The Grand Astoria – The Mighty Few – Vincebus Eruptum 2015

Von Matthias Bosenick (12.10.2015)

Die einzige Möglichkeit, in diesen Tagen noch etwas Neues zu generieren, besteht darin, Altes neu zu verknüpfen. An diese Weisheit halten sich The Grand Astoria aus St. Petersburg, deren jüngstes Zwei-Track-Album dank des italienischen Psychedelic-Labels Vincebus Eruptum jetzt auch auf Vinyl erscheint, lustigerweise mit drei Tracks, aber dazu später mehr. Und wenn heutzutage Sachen vermengt werden, kommt meistens etwas dabei heraus, das sich grob als progressiv einsortieren lässt. Psychedelik und Progressivität wachsen eben auf derselben Seite des Stammbaums. Hier findet sich also grob gesagt aus Loops zusammengefügte schleppende Rockmusik, versetzt mit Irish Folk, Sludge, Classic Rock, Stoner, Jazz und vielem mehr. Der Band gelingt nun das kleine Kunststück, diese Elemente nicht wie Bauklötze nebeneinander aufzureihen, sondern sie schlüssig flüssig zu ineinanderfließen zu lassen.

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Müller & die Platemeiercombo – Castafiore – Bauchpfannen Aufnahmen 2015

Von Matthias Bosenick (10.09.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Endlich. Endlich!!! Das wurde aber auch Zeit. Vier Jahre nach „Von Müßiggängern und anderen Taugenichtsen“ kommt mit „Castafiore“ endlich das Album, dessen älteste Songs die Band schon während der Aufnahmen zum Vorgänger live spielte. Ganze zwei, drei Lieder dieses Dutzends kennt der Rezensent nicht bereits von Auftritten, den Rest kann er auswendig mitsingen; die Vorfreude auf die Studioversionen war riesig, die Freude über sie ist es ebenfalls. Das Album macht einen Schritt voraus und einen zurück: Thematisch ist es nicht mehr so homogen und durchgehend ernsthaft wie der Vorgänger, sondern wagt auch manchen Rückgriff auf den alten Müller-Humor; gleichzeitig vertieft Müller in anderen Songs seine inhaltliche Seriosität, oft in Bezug auf Beziehungskonzepte und wie sie sich auf diejenigen auswirken, die sich auf sie einlassen. Und auch in einen vordergründigen Scherz steckt Müller immer etwas Hintergründiges. Nicht zuletzt überzeugt das Quartett wie immer auch musikalisch: Zwar ist der 50er-Schlager-Bossa-Sound etwas beiseite gerückt, dafür wagt die Band hier auch mal mitreißende Discorhythmen und lässt dem ausufernden Rock mehr Raum. Alles auf so hohem Niveau, dass die leicht in Schieflage eingestreuten Elemente das nahezu perfekte Ergebnis nur umso fester am Boden verankern.

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Myrkur – M – Relapse Records 2015

Von Matthias Bosenick (31.08.2015)

Wie es klänge, wenn Loreena McKennitt einmal Black Metal machen würde, zeigt „M“ von Myrkur. Nach ihrem selbstbetitelten und -gebastelten Debüt ist es einigermaßen überraschend, dass Amalie Bruun ihrem Experiment tatsächlich ein weiteres Album folgen lässt. Offenbar hat die dem Poprock entsprungene Dänin mächtig Geschmack am Gebolze gefunden. Sie macht es aber erfreulich anders als andere: Choralgesänge, mittelalterliche Melodien und Klavierpassagen sind in ihrer Version von Black Metal normal. Das verärgert die Puristen, die sich auf die Schrei-und-Bolz-Stücke stürzen und den Rest negieren. Sollen sie. Haben wir Nicht-Puristen eben auch mal Black Metal, der uns gefällt.

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Meat Beat Manifesto – Kasm 2.2 – Skam 2015

Von Matthias Bosenick (19.07.2015)

Nicht nur die plötzliche Hintenrum-Veröffentlichung an sich ist eine unerwartete Überraschung, schließlich liegt das letzte Lebenszeichen von Meat Beat Manifesto, die „Test EP“, schon drei Jahre zurück; auch inhaltlich erstaunt es: „Kasm 2.2“ bietet rein elektronische Frickelbeats, die nahezu melodielos und recht entspannt die Beinmuskulatur stimulieren, mit den üblichen Atmosphären, die man von MBM-Kopf Jack Dangers kennt. Also keine Jazzexperimente mehr, kein Live-Schlagzeug, keine basslastigen Breakbeat- und Dubstep-Ausflüge. IDM in Reinkultur – kein Wunder, stellt doch Skam eines der führenden IDM-Labels schlechthin dar und etabliert jenes mit Kasm zurzeit ein neues 10“-Sublabel.

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Automat – Plusminus; Automat & Max Loderbauer – Selekt 01 – Bureau B 2015

Von Matthias Bosenick (13.07.2015)

Das ist Sommermusik für Erwachsene. Für Leute, die bereits erfahren haben, dass das Leben aus einem schweren Bisschen mehr besteht als in stylishen Restklamotten gechillt am Strand rumzuhängen, klebrige In-Cocktails und andere Bewusstseinsmanipulatoren in sich reinzukippen und den nächsten Nachtabschnittsbegleiter für sich klar zu machen. Auch gute Laune kann schwarz sein, auch die Dunkelheit kann strahlen: Automat machen Dub in einem reichlich weiten Sinne. Ihre Musik beschallt die Party danach, für die Gäste, die erst dann zu feiern beginnen, nachdem die Hedonisten dumpf in den Vulkan gekippt sind. Wer dann nämlich noch übrig ist, tanzt zum Automat’schen Postapokalypse-Reggae.

