stadt schon sehr mögen: sonst wäre sie ihm ja egal und seine Mühe müßig.

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Die Stadt ist eine Erbse – Schoten aus dem Café Riptide – Buchbauer-Verlag 2015

Von Matthias Bosenick (31.08.2015)

In eigener Sache: Der Betreiber dieses Blogs hat aus Auszügen eines anderen Blogs ein Buch zusammengestellt. Seit acht Jahren schreibt er monatlich auf www.cafe-riptide.de davon, was ihm in ebenjenem Café Riptide in Braunschweig alles so zugetragen wird und widerfährt. Da es sich bei dem Café auch um einen Schallplattenladen, eine Galerie und einen Veranstaltungsort handelt, sind die Erlebnisse recht vielfältig. Neu-Verleger Toddn Kandziora teilte mit dem Autoren die Vision, die angesammelten Inhalte in gedruckter Form einer erweiterten Leserschaft anzubieten, und veröffentlichte in seinem Buchbauer-Verlag nun „Die Stadt ist eine Erbse – Schoten aus dem Café Riptide“. Darin enthalten sind 23 Einträge aus dem Riptide-Blog, leicht überarbeitet sowie um Erläuterungen und Anmerkungen ergänzt, die das Buch auch außerhalb Braunschweigs nachvollziehbar machen.

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Andreas Reiffer (Hg.) – Die Wahrheit über Braunschweig – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (28.08.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Vermutlich gibt es 250.000 Wahrheiten über Braunschweig, in diesem Buch sammelt Verleger Andreas Reiffer mindestens 14: So viele Autoren lassen sich nämlich in diesem Sammelband über ihre (Wahl-)Heimat aus. Daraus ergibt sich eine Stil- und Themenvielfalt, die angemessen beachtlich ist, aber Reiffer selbst stellt in seinem Vorwort berechtigt fest, dass es ein gewagtes Unterfangen ist, „Die Wahrheit über Braunschweig“ überhaupt breitenwirksam zusammenstellen zu wollen. Das vorliegende Ergebnis ist gottlob recht vollständig, doch hätte auch das Nichterfüllen dieses Vorhabens nichts ausgemacht: Die Crème de la Crème der Braunschweiger Literatenszene reicht sich den Staffelstab hin und her, dazwischen tummeln sich eher Unbekannte und sogar ein offensichtlich Ausgedachter. Zwischen Lobhudelei und Lästerei pendeln die Beiträge, entsprechend zwischen Humor und Herzangelegenheit. Und: Nach der zweifelsfrei unterhaltsamen Lektüre fühlt man sich dazu animiert, ergänzend sein eigenes Kapitel hinzuzufügen; nicht wegen einer vermeintlichen Unvollständigkeit, sondern aus Leidenschaft. Zumindest, wenn man Braunschweiger ist.

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Ronald R. Klein & Stefan van Zwoll (Hg.) – Schimmel über Berlin – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (05.07.2015)

„Schimmel über Berlin“ ist eine seltsame Anthologie. Sie gibt im Klappentext vor, eine von mehreren Autoren abgefasste Abhandlung mit alternativen Blicken auf das immerwährende Hypethema Berlin zu sein, doch wer das Buch deswegen kauft, wird enttäuscht, denn es stimmt nicht. Es sind haufenweise Beiträge ohne Berlinbezug dazwischen, und wo etwa in Interviews auch mal Berlin angesprochen wird, geschieht dies nur unter ferner liefen. Man tut sich vielmehr einen Gefallen damit, das Buch nicht wegen Berlin zu erwerben (oder auch, für diejenigen, denen Berlin als Thema einfach mal geflissentlich auf den Sack geht, trotz Berlin), sondern um seiner selbst willen, und dann bietet es dem Leser eine überraschende Bandbreite an Prosa, Lyrik, Meinungen und Kunst an; auch qualitativ ist die Bandbreite groß: Nicht alles gefällt, aber das Gefallende ist dann wiederum besonders gut. In der Tat: ein schräger Mix.

