Ocean Child: The Songs Of Yoko Ono – Canvasback/Atlantic 2022

Von Matthias Bosenick (16.05.2022)

Wenn man mit den Beatles überwiegend nix anfangen kann, nimmt man Yoko Ono dann in Sippenhaft oder findet man die vermeintlich nervige John-Lennon-Witwe dann erstrecht gut? Auf „Ocean Child“ sammelt Kurator Benjamin Gibbard einen Haufen alter Helden und Jungspunde, die dem Oeuvre der Avantgardekünstlerin anlässlich ihres 89. Geburtstags Tribut zollen – und von der Avantgarde bleibt hier nicht allzuviel übrig. Es ist natürlich schwierig, die aufgrund der Teilnahme von Yo La Tengo, David Byrne, Stephin Merritt und The Flaming Lips erworbenen Neubearbeitungen zu bewerten, wenn man die Originale nicht kennt, weil man für sich den Faktor Sippenhaft zur Anwendung bringt, aber für sich genommen sind die allermeisten der 14 Songs hier eher langweilig. Oder positiv ausgedrückt: Man kann zu diesem Album prima chillen.

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The Rude Revolution – Stay Rude Stay In Solidarity – Rude Revolution 2021

Von Matthias Bosenick (09.02.2022)

Antifaschistische Bands für antifaschistische Projekte: Das Ska- und Oi!-Kollektiv Rude Revolution mit dem trinkfesten Krokodil als Logo sammelt Songs von Musikgruppen, die mit ihrem Beitrag für den Sampler „Stay Rude Stay In Solidarity“ die Arbeit vom Bündnis gegen Rechts Braunschweig und vom Kulturzentrum Nexus unterstützen, die sich den Erlös aus dem Verkauf dieser Schallplatte teilen. Diese international belegte Auswahl eint, dass sie allesamt Nexus-Bühnenluft in den Lungen tragen und in der breiten Palette zwischen eben Ska und Oi!-Punk nicht nur Haltung zeigen, sondern auch noch gute Laune im Köcher haben.

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Spezial: Head Perfume Records

Von Matthias Bosenick (18.01.2022)

Zwei neue LPs bringt der Dresdener Tausendsassa René Seim auf seinem Label Head Perfume Records heraus, in denen der Fuzz eine wesentliche Rolle spielt: „Always Memphis Rock And Roll – Volume 1“ ist eine Zusammenarbeit mit Robert Wyatt von Black & Wyatt Records aus der titelgebenden Gegend mit Songs, die mehrere Jahrzehnte abdecken und die große Bandbreite lokaler Mucker dokumentiert, und die Compilation „Hotzenplotz“, die den Anschein einer Zusammenstellung diverser Artisten hat, indes ausschließlich den verstorbenen Oldenburger Krachmacher Nils Damage in all seinen Inkarnationen portraitiert. Lärm!

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Nick Cave & The Bad Seeds – B-Sides & Rarities Part II – BMG 2021

Von Matthias Bosenick (23.11.2021)

Solche B-Seiten- und Raritäten-Compilations sind ja immer Dienst am Sammler und am Fan, und Nick Cave bietet diesen Dienst jetzt zum zweiten Mal an. Abgedeckt ist der Zeitraum zwischen „Dig, Lazarus, Dig!!!“ 2008 und „Ghosteen“ 2019, also genau der des Wechsels vom physischen Krawall in den transzendentalen Ambient-Trance. Diese Entwicklung bescherte dem Todespoeten eine neue Aufmerksamkeit, doch muss man sich als Altfan damit anfreunden können, dass bei Nick Cave aus dem Rock’n‘Roll ein immerhin kunstvolles, aber ein Wimmern wurde. Die erste dieser Doppel-CD ist für jene die attraktivere, die zweite zwar schön chillig, aber eine Rückkehr zum Krach wäre allmählich echt mal begrüßenswert.

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Human Impact – EP01 – Ipecac 2021

Von Matthias Bosenick (18.10.2021)

Das hier ist wohl das größte Geschenk für alle, die Bock auf mehr haben von Bands wie Swans, Cop Shoot Cop oder Unsane, und die sich Musik wünschen, die wie eine Mischung daraus klingt: Human Impact ist eine Quasi-Supergroup aus New York, die aus Mitgliedern ebenjener Bands besteht, entsprechend todernsten brachialen handgespielten US-Industrial mit Groove, Härte und Noise macht und mit „EP01“ diverse Online-Singles zu einem Compilation-Album auf Vinyl bündelt. Das ist gleichzeitig oldschool und in dieser Mischung so gut wie originell, mithin erfrischend neu.

