Von Matthias Bosenick (17.06.2020)
Seine persönlichen Betrachtungen zur elektrisch verstärkten Gitarrenmusik bündelt Frank Schäfer in diesem Bändchen der neu ins Leben gerufenen Edition Kopfkiosk des Verlags Andreas Reiffer. Eben dieses Persönliche macht die Lektüre so reizvoll, denn nicht nur seine gefühlten Tatsachen, sondern auch seine historischen Nacherzählungen offenbaren seine subjektive Gewichtung, etwa in den Auslassungen. Man kennt ja seinen Pappenheimer, und man feiert diese eigens aufgehübschten Essays für ihren vertrauten Zungenschlag. Man liest ihn einfach gern, den Schäfer, und hat dabei stets seine charakteristische Vorlesestimme im Ohr.
Archiv der Kategorie: Buch
Jörg Hiecke/René Seim (Hg) – Ich liebe Musik Vol. 2 – Windlustverlag 2020
Von Matthias
Bosenick (30.03.2020)
Ein überwältigend bewegendes Buch.
Die Vorgabe von Ideen- und Herausgeber Jörg Hiecke war, etwas zum
Titelthema „Ich liebe Musik“ zu verfassen und dabei ein
spezielles Lied hervorzuheben. 69 Beiträge sammelte er mit Verleger
René Seim, die sie nun in diesem Kompendium bündeln. Da die beiden
Dresdener sind und sich die Vielzahl der Beitragenden aus dem näheren
Umfeld fanden, bekommt man berührende Geschichten über Musikfansein
in der DDR, zur Wendezeit, nach dem Mauerfall – und sowieso von
ganz vielen Momenten erzählt, in denen Musik eine wegweisende
Wirkung auf die Verfasser hatte. Wehmut ist ein beherrschendes
Gefühl, und Liebe, auch ungenannt, sowieso. Eine grandiose Idee, 21
Jahre nach dem ersten Mal immer noch, mit einem grandiosen Ergebnis.
Hardy Crueger – Schlachthaus – Hardy Crueger 2020
Von Matthias
Bosenick (27.02.2020)
Wenn schon ein sympathischer Mensch
auf solch menschenverachtende Ideen kommen kann, mag man sie sich gar
nicht in den Köpfen solcher Leute vorstellen, wie Hardy Crueger sie
in seinem neuen Thriller „Schlachthaus“ beschreibt. Um die
größenwahnsinnige Motivation von Serienmördern geht es, und
Crueger beweist sich als Fachmann sowohl in Täter- als auch in
Opferpsychologie. Das Buch ist spannend und abstoßend zugleich, man
mag es nicht lesen, aber auch nicht aus der Hand legen. Ein
schmerzhafter Parforceritt für die empfindsame und empathische
Seele.
Machyyre – Wunschbrunnen – Wolfsrudel/Puppengott 2020
Von Matthias
Bosenick (25.02.2020)
Was’n Paket! Jonas Kolb aus
Schöningen bringt sein neues Album „Wunschbrunnen“ unter dem dem
schwer aussprechbaren Alias Machyyre nicht einfach als CD heraus,
sondern in ein dickes Buch mit Stickern, Extra-Booklet (seinem
„Puppetier“-Comic), Mini-Buch und sonstigen Goodies eingebettet.
Musikalisch lässt er sich noch am ehesten in der Neuen Deutschen
Todeskunst verorten, und wenn man das weiß und sich dann aber vom
ersten Track gleich in bester Black-Metal-Manier anbrüllen lässt,
ist man umgehend geplättet. Dunkle Poesie mit minimalistischer Musik
und vielen Überraschungen, nicht nur optischen. Verstörend gut.
The Russian Doctors – Das große Pratajev-Liederbuch II – Verlag Andreas Reiffer 2019
Von Matthias
Bosenick (23.12.2019)
Sergeij Waschowitsch Pratajev war
ein Zeitgenosse von Arnold Hau (mit mehr Gewicht auf „Genosse“
als auf „Zeit“), von ähnlicher Universalgelehrtheit, aber erst
ein halbes Jahrhundert später von Holger Oley und Frank Bröker
entdeckt. Dem trinkfesten Russen widmete das Entdeckerduo so manche
Veröffentlichung, und die jüngste bündelt die von Pratajev
inspirierten Texte zu den Alben, die es unter dem Namen The Russian
Doctors zwischen 2013 und 2020 herausgebracht haben wird, versehen
mit erläuternden Fußnoten. Eine handliche Reiselektüre, auch zur
Wandergitarre.