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Holger Makarios Oley & Frank Pichelstein Bröker (Hg.) – Haus aus Stein Nr. 8: Der Abend ist gelungen – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (15.06.2015)

Es bleibt dabei: Wer nicht in irgendeiner Form bereits vom Pratajev-Virus infiziert ist, hat vermutlich seine liebe Not, sich nachträglich vom Oeuvre rund um den fiktiven russischen Allroundhelden mitreißen zu lassen. Obgleich die beiden Initiatoren in der Genese des Pratajev-Universums sehr einfallsreich sind, zündet nicht jeder Gag, fällt nicht jede Übertreibung ins Fach Satire, bringt nicht jede Wiederholung einen vertiefenden Blick auf Details; zumindest für den Nicht-Fan nicht. Dem entgegen stehen kluge Aphorismen, nur scheinbar absurde Lyrik und angenehm hanebüchen gesponnene Geschichten, an denen man auch als Pratajev-Novize Gefallen finden kann. Als solcher liest man den achten Band mit Auszügen aus den jüngsten Begebenheiten rund um die Pratajev-Gesellschaft daher nur mit gemischter Freude, aber immerhin nicht ganz ohne.

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Lord Schadt – Das wahre Buch vom nördlichen Bettenland: Eva G. Hamilton im Gespräch mit Maren von Monkiewitsch – CreateSpace Independent Publishing Platform 2015

Von Matthias Bosenick (08.06.2015) / Auch auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Meta meta fake meta fake fake meta fake – oder so: Lord Schadt generiert ein Interview zwischen seiner erfundenen Performancekünstlerin Eva G. Hamilton, unter deren Namen er in der Vergangenheit tatsächlich existierende Werke anfertigte, und Maren von Monkiewitsch, einer eigens dafür erfundenen Redakteurin eines pseudointellektuellen Brüsteheftchens. Dieses Gespräch quasi seiner selbst mit sich selbst nutzt der Lord nun, um seine eigene nonkonforme Haltung unter die Menschen zu bringen, durchmengt von satirischen Übertreibungen sowie sexuellen und pornografischen Fantasien, die besonders dann möglich sind, wenn man sie jemand anders in den Mund (oder sonstwohin) legen kann. In diesem Rundumschlag zeigt sich der Autor als ausgesprochen fantasievoll, kenntnisreich, kritisch und humorvoll. Er vergießt Spott und Häme, er fabuliert schmierig herum, er schwärmt aber auch von den Dingen, die es ihm wert sind, und formuliert Gegenentwürfe zum bestehenden Gesellschaftskonstrukt. Selten war ein Schlagwort so passend wie hier dieses: „Mindfuck“.

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Holger Reichard & Karsten Weyershausen – Stadt. Land. Flucht. – Schwarzkopf & Schwarzkopf 2015

Von Matthias Bosenick (16.05.2015) / Auch auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Die Diskussion darum, ob die Lebensqualität auf dem Land oder in der Stadt höher ist, ist vermutlich so alt wie menschliche Wohnbebauung, aber die beiden befreundeten Autoren Holger Reichard und Karsten Weyershausen widmen ihr dennoch genau jetzt ein ganzes Buch. Hätte schiefgehen können, tut es aber ganz und gar nicht: Jeder von beiden bevorzugt einen von beiden Standorten, und was ihre anekdotische und analytische Betrachtung so verschlingbar macht, ist die Differenziertheit. Jeder von beiden sieht Vor- und Nachteile in beiden Varianten. Keine Sichtweise wird verherrlicht, die andere nicht rettungslos bloßgestellt. Positiv dazu kommt, dass die beiden Autoren einen auf den ersten Blick vielleicht betulichen, in Wahrheit aber seriösen, kompakten und treffenden Schreibstil haben, angenehm frei von Allüre, Attitüde und Schenkelklopferhumor. Dieses Buch macht Spaß.

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