Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: I don’t want to change the world. I’m not looking for a new England.

Von Onkel Rosebud

… I′m just looking for another girl. Der hypothetisch formulierte Refrain vom Song „A New England“ stimmt natürlich nicht. Die Welt verändern, ein neues, besseres England möchte Billy Bragg (*20. Dezember 1957 in Barking als Stephen William Bragg) nämlich sehr wohl. His Braggness ist ein britischer Sänger, Songschreiber und Gitarrist. Seine eloquenten Texte und sein sozialistisches Gebaren machten ihn zu einer wichtigen Figur englischer Subkultur der 1980er Jahre. Inspiriert vom Folk-Rock von Simon & Garfunkel und Bob Dylan, begann Billy Bragg bereits als Teenager, Musik zu machen. Die Energie von Punk inspirierte ihn zu minimalistischen, technisch unsauber vorgetragenen, oft politischen Songs. Sein größter Hit ist „A New England“. Man muss zwar zugeben, dass sich seine Gitarrenkünste in Grenzen halten, aber seine Texte sind voller Ärgernis und Stichelei gegen die Obrigkeit.

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Mark Pritchard & Thom Yorke – Tall Tales – Warp Records 2025

Von Matthias Bosenick (04.06.2025)

So richtig klar wird nicht, warum Mark Pritchard und Thom Yorke einander brauchten, um „Tall Tales“ zu erstellen. Die Erwartungen an dieses gemeinsame Album sind hoch, zumal es beim IDM-Label Warp erscheint, aber die zwölf in der Coronazeit per Email entstandenen Tracks hätte jeder von beiden auch allein hinbekommen. Yorkes Wimmern und Pritchards sphärische Ambientsounds lassen jedenfalls beim Hören eher die Schultern als die Seele zucken. Es gibt auch Konturen auf diesem Album, und die sind dann auch ganz attraktiv, aber ohne Wumms, und man behält es allein deshalb nicht als Offenbarung im Hinterkopf.

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Turtle Skull – Being Here – Art As Catharsis/Copper Feast Records 2025

Von Matthias Bosenick (04.06.2025)

„Being Here“ ist im Falle des so betitelten zweiten Albums der australischen Band Turtle Skull weder räumlich noch zeitlich zu verstehen: Die Mucke ist komplett retro und bedient sich bei Psychedelic, Stoner und Harmonie-Pop aus San Francisco, der kalifornischen Wüste und dem England der Sechziger bis Neunziger. Aus diesen Ingredienzien zaubert das Quartett mit Fuzz, Wahwah und Harmoniegesang ein fettes Brett, das es zusehends zugunsten des umnebelten Eskapismus‘ ausdünnt – und die Hörerschaft trotzdem in den dichtestmöglichen Nebel entlässt. Ein Trip!

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The Soundbyte – Still Quiet – Voices Of Wonder 2025

Von Matthias Bosenick (03.06.2025)

Eigentlich ist The Soundbyte das Soloprojekt von Trond Engum aus Trondheim, bekannt als Gitarrist der einstigen Doom-Metal-Band The 3rd And The Mortal. Seinen Seitenarm hob er vor über 20 Jahren aus der Taufe und kredenzt mit „Still Quiet“ ein mit stapelweise Gästen eingespieltes opulentes neues Werk zwischen Härte und Ambient, zwischen Kakophonie und Drama. Die Schublade Metal würde man dafür, anders als der Musiker selbst, eher nicht ziehen, experimentell wiederum kann man durchaus gelten lassen.

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Jisei & LabLase – Retour vers No Future – Cold Smoke Records 2025

Von Matthias Bosenick (03.06.2025)

Die Ausgangslage ist noch interessanter, als sie beim ersten Auftreten erscheint: „Retour vers No Future“ ist die Zusammenarbeit von einem Synthwaver und einem Rapper, beide aus der Schweiz. Spannend genug, geht es hinter den Kulissen noch spannender weiter: Jener Rapper nennt sich LabLase und heißt eigentlich Baptiste Morisod, als jener trat er gelegentlich schauspielerisch in Erscheinung, etwa in der Serie „Helvetica“. Der Synthieproduzent nennt sich Jisei, heißt eigentlich Bertrand Pot und ist Gitarrist der Sludge-Metal-Band Herod. Auf der gemeinsamen EP nun hört man einen Sprechsänger, der seinen auf Französisch gehaltenen Flow zu düsteren Electro-Flächen mit minimalistischen Beats ausrollt.

