The Electric Family – The Long March (From Bremen To Betancuria) – Sireena 2018

Von Matthias Bosenick (09.04.2018)

Kaum ein Jahr nach dem Quasi-Comeback „Terra Circus“ hält The Perc Tom Redecker sein zweites Betätigungsfeld The Electric Family mit einer Best-Of aus den ersten vier Alben der Projektgeschichte im Gespräch. Mit Recht: Dieser Mix aus Wave-, Kraut- und Spacerock mit diversen Zutaten aus dem umfangreichen Gewürzregal der Musikgeschichte ist es wert, vernommen zu werden. Der lange Weg von Bremen nach Fuerteventura führt mittenmang durchs All.

Ausufernd bedeutet hier nicht selbstverliebt und langweilig, sondern groovend und hypnotisierend. Ausufernd ist hier die Hälfte der präsentierten Songs, das hat die Electric Family definitiv bei den Kraut- und Space-Rockern gelernt, aber anders als die behält Redeckers Besatzung immer einen Ankerpunkt am Boden. Es ist immer wieder schön, wie Redecker den Gitarrenwave und den Indierock in das progressiv-psychedelische Grundgerüst einflicht. Tempo ja, aber keine richtig wilde Fahrt nimmt die Familie zumindest auf dieser Sammlung auf, das würde den Genussfluss stören. Und einen Fluss bildet das Album, obwohl es eigentlich ja gar keines ist.

Wie herrlich sich die Gitarren in höchste Marillion-Höhen schrauben! Wie dunkel die Orgel an die Vergänglichkeit des Seins erinnert! Wie repetetiv die Akustikgitarre den Swans Grüße entbietet! Wie der dunkle, häufig fast melodielose Gesang in so gut wie gar kein Genre passen will! Schön, schön, und längst nicht ausreichend: Obschon sich die Band in ihren Songs verlieren mag, gibt es immer wieder abenteuerliche Ausflüge und Stippvisiten, die den Mitreisenden bei Laune halten. Da kreischt die Gitarre, da ächzt ein Chor, da stimmt eine Frauenstimme ein, da galoppiert die Percussion, da boomboxt ein Drumcomputer, da klimpert ein Klavier, und immer ergibt alles ein stimmiges Bild. Nicht minder erstaunt, dass hier oft die ältesten Stücke am zeitgenössischsten klingen; das muss man wohl visionär nennen.

Man wundert sich, wie homogen die Stücke zusammenpassen, obwohl sie von vier verschiedenen Alben (sowie einer Single und einem Sampler) stammen und jedes Mal andere Mitmusiker die Familie unterstützten. Die Liste der allein auf dieser Compilation vertretenen Gäste ist immens: Ulla Meinecke, The Voodoo, Rainer Kirchmann (Pankow), Burghard Rausch (Agitation Free), Jochen Schoberth (Artwork), Volker Kahrs (Grobschnitt), Harry Payuta sowie eine Vielzahl weiterer versierter Musiker.

Ein schöner Einstieg in das Oeuvre der Band, der auch für sich genommen eigenständig ist. Ab ins All! Da ist schon wer: Die Eule, die Eule!

Tracklist:
01 Landmark Visions (von Ice Cream Phoenix, 2003)
02 In The Web (von Tender, 1999)
03 Space Caravan (von Family Show, 1997)
– Picture Dreams
– The Treasure Dance
– The River And The Gold
04 Souls & Coins (von Royal Hunt, 2006)
05 Betancuria (von Tender, 1999)
– The Conquest
– Morro De La Cruz
– Loveflow
06 Solid Structure (von Ice Cream Phoenix, 2003)
07 Ariel’s Hyperdrive (von Family Show, 1997)
08 Close To The Dustheap (von Royal Hunt, 2006)
09 The Inca Cosma Fudge (von The Inca Cosma Fudge 7“, 2009)
10 Operation Stardust (Cockpit Edit) (von Operation Stardust. 45 Years Of Perry Rhodan. An Interstellar Song Collection, 2006)