Louise Patricia Crane – Netherworld – Peculiar Doll Records 2024

Von Matthias Bosenick (10.07.2024)

Das Solo-Debüt „Deep Blue“ war vor vier Jahren bereits umwerfend, der Nachfolger „Netherworld“ ist dem mindestens ebenbürtig: Folklore und progressive Rockmusik sind nicht mehr nur Anteil, sondern stehen im Fokus der Kompositionen, die Louise Patricia Crane hier umsetzt. Flöten, Geigen, ausufernde, epische Songs, gefühlvoll und ganz und gar ungruftig, da lässt sich die Nordirin nicht festlegen, trotz ihres vorausgegangenen Einsatzes als Gast bei The Eden House, der Trip-Goth-Band von Ex-Leuten der Fields Of The Nephilim. Das hier ist anders, und das ist auch begrüßenswert gut so.

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Alcest – Les Chants De L’Aurore – Nuclear Blast Records 2024

Von Guido Dörheide (09.07.2024)

Ich bin ja irgendwie immer so ein Spätentdeckender, wenn es um gute Musik geht. Und so wurde ich auf Alcest erst 2019 anlässlich der Veröffentlichung von „Spiritual Instinct“ aufmerksam, also im 20. Jahr des Bandbestehens. Da hätte ich gerne damals was drüber geschrieben, was allerdings bis jetzt, zum Erscheinen von „Les Chants De L’Aurore“ (Hihi, jetzt hätte ich beinahe „Les Chats“ geschrieben, und Odin, Lilli und Fritz sitzen grinsend in der Ecke. Grinsekatzen.) warten musste, weil ich damals Dringenderes, wenn auch nicht Sinnvolleres zu tun hatte. Aber Wurscht, et kütt, wie et kütt, und auch die Chants von Aurora nehmen mich nicht minder gefangen als wie weiland der spirituelle Instinkt. Alcest bestehen vorwiegend aus Schnee, nee ohne Scheiß, ihr Gründer und einzigstes Dauermitglied Stéphane Paut nennt sich allen Ernstes „Neige“, und das nicht, weil ihm die Einfälle für neue Songs irgendwann mal zur Neige gehen, sondern weil das das französische Wort für „Schnee“ ist.

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Schlackrufe BRD 2 – Tutti Frutti Igitt Records 2024

Von Matthias Bosenick (09.27.2024)

Was ist hieran das größte Ereignis: dass es zu der wundervoll beknackten Idee, ein Mischgetränk namens Schlacke zu erfinden und dazu eine Tribute-Compilation herauszubringen, einen zweiten Teil gibt? Dass die 24 Beitragenden mit der Grundierung Punk das Zeug – Boonekamp mit Ahoj-Brause – allem Anschein nach tatsächlich probiert haben? Dass es satte 24 Musikstücke zum Thema gibt, die auch für Punkverhältnisse ordentlich produziert, arrangiert und komponiert sind? Dass sich doch so viele Reime auf „Schlacke“ finden lassen? Der Wahlbremer Nils Bauer alias Plautzenotto, selbst Beitragender hier, fügt diese Rasselbande aus Rasselbands auf seinem Label Tutti Frutti Igitt Records unter dem Banner „Schlackrufe BRD 2“ zusammen, das Tape ist leider bereits ausverkauft. Noch so ein Anwärter für das größte Ereignis in diesem Zusammenhang!

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Patrick Siegfried Zimmer – Memories XXI-XXX – PSZ Recordings 2024

Von Matthias Bosenick (08.07.2024)

Air nun wieder! Watteweich und einkuschelnd setzt der Universalkünstler Patrick Siegfried Zimmer, einst als finn., nur echt mit Punkt und kleingeschrieben, die Musikwelt aufwirbelnd, seine 2018 begonnene autobiographisch motivierte Album-Reihe „Memories“ mit den Kapiteln „XXI-XXX“ fort. Auf diesen handelt er eigene Tagebucheinträge balladesk auf Klavierbasis ab und umpuschelt sie mit Chören, Streichern, großen Gesten und der Vermeidung von Kitsch. Melancholisch und dennoch heilsam ist der Genuss dieses Albums, keine schlechte Medikation in ungestümen Zeiten.

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KMFDM – Let Go – Metropolis Records 2024

Von Guido Dörheide (08.07.2024)

Auf KMFDM ist Verlass, sie hören sich immer so an wie immer und sie liefern und liefern und liefern. Quasi der VW Käfer unter den Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsprodukten. Zuerst hörte ich von der Band mit dem merkwürdigen Namen „Kein Mehrheit für die Mitleid!“ in den 80er Jahren auf Super Channel (erinnert sich noch jemand an diesen Sender?) in einem Bericht über das Berliner Atonal-Festival, auf dem KMFDM neben den Neubauten, Die Haut und anderen wundervollen bundesdeutschen Beiträgen zur Weltkultur auftraten. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich im Jahr 2024 ein neues Werk von KMFDM rezensieren würde. Wobei das nicht Wunder nimmt, denn schließlich veröffentlichen KMFDM seit 1984 ungefähr im Zweijahresrhythmus neue Musik, „Let Go“ ist ihr ungefähr 25. Studioalbum. Also eine weitere vergessene Untergrundinstitution, die ihre langjährige Nichtrelevanz hinter blindaktionistischer Veröffentlichungstätigkeit verstecken muss?

