Andreas Reiffer (Hg.) – Die Wahrheit über Braunschweig – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (28.08.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Vermutlich gibt es 250.000 Wahrheiten über Braunschweig, in diesem Buch sammelt Verleger Andreas Reiffer mindestens 14: So viele Autoren lassen sich nämlich in diesem Sammelband über ihre (Wahl-)Heimat aus. Daraus ergibt sich eine Stil- und Themenvielfalt, die angemessen beachtlich ist, aber Reiffer selbst stellt in seinem Vorwort berechtigt fest, dass es ein gewagtes Unterfangen ist, „Die Wahrheit über Braunschweig“ überhaupt breitenwirksam zusammenstellen zu wollen. Das vorliegende Ergebnis ist gottlob recht vollständig, doch hätte auch das Nichterfüllen dieses Vorhabens nichts ausgemacht: Die Crème de la Crème der Braunschweiger Literatenszene reicht sich den Staffelstab hin und her, dazwischen tummeln sich eher Unbekannte und sogar ein offensichtlich Ausgedachter. Zwischen Lobhudelei und Lästerei pendeln die Beiträge, entsprechend zwischen Humor und Herzangelegenheit. Und: Nach der zweifelsfrei unterhaltsamen Lektüre fühlt man sich dazu animiert, ergänzend sein eigenes Kapitel hinzuzufügen; nicht wegen einer vermeintlichen Unvollständigkeit, sondern aus Leidenschaft. Zumindest, wenn man Braunschweiger ist.

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Ronald R. Klein & Stefan van Zwoll (Hg.) – Schimmel über Berlin – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (05.07.2015)

„Schimmel über Berlin“ ist eine seltsame Anthologie. Sie gibt im Klappentext vor, eine von mehreren Autoren abgefasste Abhandlung mit alternativen Blicken auf das immerwährende Hypethema Berlin zu sein, doch wer das Buch deswegen kauft, wird enttäuscht, denn es stimmt nicht. Es sind haufenweise Beiträge ohne Berlinbezug dazwischen, und wo etwa in Interviews auch mal Berlin angesprochen wird, geschieht dies nur unter ferner liefen. Man tut sich vielmehr einen Gefallen damit, das Buch nicht wegen Berlin zu erwerben (oder auch, für diejenigen, denen Berlin als Thema einfach mal geflissentlich auf den Sack geht, trotz Berlin), sondern um seiner selbst willen, und dann bietet es dem Leser eine überraschende Bandbreite an Prosa, Lyrik, Meinungen und Kunst an; auch qualitativ ist die Bandbreite groß: Nicht alles gefällt, aber das Gefallende ist dann wiederum besonders gut. In der Tat: ein schräger Mix.

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Holger Makarios Oley & Frank Pichelstein Bröker (Hg.) – Haus aus Stein Nr. 8: Der Abend ist gelungen – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (15.06.2015)

Es bleibt dabei: Wer nicht in irgendeiner Form bereits vom Pratajev-Virus infiziert ist, hat vermutlich seine liebe Not, sich nachträglich vom Oeuvre rund um den fiktiven russischen Allroundhelden mitreißen zu lassen. Obgleich die beiden Initiatoren in der Genese des Pratajev-Universums sehr einfallsreich sind, zündet nicht jeder Gag, fällt nicht jede Übertreibung ins Fach Satire, bringt nicht jede Wiederholung einen vertiefenden Blick auf Details; zumindest für den Nicht-Fan nicht. Dem entgegen stehen kluge Aphorismen, nur scheinbar absurde Lyrik und angenehm hanebüchen gesponnene Geschichten, an denen man auch als Pratajev-Novize Gefallen finden kann. Als solcher liest man den achten Band mit Auszügen aus den jüngsten Begebenheiten rund um die Pratajev-Gesellschaft daher nur mit gemischter Freude, aber immerhin nicht ganz ohne.

