David Bowie – ★ (Blackstar) – Smi Col/Sony 2016

Von Matthias Bosenick (21.01.2016)

Bereits am 8. Januar stehen Song und Album des Jahres 2016 fest: Beides ist „Blackstar“ von David Bowie. Damit machte er sich und dem Rest der Welt ein schwer zu übertreffendes Geschenk. Außer ihm selbst wusste wohl niemand, dass es das letzte gewesen sein sollte; zwei Tage später war der nun Neunundsechzigjährige tot. Was für ein Abgang: So unkonventionell wie auf „Blackstar“ sind oft nicht mal seine jungen Epigonen. Mit dem Wissen um Bowies Ende mag man eine Todesahnung aus der Musik heraushören. Auch ohne ist „Blackstar“ ein Blick in die Zukunft, die wir nun nicht mehr erleben dürfen: Bowie pfeift auf Erwartungen und macht, worauf er Bock hat. Damit übertrifft „Blackstar“ den etwas gefälligen und fast langweiligen Vorgänger „The Next Day“ und ein Vielfaches. So hätte es weitergehen dürfen. Darf es aber nicht. Leider.

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Hante. – Her Fall And Rise – Stellar Kinematics 2014

Von Olaf Maibaum (09.01.2016)

Musik mit minimalen Einsatz kann auch gut klingen. So beginnt die LP „Her Fall and Raise“ von Hante mit einem einfachen Sägezahn, welcher mit einem Filter in einen wohlklingenden warmen Bass verwandelt wird. Dieser trägt für den Rest des Stücks „Falling from Grace“ die Grundmelodie, zu der sich Schritt um Schritt die Rhythmus-Elemente hinzufügen, bevor der mit Hall versetzte Gesang von Hélène de Thoury einsetzt. Hélène bleibt dabei in ihrem Solo-Projekt ihrer musikalischen Linie aus ihrem anderen Projekt Minuit Machine treu, sehr gut tanzbaren Dark Wave und Minimal, die ihren Synthesizer und Rythmus-Maschine entlockt werden.

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!!! – As If – Warp/Rough Trade 2015

Von Matthias Bosenick (21.10.2015)

Diese Entwicklung war fast abzusehen: !!! wandeln sich von der experimentellen handgespielten Progressiv-Tanzkapelle zum – Danceact. Das Elektronische zog bereits vor elf Jahren auf dem zweiten Album „Louden Up Now“ pointiert in den Sound ein und eroberte sich bis zum nunmehr sechsten Album „As If“ fast den gesamten Raum. Sicherlich agieren die New Yorker immer noch auf recht hohem Niveau, verzichten aber in voller Laufzeit des Albums auf viele ihrer Alleinstellungsmerkmale. Was sehr bedauerlich ist.

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The Grand Astoria – The Mighty Few – Vincebus Eruptum 2015

Von Matthias Bosenick (12.10.2015)

Die einzige Möglichkeit, in diesen Tagen noch etwas Neues zu generieren, besteht darin, Altes neu zu verknüpfen. An diese Weisheit halten sich The Grand Astoria aus St. Petersburg, deren jüngstes Zwei-Track-Album dank des italienischen Psychedelic-Labels Vincebus Eruptum jetzt auch auf Vinyl erscheint, lustigerweise mit drei Tracks, aber dazu später mehr. Und wenn heutzutage Sachen vermengt werden, kommt meistens etwas dabei heraus, das sich grob als progressiv einsortieren lässt. Psychedelik und Progressivität wachsen eben auf derselben Seite des Stammbaums. Hier findet sich also grob gesagt aus Loops zusammengefügte schleppende Rockmusik, versetzt mit Irish Folk, Sludge, Classic Rock, Stoner, Jazz und vielem mehr. Der Band gelingt nun das kleine Kunststück, diese Elemente nicht wie Bauklötze nebeneinander aufzureihen, sondern sie schlüssig flüssig zu ineinanderfließen zu lassen.

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Müller & die Platemeiercombo – Castafiore – Bauchpfannen Aufnahmen 2015

Von Matthias Bosenick (10.09.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Endlich. Endlich!!! Das wurde aber auch Zeit. Vier Jahre nach „Von Müßiggängern und anderen Taugenichtsen“ kommt mit „Castafiore“ endlich das Album, dessen älteste Songs die Band schon während der Aufnahmen zum Vorgänger live spielte. Ganze zwei, drei Lieder dieses Dutzends kennt der Rezensent nicht bereits von Auftritten, den Rest kann er auswendig mitsingen; die Vorfreude auf die Studioversionen war riesig, die Freude über sie ist es ebenfalls. Das Album macht einen Schritt voraus und einen zurück: Thematisch ist es nicht mehr so homogen und durchgehend ernsthaft wie der Vorgänger, sondern wagt auch manchen Rückgriff auf den alten Müller-Humor; gleichzeitig vertieft Müller in anderen Songs seine inhaltliche Seriosität, oft in Bezug auf Beziehungskonzepte und wie sie sich auf diejenigen auswirken, die sich auf sie einlassen. Und auch in einen vordergründigen Scherz steckt Müller immer etwas Hintergründiges. Nicht zuletzt überzeugt das Quartett wie immer auch musikalisch: Zwar ist der 50er-Schlager-Bossa-Sound etwas beiseite gerückt, dafür wagt die Band hier auch mal mitreißende Discorhythmen und lässt dem ausufernden Rock mehr Raum. Alles auf so hohem Niveau, dass die leicht in Schieflage eingestreuten Elemente das nahezu perfekte Ergebnis nur umso fester am Boden verankern.

