Der Weg einer Freiheit – Finisterre – Season Of Mist 2017

Von Matthias Bosenick (19.09.2017)

Es ist fast ein innerer Zwang, der einen dazu treibt, „Finisterre“ immer und immer wieder zu hören. Der Weg einer Freiheit schlagen einen anderen Weg im modernen Black Metal ein als die Blackgazer: Bei ihnen dominiert die Härte über die reine Soundfläche, „Finisterre“ geht unablässig mitten ins Gesicht. Die Kunst besteht darin, trotzdem atmosphärisch, melodiös und progressiv zu sein. Es gibt also nett in die Fresse. Auch, wenn‘s ums Ende der Welt geht.

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F.S.K. – Ein Haufen Scheiss und ein zertrümmertes Klavier – Martin Hossbach/Kompakt 2017

Von Matthias Bosenick (18.09.2017)

Industrial Free Jazz Indierock Disco Ambient? Das alles in einem dreiviertelstündigen Track, auf zwei LP-Seiten aufgeteilt, servieren F.S.K., die Avantgardeinstitution aus München seit 37 Jahren. Im gemächlichen Midtempo, das zum Kopfnicken eher verführt als zum Abhotten, ackert sich das Quintett entspannt durch einen Querschnitt seiner Möglichkeiten. Wie so oft bei der Avantgarde erstaunt auch hier, wie eingängig das Experiment sein kann.

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Solbrud – Vemod – Vendetta Records 2017

Von Matthias Bosenick (04.09.2017)

Wenn die ersten zweieinhalb Minuten aus dunklem, klaren Gitarrenplingpling bestehen und man sich im Anlauf auf ein Gothic-Album wähnt, wenn die volle Instrumentierung dann das Genregefühl nicht wesentlich verändert, trotz malmendem Sounds, wenn es weitere zwei Minuten braucht, bis endlich das Tempo der Bassdrum anzieht: Dann steckt man mitten im modernen Black Metal und im dritten Album der jungen Dänischen Band Solbrud. Hier geht es nicht um Brutalität der Brutalität wegen, hier geht es um Atmosphären und Groove, ums Fallenlassen und ums Wegdriften. Hier geht man auf im geordneten Lärm. Vier neue Stücke, die Solbruds Größe untermauern.

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The Eden House – Songs For The Broken Ones – Jungle Records 2017

Von Matthias Bosenick (31.08.2017)

Trip Goth! Allein dafür, dass es gelingt, auch im neuen Jahrtausend noch neue schlüssige Genrebezeichnungen zu finden und mit nachvollziehbar abtrennbarem Inhalt zu füllen, gebührt The Eden House aller Respekt. Und dann ist deren Trip Goth auch noch gut, auch auf dem dritten Album in fast zehn Jahren. Sowohl das Trippige als auch das Gothige kommt vom selben Instrument, nämlich vom Bass, und den Rest strickt die Band mit 50 Mitgliedern passend drumherum, nämlich wavige Melodien und Tempi, hymnisch-pathetische Harmonien und ausschließlich weibliche Stimmen. Als Referenz seien hier die Fields Of The Nephilim genannt, und das nicht ohne Grund, spielen die bei The Eden House doch wesentlich mit.

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The Claypool Lennon Delirium – Lime And Limpid Green – ATO Records 2017

Von Matthias Bosenick (25.08.2017)

Die Verknappung einer Veröffentlichung mit einer Wiederveröffentlichung aufheben ist gut, doch diese ebenfalls verknappen ist ein Witz: Die Cover-10“ „Lime And Limpid Green“ brachten Les Claypool und Sean Lennon ursprünglich zum jüngsten Record Store Day heraus und legten sie jetzt für den freien Markt neu auf. Der Unterschied: Das Vinyl ist jetzt transparent mit grünen Splattersprengseln, einige Tippfehler auf der Hülle sind korrigiert. Die Musik: Das psychedelische Duo spielt vier mehr oder weniger psychedelische Standards im eigenen Sound nach. Ist okay, aber weniger Reizvoll als das gemeinsame Album.

