Stop Making Sense – Jonathan Demme – USA 1984

Von Matthias Bosenick (29.03.2024)

Alle zehn Jahre kann man sich „Stop Making Sense“, den Konzertfilm der Talking Heads, im Kino angucken. Der wird nicht älter! Eher aktueller: Analog gespielte Tanzmusik auf sich steigerndem Energielevel, eine divers besetzte Band, größtmögliche Party bei bester Laune, grandios gefilmt und performt. Zum 40. Geburtstag des Film gibt’s ihn jetzt wieder im Kino, in ausgewählten sogar in 4K, mit allem, was man an ihm liebt – den Hits, dem Kassettenrekorder, dem Tanz mit der Stehlampe, dem Big Suit, dem vom Tina Weymouth angeführten Tom Tom Club, Bernie Worrell und den ausgelassenen Tänzen der Musizierenden und Singenden. Ein Fest! Immer wieder.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Poor Things – Yórgos Lánthimos – GB 2023

Von Matthias Bosenick (07.02.2024)

Wer Emma Stone gern ständig nackt und beim Sex sehen möchte, ist bei „Poor Things“ genau richtig. In diesem Film spielt sie eine Frau, die nach ihrem erfolgreichen Suizid das Gehirn ihres ungeborenen Kindes eingepflanzt bekommt, wieder zum Leben erweckt wird und zum Zwecke der Selbstermächtigung damit beginnt, herumzuvögeln, unter anderem als Prostituierte – und damit die patriarchisch eingerichteten Männer, bei denen es sich vermutlich um die titelgebenden „Poor Things“ handelt, auf den Kopf stellt. Viel Story bleibt abseits einiger punktgenauer psychologischer Dialoge nicht haften, dafür aber die Ausstattung: Optisch grob Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt, behält man aus 140 Minuten Film die futuristisch an Seilen über den Dächern von Lissabon schwebenden Straßenbahnen am längsten im Gedächtnis.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Der Junge und der Reiher (君たちはどう生きるか/The Boy And The Heron) – Hayao Miyazaki (宮崎 駿) – J 2023

Von Matthias Bosenick (18.01.2024)

Dem vermutlich jetzt wirklich letzten langen Film des inzwischen 83jährigen Studio-Ghibli-Mitgründers Hayao Miyazaki misst man selbstredend eine besondere Aufmerksamkeit bei. Mit seinen Animes verzaubert er die Welt, weil jene in diesen Filmen kopfsteht, nicht nur aus westlicher Sicht, und weil seine Animationen bahnbrechend sind. In den zweistündigen „Der Junge und der Reiher“, der auf Japanisch ungefähr „Wie lebt ihr?“ heißt, lässt er vertraute Elemente früherer Filme in eine Geschichte über Entwurzelung, Adoleszenz, Trauer und Krieg einfließen. Fantasievoll ist das Wort, das über allem schwebt, rätselhaft, schön – aber auch schwermütig, passend zur Zeit. Eskapismus ist nicht das Kernvorhaben dieser Jugendbuchverfilmung.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

DogMan – Luc Besson – F 2023

Von Matthias Bosenick (21.11.2023)

Nach rund 25 Jahren mal wieder ein guckbarer Film von Luc Besson! Damit war nicht zu rechnen, aber sein „DogMan“ unterhält gut und überrascht positiv. Um die Geschichte eines Mannes zu erzählen, dessen Freundeskreis aus – realen, nicht CGI-generierten! – Hunden besteht, greift er auf verschiedene Genres zurück, die jeweils einen Aspekt der biografischen Eckpunkte seiner Hauptfigur Douglas abdecken. Die Abstriche bei Plotholes und dem verpuffenden Ende nimmt man in Kauf, denn der Rest ist angenehme Kinounterhaltung.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Zillion – Robin Pront – B/NL 2022

Von Matthias Bosenick (13.11.2023)

Die Ausgangslage: Ein gehänseltes Arschloch macht Arschlochsachen mit anderen Arschlöchern, die ihn dafür ebenfalls arschlochmäßig behandeln. Das Ganze spielt in der Großraumclubszene der späten Neunziger in Antwerpen und lehnt sich locker an der realen Geschichte von Frank Verstraeten und seinem titelgebenden Club „Zillion“ an. Inszeniert Robin Pront zunächst ein kunterbuntes, ultraschnelles Clubding, bricht er es im Rest ausgebremst auf Action und Drama herunter – zu einem Zeitpunkt, als einem die Arschlöcher jedoch eh schon egal sind. Der Film ist etwas fürs Auge, aber nicht für die Ewigkeit.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

The Old Oak – Ken Loach – GB/F/B 2023

Von Matthias Bosenick (12.11.2023)

