Durchströmungen II: Klangkräfte – Separated Beats 2022

Von Matthias Bosenick (29.12.2022)

Überraschend poppig gestaltet sich die Schein-Compilation „Durchströmungen II: Klangkräfte“ auf dem Klangwirkstoff-Sublabel Separated Beats, das bisher vorrangig (nicht ausschließlich!) mit Experimentellem oder etwas vom weiten Feld des Ambient in Erscheinung trat. Für seine zweite Sammlung rief Benjamin „Ben“ Bekeschus mit Tales Unfolding ein neues Alter Ego ins Leben, unter dem er die Tracks erstellte, unter Zuhilfenahme vieler Freunde Einsatz. Diese 15 Tracks und Remixe sind dicht, beatbetont, melodiös, partiell oldschool bis in die Siebziger bis Neunziger vom Proto-Ambient über Radiopop, Dub und Dancefloor bis Esoterik, stecken voller Details und hören sich gut weg. Und setzen Bekeschus‘ erste Durchströmungen „Glaswolken“ von vor einem Jahr angemessen fort.

Das Album beginnt mit einem am Futurepop angelehnten, beim Glamrock ausgeborgten Dreivierteltakt, der den Opener mit dem bildhaften Titel „The Midnight Glowing Jellyfish Choir“ gleich nach vorn treibt. Das teilen die „Klangkräfte“ und die „Glaswolken“: clubbige Beats, knackige Rhythmen, die Leidenschaft am Wumms. Die folgenden Tracks decken sämtlichst wechselnde Stile und somit Stimmungen ab, da testet sich der Steel-Tongue-Fabrikant breitestmöglich kreativ aus. Einerseits verwendet Bekeschus selbst zu jedem Track passende wechselnde Sounds und Samples, andererseits legen die Originalkomponisten der Tracks, die er remixt, ihm ja wechselnde Grundlagen zu Füßen.

In seinen Universen, die Bekeschus hier generiert, bedient er sich, wo er nur kann. Da erklingen fernöstlich anmutende Chöre, amerikanische Ureinwohner-Instrumente, fluffy Ambient-Sounds, Bigbeats, Tribal-Percussions, Achtziger-Bombast-Synthies, Neunziger-Chartspop-Effekte, opulente Filmmusik, spaciger Dub, dunkler Gruft-Synthiepop, epische Clubsounds und mehr. Die Tracks sind dabei keine Songs, haben also keine klassische Liedstruktur und sowieso keinen Gesang, sondern eben Tracks, die entsprechend Stimmungen abbilden und ihren Zwecken nachkommen, also tanzbar sind, eskapistisch, sportlich, clubby, chillig, und diese Zwecke mit einem Riesenfundus an Ideen erfüllen.

Diese 15 Tracks entstammen überwiegend der Feder von Ben Bekeschus, dazu finden sich darunter auch Remixe. Orange sind dabei, die Band um Rainer von Vielen, der mit seinem Projekt Oriom ja Quasi-Labelpartner ist;  Bekeschus remixt deren Track „Weil der Puls“, im Original 2009 auf deren Album „Hu“ erschienen. Eine andere Remixgrundlage stammt vom Greifswalder DJ Silvio Marquardt, dessen „Von den Gedanken der Welt“ 2007 als 12“-B-Seite zu „Heimweh“ erschien. Das dritte und letzte Original ist „Force Majeure“, das Jonathan Neumann 2021 als Single veröffentlichte; offenbar ein Newcomer. Seinen eigenen Opener mit der Qualle lässt Bekeschus später jeweils von Archaeo:Pteryx und Dub Diary neu bearbeiten. Zum Abschluss schlägt Bekeschus eine Brücke zu den „Glaswolken“, indem er sei dortiges Alias Aus.Gleich erneut auftreten lässt und es als Tales Unfolding selbst remixt. Und mit dem Titel-Index „II“ ist nun endgültig bestätigt, dass Bekeschus diese Reihe fortsetzen will – darauf darf man sich freuen.