Fallende Blätter (Kuolleet lehdet) – Aki Kaurismäki – SF 2023

Von Matthias Bosenick (21.09.2023)

Wenn man sagt, Aki Kaurismäki habe mit „Fallende Blätter“ eine Liebeskomödie gedreht, trifft das im Vergleich mit den bisherigen Kaurismäki-Filmen sehr zu, dürfte aber Leuten, die gerne Liebeskomödien gucken, zu deprimierend sein – weil hier sowohl der Anteil Liebe als auch der Anteil Komödie im finnischen Kontext zu betrachten sind. Also alles wortkarg und melancholisch, aber mit einem bitterbösen Humor, unvorhersehbarer Handlung, wunderschönen Bildern und passend eingesetzten finnischen Schlagern. Ein typischer Kaurismäki mithin, mit erweitertem Spektrum.

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Barbie – Greta Gerwig – USA 2023

Von Maren Haas (30.07.2023)

Was habe ich erwartet? Ehrlich gesagt, nicht viel, aber ich hatte gehofft, dass, wenn Coming-of-Age-Regisseurin Greta Gerwig (Little Women, Frances Ha, Lady Bird…) so einen Film realisiert, so einiges an systemischen Problemen unter dem rosa Blockbuster-Zuckerguss zum Vorschein kommen würde.

Und ja, der Film ist selbstverständlich Mattel-Marketing bis zum Umkippen, Konsumkritik ist non-existent, aber die erste große Überraschung war für mich die Darstellung der (rein männlichen) Mattel-Führungsriege, die fast noch trotteliger unterwegs ist, als alle Kens zusammen.

Warner Bros. hat natürlich auch mit diesem Film in erster Linie Profit auf der Agenda, aber dafür gelingt es Barbie erstaunlich oft, einen Spagat zwischen Systemkritik und pinkem Spaß hinzulegen, der auch funktioniert. Nicht immer, aber meistens.

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Mad Heidi – Johannes Hartmann & Sandro Klopfstein – CH 2022

Von Matthias Bosenick (14.05.2023)

Es ist nicht zu übersehen: „Mad Heidi“ ist ein Film von Fans, die sich bei ihren liebsten Regisseuren und Genres bedienen und daraus einen blutrünstigen Film drehen, den sie berechtigt als Swissploitation bezeichnen. Die Schweizer Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein finanzierten ihren Diktatur-Gefängnis-Horror-Splatter-Heimatfilm über Crowdfunding, und dadurch kam er auch einmalig in Braunschweig ins Kino, weil einer der Geldgeber, der zudem mehrfach als Komparse in Erscheinung tritt, ihn bei sich zu Hause unbedingt auf großer Leinwand zeigen wollte. Ergebnis war ein großes Fest im Kino. Der Film selbst ließ bei allem Heidispaß, den die Macher an ihrem Unsinn hatten, jedoch einiges vermissen: mehr Dynamik, abwechslungsreichere Kamera, spritzigere Dialoge und eine eigene Handschrift über den Zitatereigen hinaus. Der Abend war trotzdem der Gipfel!

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Suzume (すずめの戸締まり) – Makoto Shinkai – JP 2022

Von Matthias Bosenick (12.04.2023)

Was für ein Ritt! Zwei Stunden dicht gepacktes Anime: Die Schülerin „Suzume“ entlässt versehentlich einen extrem zerstörerischen Wurm in die Welt und versucht nun, dem von einer sprechenden Katze zu einem dreibeinigen Holzstuhl verfluchten Souta dabei zu helfen, die Portale in die Welt der Toten zu verschließen, aus denen dieser feurige Wurm entfleucht. Ja, man muss sich auf Dinge einlassen, die in Japan offenbar zur Normalität gehören. Es lohnt sich, denn Makoto Shinkais „Suzume“ ist Coming-of-age, Roadmovie, Katastrophenfilm, Familiendrama, Mystik, Humor, Verantwortung, Abenteuer, Trauer, persönliche Entwicklung und überhaupt ganz großes Kino – und verdammt nochmal Zeichentrick, und das sehr dicht an der Realität.

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Die drei ???: Erbe des Drachen – Tim Dünschede – D 2023

Von Matthias Bosenick (27.01.2023)

Satte 14 Jahre vergingen seit dem letzten Film über die drei Juniordetektive aus Rocky Beach, da hat sich in Sachen Filmproduktion, Dramaturgie, Script und so auf Seiten der Filmhersteller sowie in Bezug auf Narration bei den Geschichtenschreibern sicherlich sehr viel getan, da muss ein dritter Film über Die drei ??? im Jahre 2023 doch ein Oberknaller werden – oder? Und wenn schon der Hintergrund mit Justus, Peter und Bob vielleicht eher willkürlich eingebettet ausfallen sollte wie bei den Filmen davor und die Visualisierung von etwas seit Jahrzehnten in Buch und Hörspiel Etabliertem grundätzlich keine leichte Aufgabe ist, dann ist „Erbe des Drachen“ wenigstens ein mitreißender Jugendfilm voller Abenteuer, Spannung, Action und Special Effects, etwa wie bei den „Goonies“? Nein? Nichts davon? Aber warum nicht?

