Liegengeblieben!

Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.

Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.

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Hatred Inherit – Void – Pest Records 2025

Von Matthias Bosenick (16.06.2025)

Schlagzeug und Bass überholen alle anderen, da kommen selbst die Gitarren kaum mit. Zur Abrundung gibt’s Growlen obendrauf. „Void“, das zweite Album der Bottroper Hatred Inherit, ist im Death Metal angesiedelt, allerdings kann man bei dem Tempo auch den Black Metal annehmen. Oder auch mal zwischendurch zu Thrash Metal entspannt mit dem Kopf nicken, der Nacken bekommt noch früh genug wieder sein Fett weg. Und Melodien können die fünf auch! Nur eines nicht: gute Laune – zum Glück.

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Agabas – Hard Anger – Agabas 2025

Von Matthias Bosenick (16.06.2025)

Der Titel passt wie die Faust aufs Butterbrot: „Hard Anger“ knallen einem Agabas aus Trondheim um die Ohren, als Amalgam aus irgendwie Hardcore, irgendwie Metal und irgendwas mit Saxophon. Ausgehend von Oldschool-Elementen, preschen und dreschen die sechs Norweger einem ihre eigene Vision dessen ins Antlitz, wie man sich künftig musikalisch die Rübe einkloppt. Jedes Break sitzt, das Screamo-Geschrei passt, das Saxophon führt sich auf wie ein natürlicher Bestandteil von allem, was brutalst das Gesicht eindrückt. Zurückhaltung, Wiedererkennbarkeit und Struktur sind Agabas dabei auch nicht fremd, damit runden sie dieses Album ab.

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The Young Gods – Appear Disappear – Two Gentlemen Records 2025

Von Guido Dörheide (14.06.2025)

Von den Young Gods aus der Schweiz habe ich – damals als Kind – zuerst gelesen, dann ihre dritte Veröffentlichung „Play Kurt Weill“ (mit wunderbaren Industrial-Versionen von Songs aus der „Dreigroschenoper“ und „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“) gehört, bei meinem Gifhorner Freund Klaus, dem ich ohnehin einen großen Teil meiner musikalischen Sozialisierung zu verdanken habe.

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Van Morrison – Remembering Now – Exile/Virgin 2025

Von Guido Dörheide (13.06.2025)

Von Van The Man zu Ivan The Horrible oder um nicht zu sagen „Schorsch Ivan, hör auf am sabbeln, die Leute gucken schon!“, so stellte sich der Werdegang des gerade mal knapp über anderthalb Meter großen Nordiren seit Corona leider dar. Nun bricht man nicht einfach mal so eben mit dem Schöpfer von „Gloria“ und „Brown Eyed Girl“ sowie dem Interpreten von „It’s All Over Now, Baby Blue“, nein, sowas macht man sich schwer und hadert mit sich und versucht, Künstler und Kunstwerk zu trennen. Was im Falle von Schorsch Ivan nicht ganz so einfach ging, weil er ja sein Geschwurbel auch in seine Texte hat einfließen lassen. Dazu höre man sich gerne mal „What’s It Gonna Take?“ aus dem Jahr 2022 an, Kotztüten verschicke ich gerne auf Anfrage.

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Spezial: Nemu Records – Fünf Veröffentlichungen – 2022-2024

Von Matthias Bosenick (13.06.2025)

Seine letzten fünf Veröffentlichungen teilt das Jazz-Label Nemu Records. In dieser Sparte gibt es keine Band- oder Projektnamen, hier heißen die Zusammenkünfte wie die Beteiligten, und ein Name taucht auf allen fünf Covern auf: Klaus Kugel, Schlagzeuger und Percussionist – und gleichzeitig einer von zwei Labelbetreibenden. Zu hören gibt es hier: „Live At FreeJazzSaar 2019“, „No ToXiC“, „Black Holes Are Hard To Find“, „Yamabiko Quintet“ und „Transitions – Transatlantic Five“.

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Pale Blue Dot – (h)eart(h) – Pale Blue Dot 2025

Von Matthias Bosenick (11.06.2025)

Hier kommt eine Menge Neunziger-Indie zusammen: Shoegaze, Indierock, Post Punk, Wave Rock, bis hin zu modernem Post Rock. All dies bündelt das Quartett Pale Blue Dot aus der Gegend um Bologna auf seinem Debüt „(h)eart(h)“ zu einem überzeugend einheitlichen und harmonischen Gemenge, das weit weniger sperrig ist als sein Titel, der wiederum an die Bedeutung des Bandnamens anknüpft. Hier obwaltet Schönheit, man darf in dieser Gitarrenmusik versinken.

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Chakra Vimana – Feed My Soul – Tonzonen Records 2025

Von Matthias Bosenick (10.06.2025)

Wieder so ein Album, das „Rock“ auf seine Schublade schreibt, aber so gut wie keinen bietet – dafür eine ganze Menge anderer Schubladen bedient. Der Rock steht bei Chakra Vimana in Kombination mit dem Prog, und wer in dem Gewässer reüssieren will, zieht mit diesem Etikett erstmal Aufmerksamkeit auf sich und bedient dann lauter Untergenres. Space, Ambient, Pop, epische Weiten, auch mal Grooves und ja, so etwas wie Rock, dazu Berliner Schule, Neoprog und abermals und immer wieder irgendwas Spaciges. „Feed My Soul“ ist das Produkt dreier Progverrückter, die sich horizontüberschreitend austoben.

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Y.E.R.M.O. – Collision Zone (Remaster) – Antibody Label 2025

Von Matthias Bosenick (05.06.2025)

Die knapp 33 Minuten dieses experimentellen Tracks beginnen mit gut 15 Minuten Lärm am Stück. Und zwar so richtig Lärm, der bis in die Haarspitzen schmerzt. Weil er einfach durchzieht, weil er Druck ausübt, weil er nicht abreißt. Damit gelingt es dem belgischen Projekt Y.E.R.M.O., dass man sich beim Hören sogar noch entspannt fühlt. Das ist Yoga für Leute, die als Antwort auf die Schwere des Lebens etwas noch Schwereres brauchen. Durchhalten wird belohnt: Nach der Hälfte verändert sich der Track völlig – und wird sogar noch richtig schön verregnet. Erschienen 2009 als Soundtrack zu einer Biennale-Ausstellung in Venedig, gibt’s diesen Track jetzt remastert wieder.

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Mark Pritchard & Thom Yorke – Tall Tales – Warp Records 2025

Von Matthias Bosenick (04.06.2025)

So richtig klar wird nicht, warum Mark Pritchard und Thom Yorke einander brauchten, um „Tall Tales“ zu erstellen. Die Erwartungen an dieses gemeinsame Album sind hoch, zumal es beim IDM-Label Warp erscheint, aber die zwölf in der Coronazeit per Email entstandenen Tracks hätte jeder von beiden auch allein hinbekommen. Yorkes Wimmern und Pritchards sphärische Ambientsounds lassen jedenfalls beim Hören eher die Schultern als die Seele zucken. Es gibt auch Konturen auf diesem Album, und die sind dann auch ganz attraktiv, aber ohne Wumms, und man behält es allein deshalb nicht als Offenbarung im Hinterkopf.

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