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The Problem Of Leisure: A Celebration Of Andy Gill & The Gang Of Four – Gill Music 2021

Von Matthias Bosenick (28.07.2021)

Was haben Herbert Grönemeyer, Helmet und Killing Joke gemeinsam? Sie sind Teil eines Tribute-Albums! Wie nun aber nähert man sich solchen Vorreitern wie Gang Of Four, wenn man dazu angehalten ist, sich ihres Oeuvres in ehrerbietender Form anzunähern? Im Jahr Eins nach Andy Gills Tod sammelt sein Label 20 Neueinspielungen und Interpretationen der Indierockerfinder, die der Chef noch selbst in Auftrag gegeben hatte. Interessanterweise sind die Hauptnutznießer dieser Vorreiterschaft, nämlich die Indiediscoepigonen der Nullerjahre, hier gar nicht vertreten. Nicht einmal ausschließlich Postpunks und Indierocker sind ausgewählt, auch Electrospielereien, Dub und Trip Hop bilden das neue Gewand der in Insiderkreisen altvertrauten Hits. So gemischt ist auch das Ergebnis, wenngleich den meisten doch vor lauter Ehrfurcht der künstlerische Mut abgeht. Das Cover ist ebenfalls gemischt, der Plüschhund hat unzählbar viele verschiedene Farben, das ist hübsch.

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Spezial: Klangwirkstoff-Records

Von Matthias Bosenick (02.02.2021)

Chillige Musik für unchillige Zeiten: Auf dem Berliner Label Klangwirkstoff veröffentlichen Bert Olke und Tom Wölke Musik von Künstlern, die wie sie selbst Töne aus den Rotationen von Planeten und Molekülen errechnen. Dem legen sie die Kosmische Oktave von Hans Cousto zugrunde; hier begegnen Wissenschaft und Esoterik einander, was in jedem Fall in entspannte akustische Traumreisen mündet. Möge das Schlagwort Ambient an dieser Stelle einmal fallen. Ein Überblick vermittels vierer Alben aus dem Labelkatalog.

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The Wedding Present & Friends – Not From Where I’m Standing – Come Play With Me 2020

Von Matthias Bosenick (01.02.2021)

Die meisten dieser Lieder leben sogar mehr als zweimal: David Lewis Gedge, seines Zeichens Bandchef der dem Covern gegenüber ohnehin schon immer sehr aufgeschlossenen englischen Indie-Helden The Wedding Present, schart eine Schar Freunde um sich, um mit ihnen eine auserlesene Auswahl an Titelmelodien des Kino-Franchises „James Bond“ neu einzuspielen, und zwar für den nicht minder legendären Guten Zweck. Die gute Nachricht: Den meisten der Originale entnehmen Gedges Freunde den Pathos und das Drama, man kann die 20 Lieder einfach als schöne Indierockcompilation mit latentem Erinnerungsfaktor durchhören. Den Vergleich mit den charakterstarken Originalen der Sechziger und Siebziger hat man latent im Ohr, insbesondere deren gesangliche Qualität ist dabei unerreicht.

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Spezial: Marc Gordon Sloan

Von Matthias Bosenick (27.11.2020)

Das ist Bassmusik: Anlässlich seines Corona-Projektes „Reel To Real Volume 1“ steckte der New Yorker Bassist Marc Gordon Sloan gleich noch zwei weitere seiner Alben in den Briefumschlag, und zwar die Post-Punk-No-Wave-Retrospektive „Divine Bones“ sowie die Country-Überraschung „Portrait Of The Musician As Forever Moonlight“. Am Corona-Projekt beteiligten sich mit ihm zehn über die ganze Welt verteilte Künstler, darunter auch die Braunschweiger blackhole-factory.

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Dan Yell – Hirnfick, Scheusal & ich – Dan Yell 2020

Von Matthias Bosenick (18.11.2020)

Nach der Lektüre dieses Büchleins hätte der Rezensent dem Autoren davon abgeraten, es zu veröffentlichen. In „Hirnfick, Scheusal & ich“ macht Dan Yell seine Sicht auf eine toxische Beziehung zu einem anderen Punkmusiker öffentlich und legt sein Inneres offen. Für ihn ist es Verarbeitung, für den Genannten womöglich Provokation sowie für den Leser eine Art Brief mit der Nacherzählung der Geschichte und einer von sehr vielen Varianten, mit so etwas umzugehen – jedoch nicht in aller Augen die beste. Als psychologisches Lehrstück für die subjektive Auseinandersetzung mit Mobbing ist es passabel, als Hilfestellung nur bedingt. Dem Büchlein liegt wahlweise eine CD oder ein Tape mit der Punk- und Wave-Musik bei, die im Text Erwähnung findet.

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