Von Matthias Bosenick (19.07.2024)
Die Kombination aus dem Bandnamen Sad Pony Girl und dem Titel „Guerilla EP“ lässt sofort Xiu Xiu in den Suchergebnissen erscheinen, die 2003 mit den Song „Sad Pony Guerilla Girl“ ihr Album „A Promise“ eröffneten. Daran orientiert sich das Trio aus Cuneo im Piemont offenbar auch, schließlich covert es auf seinem Debüt den Song „I Love The Valley, OH!“ vom Album „Fabulous Muscles“ aus dem Jahre 2004. Die Stimme von Sad Pony Girl ist indes eine eigene, und dazu eine ausnehmend vielseitige: elektronisch grundiert, reicht der experimentierfreudige Bogen von Dream Pop über Industrial, Rap, italienischem Schlager, Spoken Word bis hin zu Noise Rock.
Archiv der Kategorie: Album
The Void Of Expansion – Escaper – Dunk! Records 2024
Von Matthias Bosenick (18.07.2024)
Was für Musik macht man mit lediglich Schlagzeug und Gitarre? Fun-Punk oder Indierock? Oder – Ambient? Für letzteres entscheidet sich das Belgisch-Schwedische Duo The Void Of Expansion, indem die Gitarre flächige Drones absondert und das Schlagzeug dazu ungezügelt herumgaloppiert. Da steckt natürlich eine Menge Jazz drin, und wer die improvisierten Kunstwerke von Jörg A. Schneider verehrt, ist bei „Escaper“ ebenso sehr gut aufgehoben, dem vierten gemeinsamen Album des Duos, bestehend aus Gitarrist Dirk Serries aus Antwerpen und Schlagzeuger Tomas Järmyr aus Sandviken, der in Trondheim lebt.
Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wah-Wah Hawkwind
Von Onkel Rosebud
„1001 Albums You Must Hear Before You Die“ ist eine musikalische Anthologie in Buchform, die chronologisch die angeblich besten Platten zwischen 1955 und 2005 behandelt. Meine Freundin warf neulich einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis und wandte sich mit dem Hinweis gelangweilt ab: „Du immer mit Deinen Listen“. Ja, ich liebe Listen. In dem Fall danke ich dem Herausgeber, Robert Dimery, weil ohne die „1001 Albums…“ hätte ich als Spätgeborener nicht von der Existenz der Band Hawkwind und insbesondere von deren Longplayer „Space Ritual“ (1973) erfahren, einer der größten Versuche des Rock’n‘Roll, sich mit dem Rest des Universums zu verbinden.
WeiterlesenFuzziliers – Sail The Seven Seas – Fuzziliers 2024
Von Matthias Bosenick (15.07.2024)
Von einem Autokraten zum nächsten: Auf dem Rückzug vor Wladimir Putin ließen sich russische Musiker ausgerechnet in Istanbul nieder. Kann man so machen. So jedenfalls wurde aus dem freakigen Stoner-Doom-Allesmögliche-Duo Juice Oh Yeah die kaum weniger freakige Gute-Laune-Psychedelik-Pop-Rock-Band Fuzziliers. „Sail The Seven Seas“ ist nach einigen Singles und einer EP das Debütalbum, und das strotzt vor Ideen und guter Laune, ist voll mit psychedelischem Northern Soul oder so. Die Fuzziliers klingen wie alte vertraute Bekannte, dabei können die das ja gar nicht sein. Aber werden!
Wildwood Morning – Hurt No Living Thing – Dynamite Konzerte 2024
Von Matthias Bosenick (11.07.2024)
Hört sich anders an, als es sich liest: Das Duo Wildwood Morning sortiert sich irgendwie im Folk ein, aber sobald man dessen zweites Album „Hurt No Living Thing“ auflegt, erklingen Garagen-Fuzz, Surf-Twang, Mariachi-Trompeten, Reggae, krautige Psychedelik und Harmonien wie bei Nico, den Beatles oder Abba. Mit Geige, so viel Folk darf sein. So geht das: Genres funktionieren nur noch, wenn man sie überzeugend überkreuzt, und das begreifen Laura Lazzarin und Henning Wienecke, die beiden Köpfe hinter dem Berliner Projekt Wildwood Morning.
Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen
Von Onkel Rosebud
Neben den vielen Nachteilen, die das Älterwerden mit sich bringt, gibt es auch mindestens einen Vorteil, nämlich die gelassen-milde Weisheit, die sich mit den Jahren einstellt. Diese bewog mich, meine Freundin davon zu überzeugen, dass es sich beim Album-Debüt der Formation Fischmob, „Männer Können Seine Gefühle Nicht Zeigen“ (Plattenmeister, 1995), um das beste Album handelt, welches im deutschsprachigen Raum jemals veröffentlicht wurde. Sie hatte zwar einige Einwände, es fielen Stichworte wie Kraftwerk, Rio Reiser, Blumfeld, Blümchen, aber als sie DJ Koze (über The Notwist) mit in die ultimative Liste aufnehmen wollte, konnte ich ihr überzeugend darlegen, dass der Protagonist auch für „Bonanzarad“, dem 2. Song auf dem Album, zuständig gewesen ist. Er sampelte damals De La Soul, pfiff die Melodie selbst, unterlegte diese mit einem treibenden Old-School-Beat, baute Film- und Gitarren-Samples in Strophe und Refrain … und fertig war das bis heute unerreichte, schmissige Crossover-Kunststück, mit dem damals die Straßen von Kapitalisten, Spießbürgern und Bullen zurückerobert werden sollten: „Die Fußgängerzone ist mein Revier… und auf Tempo 30 scheiß ich…“. Dazu lief der Pop-Appeal des Songs aus „Ohren, Mund und Nase“.
WeiterlesenGoat Girl – Below The Waste – Rough Trade 2024
Von Guido Dörheide (10.07.2024)
Below the waist – Unterhalb der Gürtellinie also gewissermaßen – aha, okay. Ach nee – „Below The Waste“, also unterhalb des Mülls, darauf bezieht sich also der Titel des dritten Albums von Goat Girl. Einer 2016 in London gegründeten Indie-Band, die ausschließlich aus Frauen besteht. Und sich nach einer Mischung aus Elastica, den Breeders und The Fall, für die Goat Girl auf deren letzter Tour vor dem Tod von Mark E. Smith die Vorband waren, anhört – also keine Frage, da muss ich mal reinhören. Und ich stamme ja selber aus einer sogenannten Ziegenstadt und daher interessiert mich Goat Girl schon alleine deswegen.
WeiterlesenLouise Patricia Crane – Netherworld – Peculiar Doll Records 2024
Von Matthias Bosenick (10.07.2024)
Das Solo-Debüt „Deep Blue“ war vor vier Jahren bereits umwerfend, der Nachfolger „Netherworld“ ist dem mindestens ebenbürtig: Folklore und progressive Rockmusik sind nicht mehr nur Anteil, sondern stehen im Fokus der Kompositionen, die Louise Patricia Crane hier umsetzt. Flöten, Geigen, ausufernde, epische Songs, gefühlvoll und ganz und gar ungruftig, da lässt sich die Nordirin nicht festlegen, trotz ihres vorausgegangenen Einsatzes als Gast bei The Eden House, der Trip-Goth-Band von Ex-Leuten der Fields Of The Nephilim. Das hier ist anders, und das ist auch begrüßenswert gut so.
Alcest – Les Chants De L’Aurore – Nuclear Blast Records 2024
Von Guido Dörheide (09.07.2024)
Ich bin ja irgendwie immer so ein Spätentdeckender, wenn es um gute Musik geht. Und so wurde ich auf Alcest erst 2019 anlässlich der Veröffentlichung von „Spiritual Instinct“ aufmerksam, also im 20. Jahr des Bandbestehens. Da hätte ich gerne damals was drüber geschrieben, was allerdings bis jetzt, zum Erscheinen von „Les Chants De L’Aurore“ (Hihi, jetzt hätte ich beinahe „Les Chats“ geschrieben, und Odin, Lilli und Fritz sitzen grinsend in der Ecke. Grinsekatzen.) warten musste, weil ich damals Dringenderes, wenn auch nicht Sinnvolleres zu tun hatte. Aber Wurscht, et kütt, wie et kütt, und auch die Chants von Aurora nehmen mich nicht minder gefangen als wie weiland der spirituelle Instinkt. Alcest bestehen vorwiegend aus Schnee, nee ohne Scheiß, ihr Gründer und einzigstes Dauermitglied Stéphane Paut nennt sich allen Ernstes „Neige“, und das nicht, weil ihm die Einfälle für neue Songs irgendwann mal zur Neige gehen, sondern weil das das französische Wort für „Schnee“ ist.
WeiterlesenPatrick Siegfried Zimmer – Memories XXI-XXX – PSZ Recordings 2024
Von Matthias Bosenick (08.07.2024)
Air nun wieder! Watteweich und einkuschelnd setzt der Universalkünstler Patrick Siegfried Zimmer, einst als finn., nur echt mit Punkt und kleingeschrieben, die Musikwelt aufwirbelnd, seine 2018 begonnene autobiographisch motivierte Album-Reihe „Memories“ mit den Kapiteln „XXI-XXX“ fort. Auf diesen handelt er eigene Tagebucheinträge balladesk auf Klavierbasis ab und umpuschelt sie mit Chören, Streichern, großen Gesten und der Vermeidung von Kitsch. Melancholisch und dennoch heilsam ist der Genuss dieses Albums, keine schlechte Medikation in ungestümen Zeiten.