Simple Minds – Live In The City Of Angels – BMG 2019

Von Matthias Bosenick (17.12.2019)

Das Vierzigjährige feiert man als ausgewiesene Liveband natürlich mit einem Livealbum, das machen Killing Joke und The Cure auch so. Und mit einer Best-Of, das machen OMD auch so. Die Schotten Simple Minds knüpfen mit ihrer Konzertmitschnitt-Variante an ihr erstes Livealbum von 1987 an – und erreichen es trotz erweiterter Opulenz nicht annährend. Sie haben gute Songs, aber offenbar vergessen, dass sie auch Musiker sind, nicht nur Dienstleister. Die wenigen Besonderheiten hätten sich auch auf einer kürzeren Einzel-CD zusammenfassen können, der Rest ist verzichtbar, weil viel zu vertraut. Da gibt es weit bessere Livealben von denen.

Mit dem Titel „Live In The City Of Angels“ deuten die Simple Minds an, dass es sich bei dem Album um ein geschlossenes Konzert aus Los Angeles handelt. Indes, dies stimmt nicht, die Tracks stammen aus diversen Orten der jüngsten US-Tournee, und werden allesamt knapp zwischen einsetzendem Applaus und mitten in Jim Kerrs Anekdoten ausgeblendet. Das lässt zusätzlich zur Ignoranz gegenüber dem nichtmusikalischen Anteil der Konzerte überdies die Reihenfolge willkürlich erscheinen: Sicherlich entstammt beinahe alles aus den diversen Federn der Simple Minds, doch aus so unterschiedlichen Epochen, dass einige Tracks in diesem Kontext wie aus einer stümperhaft bestückten Jukebox klingen. Auf der „Live In The City Of Light“ hatten die unterschiedlichen Songs noch einen durchgehenden Sound – und außerdem eine Seele, die hier viel zu selten durchscheint.

Als Johnny & The Self Abusers begannen die Schotten Ende der Siebziger mit Punk, was man dem Simple-Minds-Debüt „Life In A Day“ von 1979 noch anhört. In den folgenden beiden Jahren experimentierte die Band grandios mit Synthies und Monotonie auf den Schultern von New Wave und Post Punk, um fließend erst ins Radio und dann in den Stadionrock zu gleiten, was in „Live In The City Of Light“ und der Abkehr vom Frühwerk gipfelte. Danach gab es Polit-Folk, dann Folkrock, dann synthetischen Discorock, und im Grunde stecken sie dort noch heute, also seit über 20 Jahren, nur mit jeweils abgewandelten Grundrichtungen. Deshalb wirkt es auch eher wie eine Nummernrevue, wenn die Simple Minds hier lediglich diverse Klassiker und jüngere Faves durcheinanderreihen, anstatt sie zu kuratieren und in einen schlüssigen Kontext zu setzen. Dies gelingt gerade mal auf der dritten CD ansatzweise, wenn sie die Electrodrums der ersten Tage in den Songs der jüngeren beiden Alben aufgreifen.

Diese jüngeren Songs sind zwar catchy, das muss man ihnen lassen, aber vergleichsweise beliebig. Die entsprechenden Alben haben Potential, aber wenig Format, vergleicht man sie mit dem Frühwerk der Simple Minds. Das fällt insbesondere in dieser Zusammenstellung auf. Die zudem noch nicht einmal vollständig ist: Die ersten beiden Alben sind gar nicht berücksichtigt, und auch die neue Single „For One Night Only“, eigens aufgenommen für die parallel erschienene Zusammenstellung „40: The Best Of 1979-2019“, fehlt. Ganz abgesehen vom letzten großen Hit-Album „Street Fighting Years“ aus dem Jahr 1989 sowie drei Alben von rund um die Jahrtausendwende. Da ist man mit der „40“-Compilation umfassender bedient, aber dann fehlt ja die Live-Atmosphäre. Nun, hier auch. Abgesehen von den Gospelgesängen gibt es kaum überhaupt Zeit, dass sich die Simple Minds als Musiker präsentieren dürfen. Sie spielen lediglich die Songs nach, recht originalgetreu. Dann lieber die „Live In The City Of Lights“ oder die „5×5 Live“. Oder eines der anderen zehn bis 50 Livealben der Glasgower.