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Sqürl – EP#260 – Sacred Bones Records 2017

Von Matthias Bosenick (08.08.2017)

Den Rausch ausleben, nicht ausschlafen! Konturen sind was für Anfänger und Remixer, damit halten sich die drei Musiker inklusive des Regisseurs Jim Jarmusch mal gar nicht auf, jedenfalls nicht in den ersten sechs Minuten dieser EP in Über-„Reign In Blood“-Länge. Es schleift und dröhnt, bevor es dezent zu wummern beginnt. Die Musik ist so dunkel und verrätselt, wie es manche Elemente in Jarmuschs Filmen sind.

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!!! – Shake The Shudder – Warp 2017

Von Matthias Bosenick (29.06.2017)

Was spätestens mit „As If“, dem Vorgängeralbum, leider abzusehen war, bewahrheitet sich auf „Shake The Shudder“: !!! werden synthetisch und geben damit ihr Alleinstellungsmerkmal ab, schweißtreibende Tanzmusik mit der Hand zu spielen. Die Songs auf dem siebten Album sind okay, gelegentlich hört man den typischen Discofunk der Wahl-New-Yorker heraus, doch fehlen die Haken, mit denen sich !!! bis dato ins Ohr bohrten. Not every day is like Yadnus. Trotzdem fließt Schweiß.

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Tamikrest – Kidal – Glitterbeat Records 2017

Von Matthias Bosenick (09.05.2017)

Was wären Tamikrest nur ohne The Velvet Underground? Auf ihrem vierten Album verhehlen die Musiker aus Mali diesen Einfluss nicht, sollte er es denn überhaupt bis zu ihnen in die Wüste geschafft haben. Doch liegt der Schwerpunkt dieser Band wie stets bei ihren Tuareg-Wurzeln, die sie mit westlichem Instrumentarium bearbeitet. Auf „Kidal“ gerät dies etwas weniger druckvoll und kräftig als zuvor; hier gönnen sich Tamikrest mehr Zwischenräume und Reflexion. Und politische Botschaft.

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Fixmer/McCarthy – Chemicals – Sonic Groove 2017

Von Matthias Bosenick (06.04.2017)

Seit neun Jahren kein Album mehr, aber plötzlich die zweite 12“ in zwei Jahren. Der französische Techno-DJ Terence Fixmer und der englische EBM-Shouter (so muss man ihn bezeichnen) Douglas McCarthy von Nitzer Ebb ballern ihren trotzdem verbliebenen Folgenden dieses Mal Drogentanzmusik um die Ohren. Als neuem Output auf nur einen Track konzentriert, ist eher das Bedienen die Aufgabe als das Erweitern; „Chemicals“ ist ein im Sinne des Duos klassischer antiseptisch lärmender Neo-EBM-Track mitten in die Fresse. Auf der so genannten Albumlänge sind sie zwar experimenteller, aber man ist ja schon zufrieden, dass sie überhaupt wieder gemeinsam aktiv sind.

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Under Viewer – Wonders & Monsters, Daniel B. Prothèse – Überlastung – Alfa Matrix 2016/2017

Von Matthias Bosenick (22.03.2017)

Dieser Jean-Luc de Meyer hat aber auch eine geile Stimme. Der veredelt alles, woran er beteiligt ist. Hier nun mit Patrick Codenys an Under Viewer, einem von zwei Projekten, aus denen 1981 Front 242 hervorgingen. Das andere war Prothèse von Daniel Bressanutti. Von beiden gab es keine offiziellen Veröffentlichungen, sieht man von den Demos ab, die das Label Alfa Matrix 2004 zum Rerelease des Front-242-Debüts „Geography“ auf die limitierte Bonus-CD packte. Beide Projekte überarbeiteten ihre Demos und schufen neue Songs, die sie jetzt unter die EBM-Fans bringen – und diese sicherlich eher verstören: Under Viewer ist wunderschöner dunkler minimaler Pop, Prothèse zirpendes Experiment mit Ambient-Schlag, beides also in einem völlig anderen Sinne „Kampfbereit“.

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