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Lord Schadt – Das wahre Buch vom nördlichen Bettenland: Eva G. Hamilton im Gespräch mit Maren von Monkiewitsch – CreateSpace Independent Publishing Platform 2015

Von Matthias Bosenick (08.06.2015) / Auch auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Meta meta fake meta fake fake meta fake – oder so: Lord Schadt generiert ein Interview zwischen seiner erfundenen Performancekünstlerin Eva G. Hamilton, unter deren Namen er in der Vergangenheit tatsächlich existierende Werke anfertigte, und Maren von Monkiewitsch, einer eigens dafür erfundenen Redakteurin eines pseudointellektuellen Brüsteheftchens. Dieses Gespräch quasi seiner selbst mit sich selbst nutzt der Lord nun, um seine eigene nonkonforme Haltung unter die Menschen zu bringen, durchmengt von satirischen Übertreibungen sowie sexuellen und pornografischen Fantasien, die besonders dann möglich sind, wenn man sie jemand anders in den Mund (oder sonstwohin) legen kann. In diesem Rundumschlag zeigt sich der Autor als ausgesprochen fantasievoll, kenntnisreich, kritisch und humorvoll. Er vergießt Spott und Häme, er fabuliert schmierig herum, er schwärmt aber auch von den Dingen, die es ihm wert sind, und formuliert Gegenentwürfe zum bestehenden Gesellschaftskonstrukt. Selten war ein Schlagwort so passend wie hier dieses: „Mindfuck“.

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Holger Reichard & Karsten Weyershausen – Stadt. Land. Flucht. – Schwarzkopf & Schwarzkopf 2015

Von Matthias Bosenick (16.05.2015) / Auch auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Die Diskussion darum, ob die Lebensqualität auf dem Land oder in der Stadt höher ist, ist vermutlich so alt wie menschliche Wohnbebauung, aber die beiden befreundeten Autoren Holger Reichard und Karsten Weyershausen widmen ihr dennoch genau jetzt ein ganzes Buch. Hätte schiefgehen können, tut es aber ganz und gar nicht: Jeder von beiden bevorzugt einen von beiden Standorten, und was ihre anekdotische und analytische Betrachtung so verschlingbar macht, ist die Differenziertheit. Jeder von beiden sieht Vor- und Nachteile in beiden Varianten. Keine Sichtweise wird verherrlicht, die andere nicht rettungslos bloßgestellt. Positiv dazu kommt, dass die beiden Autoren einen auf den ersten Blick vielleicht betulichen, in Wahrheit aber seriösen, kompakten und treffenden Schreibstil haben, angenehm frei von Allüre, Attitüde und Schenkelklopferhumor. Dieses Buch macht Spaß.

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Toddn Kandziora – Im Hohlraum der Jahre – Buchbauer/epubli 2015

Von Matthias Bosenick (13.05.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

In seiner Buchbauer-Reihe gibt der Randbraunschweiger Toddn Kandziora befreundeten Autoren eine Plattform für ihre Texte. Die Nummer zehn nimmt Toddn selbst ein, mit Geschichten um die Figur Wotan Engel, die hauptsächlich in den 80ern stattfinden und ein Bild dieser Zeit abgeben, das die Massen so eher nicht erlebt haben dürften. „Im Hohlraum der Jahre“ feiert zwar in gewisser Weise die Jugend, zelebriert aber nicht den medial ausschlachtbaren 80er-Geist mit Smileys, Rubikwürfeln und Nena. Ich-Erzähler Wotan Engel berichtet aus den unteren Schubladen der Existenz, von der Gesellschaft meistens gar nicht wahrgenommen, und wenn doch, dann verschmäht. Dieses Buch trumpft einerseits mit krassen Erlebnissen bis weit über die Kotzgrenze hinaus auf, stellt aber hauptsächlich einen wehrhaften Tritt zurück dar, gegen Gesellschaft, Staat, System, Willkür. So, wie Toddn es darstellt, stellt man sich selbst zumindest meistens an seine Seite und möchte sich mit ihm zusammen wehren. Na ja, und ihm zusätzlich fürs nächste Mal einen Lektor an die Hand geben.