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Best-of gestorben in Film und Serien

Von Onkel Rosebud

Das Jahresende und die damit verbundenen Rückblicke bringen es allenthalben mit sich, dass Listen angefertigt werden. Beliebt sind Klassifizierungen nach peinlichstem Lieblingslied, bestem Konzertbesuch, Ereignis sowieso etc. Nach der Wende war ich jahrzehntelang eigentlich nur deshalb Abonnement-Inhaber der Zeitschrift Spex, weil das legitimierte, jeweils im November am Leser-Poll teilnehmen zu dürfen. Im Freundeskreis brachte mir das den Spitznamen „30-Jahrgänge-Spex-Onkel“ ein, weil ich bis heute keine Ausgabe der ehemaligen Popkultur-Illustrierten wegschmeißen kann. Und wenn mal wieder ein Umzug anstand, verstanden meine Kumpels, dass die vielen Schallplatten alle mitmüssen, aber für die Kisten mit dem Subkultur-Magazin hatten sie kein Verständnis.

Das Privileg, Autor dieser Kolumne zu sein, rechtfertigt deshalb die eigentlich völlig unnütze Veröffentlichung meiner persönlichen Top-10-Hitliste aus der Rubrik „Populäre Charakter-Tode in Film und Serien“. Weil ich es kann. Los geht’s:

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Decision To Leave (헤어질 결심) – Park Chan-wook – Südkorea 2022

Von Matthias Bosenick (11.11.2022)

Filmfest in Braunschweig! Da läuft „Decision To Leave“, der neue Film von Park Chan-wook, schon vor dem Bundesstart. Der einst Gewalt so unmittelbar auf die Netzhaut drückende Regisseur fährt hier Sex und Brutalität zurück, um eine Geschichte zu erzählen, die im Verlauf mehrmals das Genre wechselt: von humorigem Polizeifilm zu einem Ermittlungsthriller zu einem Liebesdrama. Wundervoll komponierte Bilder, psychedelische Bildwechsel und höchst interessante Charaktere fesseln fast zweieinhalb Stunden lang, bis die Geschichte zuletzt jedoch im Sande verläuft. Dennoch verlässt man das Kino mit bemerkenswerten Eindrücken im Kopf.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Die Hard – Nicht totzukriegen, die deutsche Synchronisation

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin mag Bruce Willis. Zumindest in nicht ernst zu nehmenden Rollen – außer „The Sixth Sense“. Ihre Lieblingsszene in der „Die Hard“-Quinte, durch die Bruce Willis zu einem der größten Actionstars des 20. Jahrhunderts avancierte, ist aus dem Original von 1988. Nach 2 Stunden und 12 Minuten diverser Entbehrungen, Schmerzen sowie eingeklemmt in Fahrstuhlschacht und Lüftungssystem zieht der Hauptprotagonist John McClane in aussichtsloser Lage zwei auf seinen Rücken geklebte Pistolen und metzelt den Feind nieder. Er sagt dazu „Grüß‘ mir die ewigen Jagdgründe“ und klar, pustet er nach getaner Arbeit in den Lauf des Revolvers wie John Wayne, bevor er mit Grace Kelly in den Sonnenuntergang reitet. „Das war Gary Cooper, Du Arschloch“, würde John jetzt sagen.

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Triangle Of Sadness – Ruben Östlund – S/GB/USA/F/GR/TR 2022

Von Matthias Bosenick (14.10.2022)

Dem Kapitalismus mit Karl Marx begegnen – und mit Schadenfreude: Episodenhaft setzt sich Ruben Östlund in „Triangle Of Sadness“ mit Leuten auseinander, die Geld haben. Er lässt sie zwischenmenschlich scheitern, sich normal großkotzig schlecht benehmen und sich an ihrer Gier erbrechen. Östlunds Humor ist tiefschwarz und entlarvend, nur hat er es in Sachen Drehbuch nicht so: Im letzten Drittel verliert er den Faden und wird fade. Dafür behält man jede Menge grandios böser Szenen im Kopf – allen voran einen Woody Harrelson als Kapitän, der physisch besoffen und inhaltlich nüchtern des Kaisers neue Kleider benennt.

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Everything Everywhere All At Once – Daniel Scheinert & Daniel Kwan – USA 2022

Von Matthias Bosenick (18.05.2022)

Zweieinhalb Stunden opulentes und technisch überbordendes Kreativitätsgeballer! Dabei lässt sich die Handlung in einem Satz zusammenfassen: Mutter versöhnt sich mit Tochter. Dafür muss sie nur in unendlichen Parallelwelten gegen eine böse Widersacherin und eine kaum weniger böse Steuerbeamtin kämpfen, den wahlweise weisen und uneingeweihten Ratschlägen ihres die Scheidung ins Auge fassenden Gatten folgen, die heile Welt ihres in die Jahre gekommenen Vaters bewahren und alles in Allem einfach nur endlich als Mensch reifen. In Sekundenbruchteilen flackernde Alternativuniversen, Martial-Arts-Kämpfe, Drama, Humor, Warmherzigkeit, innere und äußere Querverweise, grandiose Schauspielende und eine soghaft erzählte komplexe Geschichte lassen diese zweieinhalb Stunden im Rausch vergehen.

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