Burgwächter/Crueger/Weyershausen – Braunschweig’sche Weihnacht – Verlag Andreas Reiffer 2019
Von Matthias
Bosenick (28.10.2019)
Wenn man es besinnlich will, sollte
man nicht unbedingt dieses Triumvirat des Bösen ranlassen: Unflat
Till Burgwächter, Blutjunkie Hardy Crueger und Sarkast Karsten
Weyershausen beschreiben die „Braunschweig’sche Weihnacht“
mitnichten tourismusfördernd. Zwar finden sich Braunschweigkenner in
diesen auch für ortsfremde zugänglichen Kurzgeschichten, Glossen
und Cartoons zurecht, sehen sich dann aber nach anfänglicher
Empathie und Herzenswärme hinterrücks von Abscheu, Hohn, seelischer
Schwärze, Tod, Psychothriller und sonstigem Makabren überrumpelt.
Ein Riesenspaß für alle Schwarzhumorigen und eine unerwartete Wende
angesichts der verkaufsbegünstigenden Thematik. Als
Geschenkverpackungsband empfiehlt sich hier ein Strick.
Ben Aaronovitch – Der Oktobermann/Schwarzschimmel – dtv/Panini 2019
Von Matthias Bosenick (15.10.2019)
Seit acht Jahren gibt es nun die „Rivers Of London“-Serie von Ben Aaronovitch mit dem Londoner Zauberpolizisten Peter Grant als Hauptfigur. Auf Deutsch existieren davon sieben Romane und mit den neusten zwei Veröffentlichungen zudem zwei Kurzromane und drei Graphic Novels, auf Englisch liegen zusätzlich noch weitere drei Comics sowie diverse schriftliche und Hörbuch-Kurzgeschichten vor, der achte Roman der Hauptreihe und der siebte Comic sind für November vorgesehen und in der Schublade hat Aaronovitch noch diverse weitere unveröffentlichte Ideen. Und: Simon Pegg und Nick Frost wollen den Stoff verfilmen. Bei so viel Output bleibt Qualität bisweilen auf der Strecke, das gilt auch für die jüngsten in Deutschland erschienenen Geschichten: Liest sich „Der Oktobermann“ noch einigermaßen flott und flüssig weg, lässt einen „Schwarzschimmel“ doch eher kalt.
Karsten Weyershausen – Ist Götterspeise Blasphemie? – Edition Wortmax 2019
Von Matthias
Bosenick (09.10.2019)
Mit einer bewusst unsortierten
Sammlung kleiner bereits online veröffentlichter Texte begründet
Karsten Weyershausen die Edition Wortmax, die aus dem gleichnamigen
bundesweit vernetzten Literaturblog hervorgeht. „Ist Götterspeise
Blasphemie?“, fragt er im Titel, und setzt nach: „Und andere
völlig unnütze Gedanken zu Dingen, die sowieso nicht zu ändern
sind“. Damit umreißt der Autor recht treffend den Geist, der ihn
umtreibt: Im Spannungsfeld zwischen milder Beschwerde und
resigniertem Fatalismus findet er die Rettung seiner Seele im
Unnützen. Und das wissen wir Popkultursozialisierten: Im Unnützen
liegt der meiste Spaß, das reflektiert dieses Buch vortrefflich,
angesichts der Ausgangslage überraschend warmherzig sogar.
Veit Heinichen – Borderless – Piper 2019
Von Matthias
Bosenick (18.07.2019)
Da nutzt Veit Heinichen die Form des
Thrillers, um seine sehr wertvolle linksbasierte Rundumschlag-Kritik
an Europa zu transportieren: Hier geht es um Flüchtlinge, Korruption
und undemokratische politische Verstrickungen, vom italienischen
Adrianest Grado ausgehend quer durch Europa. Fundiert recherchiert
und bisweilen recht spannend aufgearbeitet, aber etwas konstruiert
und behäbig zusammengefügt.
Ben Aaronovitch – Die Glocke von Whitechapel (Lies Sleeping)/Die Nachthexe (Body Work) – dtv/Panini 2019
Von Matthias
Bosenick (21.06.2019)
Im zehnten auf Deutsch erschienenen
Buch, und zwar dem siebten Band der Serie (verwirrend!) um den
Londoner Zauberpolizist Peter Grant, macht Ben Aaronovitch einiges
besser als zuvor: Er lässt den Leser besser an das komplexe
bisherige Geschehen anknüpfen und ermöglicht es damit auch
Neueinsteigern, so etwas in der Art wie Anschluss zu finden, schweift
nicht so ausgiebig ab wie sonst und bleibt in seinen Beschreibungen
anschaulich und nachvollziehbar. Eine schlechtere Story wie in manch
vorherigem Buch ergibt das gottlob nicht, auch wenn aus dem Whodonit
dieses Mal eine Actionjagd wird.