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Marcel Pollex – In höflicher Ablehnung – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (13.04.2015) / Auch erschienen auf Kult-Tour – Der Stadtblog

„Höflich“ ist gelogen, die „Ablehnung“ hingegen quillt tatsächlich aus allen Zeilen, die Marcel Pollex zu kleinen Texten formt und in diesem, seinem ersten, Buch versammelt. Spürbar angewidert befasst sich Pollex mit den Themen des Zeitgeistes, und dies auch oftmals mit dessen Mitteln. Er verabscheut die popkulturellen, mainstreamigen Inhalte und Bewegungen, doch um sich auf diese seine Weise mit ihnen auseinanderzusetzen, muss er sie konsumiert haben, was bei seiner Haltung wahrlich kein Vergnügen gewesen sein kann. So bewegt er sich zwar einerseits auf massentauglichen Feldern, dies allerdings in einer Gangart, die das Gegenteil von massentauglich ist. Das macht es schwierig, eine Zielgruppe zu finden, denn wer zwar seine Haltung teilt, interessiert sich aber nicht zwingend für die Ziele seines Spottes, und wer dies doch tut, wird seinem Werk vermutlich eher nicht begegnen. So erfreut man sich als Leser (und Hörer, dem Buch liegt ein Download-Code bei) an der Sprache, derer sich Pollex befleißigt und die für sich eine wesentliche Besonderheit seiner Arbeit ausmacht.

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Marc Domin – Der Todesbiss der schwarzen Nonne/Lichtreflexe Of The Love – Marc Domin 2015

Von Matthias Bosenick (02.04.2015)

Mit seinem neuesten Doppelpack, bestehend aus Buch und CD, festigt Marc Domin seinen Stand als wandelnde Provokation. Fischt er auf der Akustik-CD „Lichtreflexe Of The Love“ thematisch noch vornehmlich in beinahe klassischen Punk-Gewässern, tritt er in dem dreigeteilten Buch „Der Todesbiss der schwarzen Nonne“ mehrheitlich über die Ufer des guten Geschmacks. Das Heft ist ein Stinkefinger in sämtliche Richtungen, sowohl formal als auch inhaltlich. Er hält sich an keine Erwartungen und zeigt keinen Respekt vor auch nur irgendetwas. Man fragt sich, was einen so entwaffnend charmanten und großherzigen Menschen künstlerisch so bodenlos werden lässt. Die Lektüre des Buches jedenfalls findet doch sehr unter Schmerzen statt, ein reines Vergnügen treibt Domin dem Leser gekonnt aus. Dafür bekommt man von ihm etwas anderes, was ist es nur: Voyeurismus? Schadenfreude? Genugtuung? Rebellion? Oder schlicht Punkrock?

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Andreas Reiffer (Hg.) – Die Wahrheit über Heavy Metal – Verlag Andreas Reiffer 2015

Von Matthias Bosenick (15.03.2015)

Am Ende dieses Buches wird – mindestens zwischen den Zeilen – klar: „Die Wahrheit über Heavy Metal“ ist, dass es sie nicht gibt. Es gibt unzählige Aspekte und Fassetten, und diese Vielschichtigkeit und Ambivalenz wird in den hier versammelten Texten über die Schwermetallmusik deutlich. Heißt: Die Jungs sind längst nicht so hart, wie sie gern aussehen wollen, und die Mädels sind nicht einfach nur optisches Beiwerk. Ansonsten ist im Heavy Metal vielleicht nicht alles, aber doch weit mehr möglich als in vielen anderen Subkulturen, und sei es nur die Selbstironie. Die Erfahrung belegt: Metaller sind zum Knuddeln nett. Sie geben sich nur gern so, als stimme dies nicht.

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Frank Bröker/H. Makarios Oley – Pratajev: Medizin und Fetisch – Verlag Andreas Reiffer 2014

Von Matthias Bosenick (07.10.2014)

Um diesem Büchlein in aller Pracht gerecht werden zu können, ist es wohl erforderlich, sich mit dem schon recht umfangreichen Gesamtoeuvre über den fiktiven Allrounder Pratajev auseinanderzusetzen. Ohne dieses Vorwissen erscheint „Medizin und Fetisch“ wie ein zu sehr konstruierter Sohn von „Arnold Hau“, der zumindest einige unterhaltsame Geschichten zusammenfabuliert.

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