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Myrkur – M – Relapse Records 2015

Von Matthias Bosenick (31.08.2015)

Wie es klänge, wenn Loreena McKennitt einmal Black Metal machen würde, zeigt „M“ von Myrkur. Nach ihrem selbstbetitelten und -gebastelten Debüt ist es einigermaßen überraschend, dass Amalie Bruun ihrem Experiment tatsächlich ein weiteres Album folgen lässt. Offenbar hat die dem Poprock entsprungene Dänin mächtig Geschmack am Gebolze gefunden. Sie macht es aber erfreulich anders als andere: Choralgesänge, mittelalterliche Melodien und Klavierpassagen sind in ihrer Version von Black Metal normal. Das verärgert die Puristen, die sich auf die Schrei-und-Bolz-Stücke stürzen und den Rest negieren. Sollen sie. Haben wir Nicht-Puristen eben auch mal Black Metal, der uns gefällt.

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Meat Beat Manifesto – Kasm 2.2 – Skam 2015

Von Matthias Bosenick (19.07.2015)

Nicht nur die plötzliche Hintenrum-Veröffentlichung an sich ist eine unerwartete Überraschung, schließlich liegt das letzte Lebenszeichen von Meat Beat Manifesto, die „Test EP“, schon drei Jahre zurück; auch inhaltlich erstaunt es: „Kasm 2.2“ bietet rein elektronische Frickelbeats, die nahezu melodielos und recht entspannt die Beinmuskulatur stimulieren, mit den üblichen Atmosphären, die man von MBM-Kopf Jack Dangers kennt. Also keine Jazzexperimente mehr, kein Live-Schlagzeug, keine basslastigen Breakbeat- und Dubstep-Ausflüge. IDM in Reinkultur – kein Wunder, stellt doch Skam eines der führenden IDM-Labels schlechthin dar und etabliert jenes mit Kasm zurzeit ein neues 10“-Sublabel.

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Automat – Plusminus; Automat & Max Loderbauer – Selekt 01 – Bureau B 2015

Von Matthias Bosenick (13.07.2015)

Das ist Sommermusik für Erwachsene. Für Leute, die bereits erfahren haben, dass das Leben aus einem schweren Bisschen mehr besteht als in stylishen Restklamotten gechillt am Strand rumzuhängen, klebrige In-Cocktails und andere Bewusstseinsmanipulatoren in sich reinzukippen und den nächsten Nachtabschnittsbegleiter für sich klar zu machen. Auch gute Laune kann schwarz sein, auch die Dunkelheit kann strahlen: Automat machen Dub in einem reichlich weiten Sinne. Ihre Musik beschallt die Party danach, für die Gäste, die erst dann zu feiern beginnen, nachdem die Hedonisten dumpf in den Vulkan gekippt sind. Wer dann nämlich noch übrig ist, tanzt zum Automat’schen Postapokalypse-Reggae.

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Faith No More – Sol Invictus – Reclamation! Records/Ipecac 2015; Tētēma – Geocidal – Ipecac 2015

Von Matthias Bosenick (25.06.2015)

Faith No More sind ohne Jim Martin einfach nicht mehr Faith No More. Die Crossoverpioniere verkrafteten den Wechsel von Chuck Mosley zu Mike Patton am Mikro deutlich besser als den von Jim Martin zu wem auch immer an der Gitarre. Der jetzige spielt einfach nur Gitarre, Jim Martin hatte Seele, Fläche, Atmosphäre, Charakter, einen eigenen Sound, egal, ob bei Pop, Funk oder Death Metal. Da war selbst Pattons Seitenprojekt Tomahawk bisweilen dichter an den klassischen Faith No More, als die es nach Martins Ausstieg waren. Und nach 18 Jahren Pause nun wieder sind. Da es einigermaßen offenbar ist, dass trotz einer Leadsingle mit dem Antititel „Motherfucker“ natürlich vorrangig kommerzielle Beweggründe zu „Sol Invictus“ (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen nationalsatanistischen Band) führten, und nicht eben kreative, bringt Mike Patton nahezu parallel mit „Geocidal“ ein sehr gegensätzliches, höchst experimentelles Album mit seinem neuen Freejazz-Projekt Tētēma heraus. Beides zusammen wäre vermutlich ein richtig geiles Album.

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Violent Femmes – Happy New Year – Add It Up Productions 2015

Von Matthias Bosenick (04.06.2015)

Schon wieder eine Reunion! Das Akustik-Depri-Folk-Party-Punk-Trio Violent Femmes aus Milwaukee beehrt die Menschheit 15 Jahre nach ihrem bis dato letzten Album mit einer neuen Vinyl-12“, veröffentlicht Ende April zum Record Store Day und betitelt nach dem Jahreswechsel, an den zum VÖ-Zeitpunkt niemand mehr oder noch niemand wieder denken mag. Mit an Bord sind erneut die Horns Of Dilemma, die bei aller Teenage-Angst-Schwermut schon immer für die musikalischen Pointen im Oeuvre der Gewalttätigen Weichlinge sorgten. Das Ergebnis sind 13 Minuten Akustik-Depri-Folk-Party-Punk in alter Manier und mit neuem humorvollen Ernst. Damit ist diese Reunion zumindest nicht überflüssig.

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