In der Standard-Version handelt es sich hier um eine Doppel-CD, die es für fanfreundlich wenig Aufpreis auch als Querbuch mit zwei weiteren CDs gibt, die dann die Tracks auf insgesamt 40 summieren und deren Songs auch zusammen auf eine CD gepasst hätten. Sieht schmuck aus, hat seine Momente, ist aber recht verzichtbar. Immerhin ist es ein Souvenir aus Schottland, „das zählt“, sagte der Verkäufer in Edinburgh angesichts der Tatsache, dass es sich bei den Simple Minds um eine Band aus dem eher ungemochten Glasgow handelt.

Tracklist:

01 01 The Signal And The Noise („Walk Between Worlds“, 2017)
01 02 Waterfront („Sparkle In The Rain“, 1983)
01 03 Love Song („Sons And Fascination“, 1981)
01 04 Let There Be Love („Real Life“, 1991)
01 05 Up On The Catwalk („Sparkle In The Rain“, 1983)
01 06 Sense Of Discovery („Walk Between Worlds“, 2017)
01 07 Glittering Prize („New Gold Dream (81-82-83-84)“, 1982)
01 08 Promised You A Miracle („New Gold Dream (81-82-83-84)“, 1982)
01 09 The American („Sister Feelings Call“, 1981)
01 10 Hunter And The Hunted („New Gold Dream (81-82-83-84)“, 1982)
01 11 Stand By Love („Real Life“, 1991)
01 12 Dirty Old Town (Ewan McColl/The Pogues, „Rum Sodomy & The Lash“, 1985)

02 01 Theme For Great Cities („Sister Feelings Call“, 1981)
02 02 She’s A River („Good News From The Next World“, 1995)
02 03 Walk Between Worlds („Walk Between Worlds“, 2017)
02 04 Hypnotised („Good News From The Next World“, 1995)
02 05 Someone Somewhere In Summertime („New Gold Dream (81-82-83-84)“, 1982)
02 06 See The Lights („Real Life“, 1991)
02 07 All The Things She Said („Once Upon A Time“, 1985)
02 08 Dolphins („Black & White 050505“, 2005)
02 09 Don’t You (Forget About Me) (Single, 1985)
02 10 New Gold Dream (81, 82, 83, 84) („New Gold Dream (81-82-83-84)“, 1982)
02 11 Once Upon A Time („Once Upon A Time“, 1985)
02 12 Alive And Kicking („Once Upon A Time“, 1985)
02 13 Sanctify Yourself („Once Upon A Time“, 1985)

03 01 Book Of Brilliant Things („Sparkle In The Rain“, 1983)
03 02 I Travel („Empires And Dance“, 1980)
03 03 Blindfolded („Big Music“, 2004)
03 04 Honest Town („Big Music“, 2004)
03 05 In Dreams („Walk Between Worlds“, 2017)
03 06 Stars Will Lead The Way („Graffiti Soul“, 2009)
03 07 Big Sleep („New Gold Dream (81-82-83-84)“, 1982)

04 01 Let The Day Begin (The Call, „Let The Day Begin”, 1989; „Searching For The Lost Boys“, 2009; „Big Music“, 2014)
04 02 Barrowland Star („Walk Between Worlds“, 2017)
04 03 Midnight Walking („Big Music“, 2004)
04 04 Summer („Walk Between Worlds“, 2017)
04 05 Big Music („Big Music“, 2004)
04 06 Celebrate („Empires And Dance“, 1980)
04 07 The Cross (Prince, „Sign ‘O‘ The Times“, 1987)
04 08 Speed Your Love To Me („Sparkle In The Rain“, 1983)


Nicht berücksichtigt:

„Life In A Day“, 1979
„Real To Real Cacophony“, 1979
„Street Fighting Years“, 1989
„Néapolis“, 1998
„Neon Lights“, 2001
„Cry“, 2002
„For One Night Only“, neue Single auf „40: The Best Of 1979-2019“