Slime – Zwei – Slime Tonträger/Hulk Räckorz 2022

Von Guido Dörheide (10.08.2022)

Keine andere Band hat dem deutschen Punkrock so ihren Stempel aufgedrückt wie Slime in den 1980er Jahren. „Deutschland“, „Polizei/SA/SS“, „Bullenschweine“, „Linke Spießer“, „Störtebeker“ waren Statements gegen den damaligen Zustand der Republik und setzten in etwas roherer Sprache fort, was Ton Steine Scherben einst begonnen hatten. Gleich vorab muss ich klarstellen, dass ich – nicht nur, weil ich seit eh und je von unserem Staat überaus angemessen alimentiert werde – unsere Republik im Großen und Ganzen sehr in Ordnung finde und großes Vertrauen in die Stabilität unserer FDGO habe, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was unsere Regierenden den ganzen Tag so treiben.

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La Muerte – Headhunter – COP International 2022

Von Matthias Bosenick (10.08.2022)

Was ist der Remix einer Coverversion? Und dann noch: das Industrial-Rock-Cover eines EBM-Klassikers, das die Remixer wieder zurück ins Elektronische mixen? Hätten sie da nicht gleich das 1988er-Original remixen können? Vielleicht ja auch nicht dürfen – wer weiß? La Muerte, brachiales belgisches Underground-Rock-Urgestein, brachten 2017 zum Record Store Day ihre Version des Front-242-Floorfillers „Headhunter“ auf blutrotem Vinyl heraus – und jetzt neu als Quasi-Album mit eigenen Bonustracks und eben Remixen sowie mit nur einer Auslassung zur Tracklist der Original-12“. So heavy angerockt überzeugt der Hit sehr, kann man bringen, und auch die Eigenkompositionen von La Muerte machen neugierig auf den Rest des seit fast 30 Jahren angehäuften Opus‘. Remixe von Headhunter indes gibt es bereits unzählige, das nutzt sich etwas ab, wenngleich die Vorlage dieses Mal für andere Basissounds und unerwartete Ergebnisse sorgt. Front 242 selbst sind übrigens partiell und anteilig ebenfalls beteiligt.

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Imperial Triumphant – Spirit Of Ecstasy – Century Media 2022

Von Guido Dörheide (10.08.2022)

Ich mag Metal, auch und vor allem Extreme Metal, und ich mag Jazz. Wen also nimmt es wunder, dass mich Imperial Triumphant seit einiger Zeit tüchtig in ihren Bann schlagen? Oder ziehen? Prügeln? Die Kolleg:innen von metalinjection.net bringen es auf jeden Fall auf den Punkt: Rockmusiker spielen vier Akkorde für viertausend Leute, während Jazzmusiker viertausend Akkorde für vier Leute spielen. Imperial Triumphant machen eigentlich dasselbe, nur umgekehrt und für beide Arten von Publikum. Wenn man nun erreichen will, dass Imperial Triumphant auch endlich die Massen erreichen, müsste man nur die Gaststars aufzählen, die auf „Spirit Of Ecstasy“ versammelt sind: Allen voran Kenny G am Saxophon auf „Merkurius Gilded“, von seinem Sohn Max Gorelick an der Gitarre begleitet, außerdem sind unter anderem Alex Skolnick von Testament, Trey Spruance (u.a. Mr. Bungle) und Snake von Voivod mit von der Partie. Trotzdem kommt da nichts Eingängiges oder Massenkompatibles bei raus, sonder eher Erschreckendes/Verstörendes – vor allem Großartiges.

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Mordsgeschichten auf der Oker – Lesung mit Hardy Crueger am 05. August 2022 – Eine Nachlese

Von Guido Dörheide (05.08.2022)

Vor vielen Wochen haben wir an dieser Stelle über den anstehenden Beginn der diesjährigen „Mordsgeschichten auf der Oker“-Saison berichtet. Da es sämtlichen Regeln der Redlichkeitskultur zuwiderläuft, über etwas zu berichten, das man noch nie miterlebt hat, habe ich mich einem Selbstversuch unterzogen und mittels empirischer Studie herauszufinden versucht, ob sich eine Teilnahme an dieser Veranstaltungsreihe lohnt. Für das Experiment habe ich mir den Termin am Freitag, den 05. August, mit Hardy Crueger, dessen Werk ich ansatzweise kenne und begeistert feiere, ausgeguckt und bei einer lieben Freundin um Unterstützung angefragt, die am Freitag bereits mit ihrer besten Freundin verabredet war und diese kurzerhand zum Mitkommen bewegen konnte, worüber ich mich unheimlich gefreut habe.

