The Berenice Soundproject/Ilse ausm Schützengraben – TBSP/Ilse – Xchnum Miiimiiikry 2020

Von Matthias Bosenick (01.10.2020)

Für den Künstler kathartisch, für den Hörer traumatisch: Was auch immer dem Schöninger Jonas Kolb in seinem noch recht kurzen Leben wiederfahren sein mag, es lastet ganz offenkundig schwerst auf seiner Seele. Als Ventil nutzt er sein privates Studio, in dem er sich je nach Stimmungslage unterschiedlich tönend austobt und die Ergebnisse unter diversen Projektnamen herausbringt. „TBSP/Ilse“ bündelt als Doppel-CD bisherige Online-Veröffentlichungen, Demos und Remixe der beiden Projekte The Berenice Soundproject und Ilse ausm Schützengraben – ersteres quasi Electro-Black-Metal, zweiteres quasi Lärm. Dem Künstler hilft’s, der Hörer braucht nach dem Genuss selbst Hilfe. Höchst krasses Zeug – und während man es noch hört, bringt Kolb 25 weitere Alben heraus, kaum weniger verstörend.

Weiterlesen

DJ Cramér – Wildblumenblues No. 1 & 2 – pkmuzik/Head Perfume Records 2014/2016

Von Matthias Bosenick (06.05.2020)

Die Samplerreihe zur Partyreihe, mit autobiografischen Kriterien zusammengestellt von DJ Cramér alias René Seim aus Dresden: Der „Wildblumenblues“ bietet auf zwei CDs oder LPs genau das, nämlich eine wild blühende Variante des Blues, der von der Garage über Country, Rock’n’Roll, No Wave, Psychedelic Rock, Stoner und Experiment bis zum Surpfunk reicht. Und weil Seim so gern Freunde unterstützt, legte er auch die Covergestaltung in ihm vertraute Hände. Seine eigene Band Todi versteckt er außerdem in dieser Sammlung. Macht mächtig Laune – und Neugier auf die dazugehörige Party in Dresden.

Weiterlesen

Simple Minds – Live In The City Of Angels – BMG 2019

Von Matthias Bosenick (17.12.2019)

Das Vierzigjährige feiert man als ausgewiesene Liveband natürlich mit einem Livealbum, das machen Killing Joke und The Cure auch so. Und mit einer Best-Of, das machen OMD auch so. Die Schotten Simple Minds knüpfen mit ihrer Konzertmitschnitt-Variante an ihr erstes Livealbum von 1987 an – und erreichen es trotz erweiterter Opulenz nicht annährend. Sie haben gute Songs, aber offenbar vergessen, dass sie auch Musiker sind, nicht nur Dienstleister. Die wenigen Besonderheiten hätten sich auch auf einer kürzeren Einzel-CD zusammenfassen können, der Rest ist verzichtbar, weil viel zu vertraut. Da gibt es weit bessere Livealben von denen.

Weiterlesen

Die Ärzte – They’ve Given Me Schrott (Die Outtakes) – And More Bears/Vertigo/Capitol 2019

Von Matthias Bosenick (27.05.2019)

Es erfordert einiges an Zeit (und Kapital), die „Seitenhirsch“-Box der Ärzte durchzuhören: Darin enthalten sind auf 33 CDs annähernd sämtliche Songs, die das wechselnd besetzte Trio in den vergangenen 35 Jahren aufnahm. Inklusive einiger unveröffentlichter Stücke, die nun als geldbeutelschonende Dreifach-CD separat vorliegen. Auch die hätte man sicherlich noch eindampfen oder um andere Nuggets ergänzen können, aber dieses Werk mit all seinen Demos und Raritäten verdeutlicht den kreativen Zündstoff der Band sowie dessen Abfall seit dem Jahrtausendwechsel nur zu deutlich. Und enthält einige Preziosen, die es bislang nur als Bootleg gab. Lohnenswert für Fans, dabei aber partiell verzichtbar.

Weiterlesen

The Pachinko Fake – Flakes: A Collection Of Fine Songs – Sireena/Broken Silence 2018

Von Matthias Bosenick (19.07.2018)

Kleiner Dienst unter Freunden: „The Perc” Tom Redecker veröffentlicht auf seinem Label Sireena eine Best-Of der Band The Pachinko Fake seines Buddies Rolf Kirschbaum. Bis auf den kleinen Indie-Hit „Push Me Before I Fall” ging die Existenz dieser minimalistischen alternativen Rockband mit Waveeinschlag an der großen Aufmerksamkeit vorbei. Kein Wunder: Eingängig oder gefällig ist die Musik der Band nie, also tatsächlich indie. Und wert, entdeckt zu werden, was indes einigen Aufwand erfordert, denn der Zugang ist entsprechend unleicht.