Die Welt ist Scheiße, und ein extrem negativer Faktor ist die Gemengelage aus Rassismus, Rechtsruck und Neofaschismus, die sich allerorts ungehemmt in die Mitte der Gesellschaft ausbreitet. Die Welt könnte mit Humanismus und Solidarität ein so viel besserer Ort sein, findet auch der 87jährige Ken Loach, der zuverlässige Abbilder sozialer Themen aus linker Perspektive, und lässt ein vergessenes Kohledorf im Nordosten Englands auf die Ankunft syrischer Geflüchteter reagieren. Zentrale Personen sind der Pubwirt TJ und die Syrerin Yara, die eine Dorfgemeinschaft zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen erwirken wollen – und Loach flicht alles ein, was es an Negativität in diesem Kosmos zu berichten gibt. Und potentiell Positivem: „The Old Oak“ ist damit ein Märchen – leider.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Gondola – Veit Helmer – D/GEO 2023

Von Matthias Bosenick (12.11.2023)

„Gondola“ dürfte ein an wortlosem Einfallsreichtum kaum zu überbietender Film sein: Zwei Seilbahn-Gondeln gondeln über ein 300 Meter tiefes Tal in den Bergen Georgiens. Die beiden isolierten Schaffnerinnen begegnen sich immer in der Mitte und gehen in einen liebevollen Wettstreit um die kreativste Art, die Aufmerksamkeit der jeweils anderen zu erregen. Die aufkeimende Romanze der beiden erfährt einen Dämpfer, als die Fluchtpläne einer der beiden offenbar werden – es erfordert von jener nun also noch mehr Kreativität, die andere von sich zu überzeugen. Alles ohne Worte – und fesselnd und unterhaltsam wie nix. Was auch an den Bildern liegt, mit denen Veit Helmer hier arbeitet, da geben Gondeln in den Wolken einiges vor. Und Helmer macht mehr draus!

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Perfect Days – Wim Wenders – J 2023

Von Matthias Bosenick (09.11.2023)

Endlich wieder Filmfest in Braunschweig, auch BIFF genannt! Und endlich auch mal wieder Filme von vertrauten Regisseuren: Den Auftakt macht Wim Wenders mit seinem Zen-Film „Perfect Days“, in dem er einen sympathischen Toilettenreiniger in Tokyo dabei begleitet, wie er beinahe wortlos seinen Alltag verbringt und sich über Kleinigkeiten freut. Bis es einigen Anlass zu abweichenden Gemütslagen gibt. Zwei Stunden Achtsamkeit in Omu mit 60er-70er-Rock-Soundtrack und auch ohne Cinemascope ansehnlichen Bildern.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Fallende Blätter (Kuolleet lehdet) – Aki Kaurismäki – SF 2023

Von Matthias Bosenick (21.09.2023)

Wenn man sagt, Aki Kaurismäki habe mit „Fallende Blätter“ eine Liebeskomödie gedreht, trifft das im Vergleich mit den bisherigen Kaurismäki-Filmen sehr zu, dürfte aber Leuten, die gerne Liebeskomödien gucken, zu deprimierend sein – weil hier sowohl der Anteil Liebe als auch der Anteil Komödie im finnischen Kontext zu betrachten sind. Also alles wortkarg und melancholisch, aber mit einem bitterbösen Humor, unvorhersehbarer Handlung, wunderschönen Bildern und passend eingesetzten finnischen Schlagern. Ein typischer Kaurismäki mithin, mit erweitertem Spektrum.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino

Barbie – Greta Gerwig – USA 2023

Von Maren Haas (30.07.2023)

Was habe ich erwartet? Ehrlich gesagt, nicht viel, aber ich hatte gehofft, dass, wenn Coming-of-Age-Regisseurin Greta Gerwig (Little Women, Frances Ha, Lady Bird…) so einen Film realisiert, so einiges an systemischen Problemen unter dem rosa Blockbuster-Zuckerguss zum Vorschein kommen würde.

Und ja, der Film ist selbstverständlich Mattel-Marketing bis zum Umkippen, Konsumkritik ist non-existent, aber die erste große Überraschung war für mich die Darstellung der (rein männlichen) Mattel-Führungsriege, die fast noch trotteliger unterwegs ist, als alle Kens zusammen.

Warner Bros. hat natürlich auch mit diesem Film in erster Linie Profit auf der Agenda, aber dafür gelingt es Barbie erstaunlich oft, einen Spagat zwischen Systemkritik und pinkem Spaß hinzulegen, der auch funktioniert. Nicht immer, aber meistens.

Weiterlesen
Veröffentlicht unter Kino