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Ghost:Whale – Echo:One – P.O.G.O. Records 2022

Von Matthias Bosenick (08.08.2022)

Das Album atmet langsam, aber es klingt angenehm ungesund: „Echo:One“ ist das Debüt der frisch gegründeten belgischen Stoner-Doom-Band mit dem vergnüglichen Namen Ghost:Whale. Mit der Eigenschubladisierung nimmt es das Brüsseler Trio nicht so genau, das macht die Musik so interessant; mit einem Schlagzeug und zwei Bässen, also ohne Gitarren, ist die Kategorisierung auch nicht so einfach, und viele der Einflüsse auf diesem Album resultieren aus dem, was einige der Musiker mit ihren vorherigen Bands so trieben: Industrial, Punk, Sludge – und Noise. Wer in seinem trocken verfuzzten Gemalme ein Saxophon unterbringt, stößt sowieso auf offene Ohren. Monotonie, Wiederholung, Geräusche – ein Tiefenrausch!

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The Mission – Live auf dem M‘era Luna, Hildesheim, am 06.08.2022

Von Guido Dörheide (06.08.2022)

M‘era Luna? Das neben dem WGT in Leipzig größte Wave-Gotik-Treffen, auf dem Hildesheimer Flugplatz? Da ich zu zeitgenössischem Wave/Gothic/etc. sowie zur Neuen Deutschen Härte keinen Zugang finde, dachte ich immer: „M‘era Luna? Hömma bloß auf!“ – „Hömma bloß auf Deinen Freund Daniel, den Gärtner“, sagte mir dann aber in der letzten Woche eine innere Stimme, als dieser mir ans Herz legte, da heuer mal für einen Tag hinzufahren, und sei es nur, um T-Shirts zu kaufen. Las im Internet das Line-up, entdeckte The Mission und Nitzer Ebb im Samstagabendprogramm und sagte begeistert zu. Also beluden wir das kleine rote Auto am Samstagmorgen mit Spezereien vom örtlichen Höker und fuhren durch ein babylonisches Labyrinth an Umleitungen gen HI-Drispenstedt. Dortselbst erleben wir eine perfekt organisierte Parkplatzlandschaft; die hochmotivierten und supernetten Einweiser:innen sorgen dafür, dass Tagesbesucher:innen nicht durch Zweitagesbesucher:innen zugeparkt werden können und jeder in Sekundenschnelle einen adäquaten Stellplatz für sein Vehikel findet. Der Zugang zum Gelände gelingt ebenfalls schnell und reibungslos, daher geht es hier nun los mit dem ersten Kapitel meiner Berichterstattung vom Mission-Konzert in Hildesheim (unter Auslassung der Bands, die ich nicht gesehen habe):

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The Smile – A Light For Attracting Attention – XL Recordings 2022

Von Matthias Bosenick (04.08.2022)

Was machen Radiohead heute? Pause irgendwie, mit „Kid A Mnesia“ auch mal Resteverwertung, seit sechs Jahren oder so. Dafür bauen Sänger Thom Yorke und Gitarrist Jonny Greenwood mit dem ausgeborgten Schlagzeuger Tom Skinner eben ein neues Projekt, um auch in der Pandemie ihre Version von progressiv-verschachtelter Electro-Rockmusik fortzusetzen. The Smile nennt sich das Trio und unterscheidet sich nicht so wesentlich vom Mutterschiff. Nach all den Jahren versteht man beim Durchhören von „A Light For Attracting Attention“ auch diejenigen, die Radiohead wegen des Gejammers nicht ertragen: Yorke kann das aber auch sehr. So richtig wert ist The Smile das Bohei nicht, das darum gemacht wird. Solide Arbeit, die in Details anstrengt, weil sie nervt. Mehr Rock wäre schön gewesen, so ist es streckenweise ermüdend – leider.

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Roji – Dual Gaia – Schneider Collaborations 2022

Von Matthias Bosenick (01.08.2022)

Noise? Avantgarde? Oder doch schlicht und einfach Jazz? Zum dritten Mal kam das Projekt Roji („Taubedeckter Boden“ auf Japanisch) zusammen, um ein Album einzuimprovisieren, mit Schlagzeug, Bass, Synthies, Saxophon und Trompete, also klassisch – nun: weder Rock noch Jazz, und das trifft auch auf die Musik zu, die ist komplett eigen. Und ein weiterer Beleg dafür, dass Schönheit auch im vermeintlich Unhörbaren liegen kann: „Dual Gaia“ ist arhythmisch, kakophonisch und in allen Aspekten ungewöhnlich – aber nicht stressig, lärmig, wenngleich sicherlich für ungeübte Hörende anstrengend. Miles Davis und John Coltrane hätten sicherlich ihre Freude daran, mitzuerleben, welche Haken man auf ihrem eingeschlagenen Pfad so schlagen kann, ausgehend von Hückelhoven.

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