Weiterlesen

The Cure – Torn Down – Fiction/Polydor 2018

Von Matthias Bosenick (15.05.2018)

Für das Rerelease der Compilation „Mixed Up“ von 1990 nahm sich Robert Smith einige abseitige Stücke aus der fast 40jährigen Historie seiner Postpunk-Wave-Goth-Band The Cure vor und unterzog sie Neubearbeitungen nach seinem eigenen Geschmack. An dem darf man angesichts der Ergebnisse allerdings getrost zweifeln. Waren schon die vier Vorabsingles zum bis dato letzten Studioalbum „4:13 Dream“ fragwürdig instrumentiert, steht die Hoffnung, dass es sich beim angekündigten nächsten Album ebenso verhält wie bei jenem Vorgänger, dass nämlich die Songs dort dann doch wieder Atmosphäre, Tiefe und Wucht haben. „Torn Down“ ist leider weitgehend verzichtbar, als RSD-Edition im Doppel-Picture-Vinyl ist sie immerhin ansehnlich.

Weiterlesen

The Electric Family – The Long March (From Bremen To Betancuria) – Sireena 2018

Von Matthias Bosenick (09.04.2018)

Kaum ein Jahr nach dem Quasi-Comeback „Terra Circus“ hält The Perc Tom Redecker sein zweites Betätigungsfeld The Electric Family mit einer Best-Of aus den ersten vier Alben der Projektgeschichte im Gespräch. Mit Recht: Dieser Mix aus Wave-, Kraut- und Spacerock mit diversen Zutaten aus dem umfangreichen Gewürzregal der Musikgeschichte ist es wert, vernommen zu werden. Der lange Weg von Bremen nach Fuerteventura führt mittenmang durchs All.

Weiterlesen

The Perc – Koto Funk – Tribal Stomp Records 2016

Von Matthias Bosenick (16.02.2017)

The Perc mistet seinen Keller aus, ohne den Hidden Gentleman dieses Mal: Auf „Koto Funk“ bringt er Skizzen zusammen, die er laut Begleitzettel 1995 für ein doch nicht verwirklichtes Theaterstück („Festung“ von Rainald Goetz) anfertigte. Das Ergebnis ist eine für Tom Redecker typische Mischung aus düster-schrägen Synthieexperimenten und verschlepptem Indierock. Also deutlich experimenteller und spannender als der meiste zeitgenössische alternative Kram. Und trotzdem zeitlos.

Weiterlesen

Deine Lakaien – XXX: The 30 Years Retrospective – Chrom/Soulfood 2016

Von Matthias Bosenick (01.12.2016)

Pünktlich zu Weihnachten werden Deine Lakaien 30 Jahre alt und feiern ihren Geburtstag mit einer Mischung aus Best-Of und Greatest Hits (ja, da gibt es einen Unterschied). Die gibt es wahlweise als Doppel-CD und als Doppel-Doppel-CD, und für den gewöhnlichen Fan ist eher die zweite Variante interessant, mit seltenem Live- und Studio-Material nämlich. Die chronologische Zusammenstellung verdeutlicht, was beim Durchhören der Alben längst klar ist: Bei den Lakaien verbirgt sich die musikalische Eingenwilligkeit zusehends hinter einer milden Gefälligkeit. Immer noch sind Alexander Veljanov ein guter Sänger und Ernst Horn ein guter Komponist, doch fehlt dem Gothic-Wave-Synthie-Band-Pop längst der Biss.

Weiterlesen

20 Years Of Nattefrost: Various Artists Interpreting Nattefrost – Sireena 2016

Von Matthias Bosenick (25.03.2016)

Krasse Idee: 20 Electro-Ambient-Musiker covern Black Metal! „Blood & Vomit“ im Synthie-Chill-Out-Mix! Ach nee, Moment: Nattefrost gibt es zweimal, einmal als Black-Metal-Combo aus Norwegen und einmal als Vintage-Electro-Projekt aus Dänemark. Sie eint maximal, dass sie jeweils solo unterwegs sind und aus Skandinavien kommen, ansonsten sollte man die Nachtfroste vorsichtshalber nicht verwechseln. Schade, die Idee ist lustig, sich beim Anhören der Trancetracks von „20 Years Of Nattefrost“ vorzustellen, sie wären im Original todesfeierndes Schwarzmetallgekeife gewesen. Doch da der Rezensent den Dänen Nattefrost und dessen Oeuvre nicht kennt, stellt er zunächst immerhin fest, dass die Tributanten, die ebenfalls nicht eben Weltruhm erlangten, eine homogene Arbeit auf Doppel-CD ablieferten. Man kann die zwei Stunden druchhören und erfasst ein einheitliches Soundbild, das sehr zum Entspannen einlädt und in sich doch ausreichend Abwechslung parat hält.

Weiterlesen