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Funeral Baptism – In Solitude – Loud Rage Music 2025

Von Matthias Bosenick (02.06.2025)

Der Bandname ist schon mal ganz geil: Funeral Baptism, Ende und Anfang in einem Ritual. Wer seine Band so nennt, macht bestimmt keine Gute-Laune-Musik, und hört man „In Solitude“, das zweite Album jener Band aus Bukarest, findet man sich bestätigt. Black und Death Metal gehen hier eine formschöne Allianz ein, die bei aller erfreulicher Brutalität den nötigen Raum für Schönheit lässt.

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Spezial: impro@aulnay – Zwei Veröffentlichungen – Bandcamp 2025

Von Matthias Bosenick (30.05.2025)

Folgt man dem Improvisations-Gitarristen Michel Kristof aus Paris virtuell, bekommt man stapelweise Aufnahmen von mitgeschnittenen Free-Jazz-Impro-Abenden, die in Aulnay Sous Bois stattfanden. Dabei handelt es sich um eine Stadt im erweiterten Bebauungsgürtel von Paris. Auf Youtube sieht es aus wie bei einem der Musizierenden zu Hause, und da Kristof die feste Größe in der Zusammensetzung der Akteure ist, kann man davon ausgehen, dass man im Hintergrund auf seine Plattensammlung blickt. Zweitfesteste Größe ist Schlagzeuger Makoto Sato, der auch auf den folgenden beiden Aufnahmen zu hören ist, die es beide als name your price bei Bandcamp zu finden gibt.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Warum Elbow die besseren Coldplay sind

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat die These, dass Coldplay aufgehört haben, Musik zu machen. Lalala „Moon Music“ (Parlophone) Lalala, das zehnte Studioalbum von Chris Martin & Co aus dem Jahr 2024 ist nicht mal Fahrstuhlmusik. Wahrscheinlich muss die Band irgendeinen Label-Knebel-Vertrag erfüllen, um vor allem viel Geld zu verdienen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Band, die einst im Alternativ-Umfeld mit melancholischen, introspektiven Sounds („Parachutes“ und „A Rush Of Blood To The Head“) begann, sich dann aber mit fröhlich- schnulzigem Pop Richtung Massengeschmack entwickelte. Seitdem ist jede neue Coldplay-Platte wie ein Besuch beim Proktologen: Meine Freundin weiß, dass es weh tun wird, muss aber trotzdem reinhören. Ihrer Meinung nach hat das schleichende Ende der Beliebigkeit des kreativen Outputs der Band mit der Beziehung von Chris Martin zu Gwyneth Paltrow zu tun.

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Mark Springer/Neil Tennant/Sacconi String Quartet – Sleep Of Reason – Sub Rosa 2025

Von Matthias Bosenick (28.05.2025)

„El sueño de la razón produce monstruos“ ist die Nummer 43 des achtzigblättrigen satirischen Zyklus‘ „Los Caprichos“ aus Aquatinta und klassischer Radiertechnik, mit dem Francisco de Goya zum Ende des 18. Jahrhunderts seine gesellschaftskritische Sicht der Welt darlegte. Dieses Blatt griffen Neil Tennant, seit über 40 Jahren Sänger des Synthiepop-Duos Pet Shop Boys, und Mark Springer, bis vor 40 Jahren Mitglied der Experimental-Popband Rip Rig + Panic, der auch Neneh Cherry angehörte, auf und komponierten das dreiteilige Stück „Sleep Of Reason“ drumherum. Für den ersten Teil verfasste Tennant Texte, jenen und den zweiten begleitet das Sacconi String Quartet, den dritten performt der Komponist solo am Piano. Das Ergebnis: viel Kopf, wenig Herz, reichlich artifiziell und spröde. Aber was weiß denn schon jemand, der von Klassik keine Ahnung hat.

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Markus Reuter feat. Fabio Trentini and Asaf Sirkis – Truce <3 – Iapetus Media 2025

Von Matthias Bosenick (27.05.2025)

Das glaubt man gar nicht: Dieses Jazz-Rock-Fusion-Album mit dem herzigen Titel „Truce <3“ entstand ohne kompositorische Vorarbeit, schlichtweg aus dem heraus, was die drei Musikanten Markus Reuter an der E-Gitarre, Fabio Trentini am Fretless Bass und Asaf Sirkis am Schlagzeug miteinander im Studio generierten. Wenn man Leute zusammenschiebt, die etwas auf dem Kasten haben, klingt das Ergebnis nicht nur so, als wäre es beabsichtigt gewesen, sondern auch noch überraschend zugänglich, eingängig bald, trotz der herausfordernden experimentellen Anteile. Die können einfach was, und sei es auch nur, sich im geeigneten Moment zurückzuhalten.

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