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Faith No More – Sol Invictus – Reclamation! Records/Ipecac 2015; Tētēma – Geocidal – Ipecac 2015

Von Matthias Bosenick (25.06.2015)

Faith No More sind ohne Jim Martin einfach nicht mehr Faith No More. Die Crossoverpioniere verkrafteten den Wechsel von Chuck Mosley zu Mike Patton am Mikro deutlich besser als den von Jim Martin zu wem auch immer an der Gitarre. Der jetzige spielt einfach nur Gitarre, Jim Martin hatte Seele, Fläche, Atmosphäre, Charakter, einen eigenen Sound, egal, ob bei Pop, Funk oder Death Metal. Da war selbst Pattons Seitenprojekt Tomahawk bisweilen dichter an den klassischen Faith No More, als die es nach Martins Ausstieg waren. Und nach 18 Jahren Pause nun wieder sind. Da es einigermaßen offenbar ist, dass trotz einer Leadsingle mit dem Antititel „Motherfucker“ natürlich vorrangig kommerzielle Beweggründe zu „Sol Invictus“ (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen nationalsatanistischen Band) führten, und nicht eben kreative, bringt Mike Patton nahezu parallel mit „Geocidal“ ein sehr gegensätzliches, höchst experimentelles Album mit seinem neuen Freejazz-Projekt Tētēma heraus. Beides zusammen wäre vermutlich ein richtig geiles Album.

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Violent Femmes – Happy New Year – Add It Up Productions 2015

Von Matthias Bosenick (04.06.2015)

Schon wieder eine Reunion! Das Akustik-Depri-Folk-Party-Punk-Trio Violent Femmes aus Milwaukee beehrt die Menschheit 15 Jahre nach ihrem bis dato letzten Album mit einer neuen Vinyl-12“, veröffentlicht Ende April zum Record Store Day und betitelt nach dem Jahreswechsel, an den zum VÖ-Zeitpunkt niemand mehr oder noch niemand wieder denken mag. Mit an Bord sind erneut die Horns Of Dilemma, die bei aller Teenage-Angst-Schwermut schon immer für die musikalischen Pointen im Oeuvre der Gewalttätigen Weichlinge sorgten. Das Ergebnis sind 13 Minuten Akustik-Depri-Folk-Party-Punk in alter Manier und mit neuem humorvollen Ernst. Damit ist diese Reunion zumindest nicht überflüssig.

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E-Egal – Ich hätt gern Pommes zu der Wahrheit – E-Egal 2015

Von Matthias Bosenick (02.06.2015) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour – der Stadtblog

Das Braunschweiger Quintett E-Egal steht als Beleg dafür da, dass Punk als Musikrichtung nicht so limitiert ist, wie sein Ruf es gerne suggeriert. Ohne typische Insignien kommen natürlich auch E-Egal nicht aus, sonst hätte man ja nun auch Probleme, deren Musik noch überhaupt im Punk zu verorten, aber die Jungs haben Ska, Funk, Pop, Metal und vieles mehr im Blut und genieren sich nicht, diese Bastarde ungebremst von der Kette zu lassen. Das macht diese erste LP der Band auch für Leute interessant, die beim reinen Punk womöglich weghören würden. Übrigens zeigt sich der Rezensent stolz, die handnummerierte 1 von 500 Exemplaren dieses Vinyls sein Eigen nennen zu dürfen.

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Die drei ??? – 175: Schattenwelt – Europa/Sony 2015

Von Matthias Bosenick (25.05.2015)

Die Jubiläums-Dreifachfolgen der drei Fragezeichen sind in der Regel um einiges attraktiver als die normalen Folgen, seit die Nummern dreistellig sind. Das ist bedauerlich, weil man sich auch für die normale Serie als Fan der frühen Stunden eine dauerhafte Mindestqualität wünscht. Dreifach überzeugten besonders die Episoden 100, „Toteninsel“, und 150, „Geisterbucht“, mit komplexen Handlungen und kompetenzübergreifenden Zusammenhängen, abgesehen von tatsächlichen Abenteuern, die die drei Ü40-Teenager zu bestehen hatten. Nummer 125, „Feuermond“, hatte so einige Längen, aber nicht so starke wie die aktuelle Nummer 175, „Schattenwelt“, an der erstmals drei Autoren arbeiteten: Anstatt dass sich ein einzelner eine lange Geschichte ausdachte, liefert hier ein Trio drei aufeinander bauende Fälle mit einem Gesamtergebnis ab. Die Geschichten sind, um es milde auszudrücken, ereignisarm.

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Kackschlacht – Kackschlacht 2015 – Kackschlacht 2015

Von Matthias Bosenick (10.05.2015) / Auch auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Wie auch immer sich die Welt entwickelt, in Sachen Technik, Politikverdrossenheit, Rechtsruck, Internet, Mainstreamisierung und weiß der Geier was – eines wird es gottlob immer geben: die kleine schranzige linke Punkband aus dem Keller nebenan. Kackschlacht ist eine dieser kleinen Bands, vielmehr: Es ist ein Duo aus Braunschweig, das die Welt wie selbstverständlich aus einer in ihrem Genre relativ allgemeingültigen Punk-Attitüde betrachtet, die mittlerweile älter ist als die beiden Brüder selbst. Als Kackschlacht orientieren sie sich musikalisch am schnellen Wenige-Akkorde-Schrammel-Punk, den man eher selten für seine Virtuosität goutiert. Da geht es vielmehr um Slogans, Energie, Antihaltung; all das allerdings mit einiger Ironie. Schick: Die knapp neun Minuten Musik kommen auf einer Sieben-Zoll-Vinylsingle – in Gelb.

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