Von Matthias Bosenick (27.10.2025)
Das hier geht kurz vor Ablauf noch in Richtung Album des Jahres: Mit ihrem dritten Album „Lykke“ verleihen Sunken aus Århus dem atmosphärischen Post-Black-Metal nochmal ein Krönchen mit neuem Glanz. Sie strecken das Epische, rauhen das Weiche mit Brutalität an und errichten dennoch einen Wohlfühlraum, in den man sich liebend gern zurückzieht. Das Geschrei dazu erinnert daran, dass draußen die Apokalypse tobt, aber hier drinnen rotiert alles zu einem gewaltigen Safe Space zusammen. Und weil etwas Neues im Vertrauten ja Horizonte erweitern kann, bauen Sunken hier Bläser und Orchester ein. Eine Großtat! Und: „Glück“.
Na klar, Blast Beats, flächige Gitarren, Dunkelheit, Geschrei, es ist alles drin, was man vom modernen Black Metal kennt, und doch überraschen Sunken in der Anordnung der Einzelteile. Den dem Genre inneliegenden brutalen Lärm kanalisieren Sunken in Harmonie, und noch während man diese vier überlangen Tracks wirken lässt, versucht man vergeblich, herauszufinden, warum das, was regulär für depressives Unwohlsein zu sorgen in der Lage ist, hier zusätzlich so ein warmes, herzliches Empfinden auslöst. Woher kommt hier das Positive in diesem an sich negativen Genre?
Man muss natürlich schon einiges an Hörerfahrung mitbringen, um diesen Orkan als positiv empfinden zu können. Auch Sunken wissen, wie man mit Gitarre, Bass, Schlagzeug den Knüppel schwingt, und das vollführen sie hier auch. Wie im Black Metal üblich natürlich nicht riffbasiert, sondern auf Langstrecke und mit dem gebührenden Tempo. Jedoch eben mit der Extraration wohliger Wattigkeit, in die die Band das Brutale bettet oder als Pole gegenüberstellt.
„Din røst malede farver i luften“ hat inmitten des schönen Herbststurms plötzlich Bläser zu bieten, und man wundert sich, dass man davon nicht negativ verschreckt ist oder sich schräg angekumpelt fühlt, sondern dass die Sounds der flirrenden Gitarren und der Blechblasinstrumente so extremst gut miteinander harmonieren. „Deine Stimme malte Farben in die Luft“ entspricht zudem nicht eben den erwartbaren Black-Metal-Themen. „Og det er lykke“ beginnt orchestral und mausert sich noch zu einem Post-Black-Metal-Brocken, und sobald die Instrumentalisten ihre Vorliebe für träumerischen Post Rock wie von Sigur Rós ausleben, schreit der Sänger dazu wie wahnsinnig herum, und auch das passt nicht nur bestens zusammen, sondern man wundert sich, dass man dieses gequälte Geschrei inmitten dieser schönen Musik auch noch für ästhetisch hält. „Und das ist Glück“!
Als beinahe konventionellsten Track könnte man „Glædesfærd“ auffassen, das das Epische des atmosphärischen Black Metals, nun, episch ausspielt, indem es Flächen ausrollt, aber eben das geschieht hier kombiniert mit der Schönheit des Post Rock, indem Gebolze, Geschrei und Harmonie miteinander losbrettern. Und in eine Art warmen Chanson übergehen, die dieses Stück wahrhaftig zu einer „Vergnügungsfahrt“ machen. Aber das dicke Ende kommt noch: „Når livet går på hæld“, „Wenn das Leben untergeht“, beginnt schleppend wie Doom und flirrend wie Post Rock, dazu mit dem inzwischen vertrauten Geschrei. Wie zuvor auch schon, verändert sich die Atmosphäre schleichend, eine melodiöse Ballade verdrängt das Brachiale, während das Flirren und das Schreien bleiben. Diese Energie bläst einen um, obwohl sie bei Lichte betrachtet nicht heavy ist. Und während sich die Band ins Epische gniedelt, übernimmt plötzlich ein fuckin‘ Orchester die Harmonien und führt sie gemeinsam fort. Verdammte Axt, was schlimmster Kitsch werden könnte, ist einfach nur passend, geht Hand in Hand, ist eine logische Fortführung. So geht das Leben aber angenehm unter.
„Lykke“ ist das dritte Album von Sunken, pandemiebedingt erschienen satte fünf Jahre nach dem Vorgänger „Livslede“, auf dem die Band textlich vom Englischen ins Dänische gewechselt hatte. Zwischenzeitig kam es zudem zu einigen Umbesetzungen, zur 2012 als Arescet gegründeten Band gehören heute: Die zwei Gitarristen Simon Skotte Krogh und Alexander Salling, Sänger Martin Skyum Thomasen, Bassist Jonas Faghtmann und Schlagzeuger Joachim Højer Larsen. Waren „Departure“ und „Livslede“ bereits exorbitante Besonderheiten im Black Metal, setzt „Lykke“ dieser Position von Sunken noch eins drauf. Und das in buntem Vinyl!