Nein!

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Erra – Cure – UNFD 2024

Von Guido Dörheide (07.07.2024)

Ich mag nun mal keinen Metalcore. Dieses Gegrowle, abgewechselt mit Klargesang, und darüber immer der Versuch, so hart wie nur irgendwas zu klingen, nimmt mich nicht mit. Von nirgendwo und keine Stelle nach hin. Manchmal muss ich aber Ausnahmen machen, und Erra aus Birmingham (hihi, wie Sabbath) aus Alabama (OK, doch nicht wie Sabbath) sind so ein Fall. Vielleicht, weil sie in meinen Augen nur sehr wenig Metalcore und sehr viel Prog Metal machen. Also Djent mag ich (jahaa, ich weiß, Djent is not a genre…), und auch diesen kriegt man bei Erra viel zu hören. Der Gesang ist sehr metalcorig, mit den verzerrten Passagen habe ich keine Probleme, aber auch der Klargesang, wie zum Beispiel im zweiten Song des Albums, „Rumor Of Light“, ist erträglich und sogar gut. Die Stimme gefällt und J.T. Cavey am Gesang macht eigentlich alles richtig. Er lehnt sich mit Schmackes rein, und dazu arbeiten sich seine Mitstreiter am modernen Metal ab, dass es eine Freude ist.

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Deicide – Banished By Sin – Reigning Phoenix Music 2024

Von Guido Dörheide (07.07.2024)

Neue Death-Metal-Musik mit no clean singing ist immer ein Quell für Lebensfreude und Daseinsbejahung. Naja, nicht immer, es gibt ja auch noch Sachen für Unterwegs, SFU, Six Feet Under meine ich, die den geneigten Fan eines besseren belehren, was Qualität und Glaubwürdigkeit im Death Metal betrifft. Immerhin sind Chris Barnes und seine Jungs aus Tampa in Sachen Selbstüberschätzung immer in den oberen 5% des vorderen Drittels unterwegs. „Killing For Revenge“ ist auf jeden Fall Scheiße, und das nicht nur, weil es mir nicht gefällt, sondern weil es qualitativ definitiv gegen alles abkackt, was es sonst noch gibt.

Deicide zum Beispiel, ebenfalls aus Tampa, Florida, eine Band, die einem wunderbar auf die Nerven zu gehen vermag, vor allem deren Sänger Glen Benton ist bisweilen eine echte Landplage, mit umgedrehtem Kreuz auf der Stirn und immer für eine satanistisch/antichristliche Provokation zu haben, Gähn!

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Näcken Du Naon – All The Past Horsed Lights – Antibody 2024

Von Matthias Bosenick (05.07.2024)

Schieben wir mal den Fakt beiseite, dass das Brüsseler Duo Näcken Du Naon seine Veröffentlichung „All The Past Horsed Lights“ mit einem Zitat des menschenverachtenden Arschlochs Aleister Crowley begleitet: Die Musik auf diesem kaum halbstündigen Debüt ist nur wenig als solche zu bezeichnen, Eric Desjeux und Alban Mercier experimentieren erstmal mit ihren digitalen Klangerzeugern, Samplern und sonstigen Gerätschaften herum, um düstere Räume zu schaffen, bis sie im dritten von fünf Tracks erstmals einen Rhythmus finden. Unbequem und eindrucksvoll, weit weg von gewöhnlichem Industrial oder gar Synthiepop, eher noch verwandt mit Neunziger-Warp-Acts wie Autechre, nur auf ihre Weise radikaler.

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The Shepherd – The Beguiling Mind Games – Loud Rage Music 2024

Von Matthias Bosenick (04.07.2024)

Es scheppert bei The Shepherd. Milder Name für eine wilde Band, die noch nicht mal eine ist, sondern das Solo-Projekt des umtriebigen Liviu Ionel Gugui aus Bukarest: „The Beguiling Mind Games“ ist eine halbe Stunde auf die Fresse, Death und Thrash Metal, schnell, laut, fett, groovy, gern auch mal melodiös und stets voller Energie. Das gerade halbstündige Album föhnt einem die Haare weg.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Meine 180-Grad-Wende in der Causa AnnenMayKantereit.

Von Onkel Rosebud

Die wichtigsten beiden Frauen in meinem Leben lieben AnnenMayKantereit. Meine Mutter ist nicht dabei. Gemeint sind Freundin und Tochter. Das groovy, melancholisch Heimelige und natürlich Henning Mays Kratzbürsten-Stimme haben es ihnen angetan.

„Pocahontas“ und das ganze erste Album „Alles nix Konkretes“ (2016) hat mich so gar nicht abgeholt, obwohl alle um mich herum es liebten. Der Sänger sang, es tue ihm leid, und unterlag trotzdem dem Irrtum, achtmal in 3 Minuten und 12 Sekunden den Namen Pocahontas zu wiederholen. Ich empfand mich nicht der Zielgruppe zugehörig. Ich bin halt kein Student mehr mit Motivationsproblemen, morgens früh aufzustehen. Ich tat es ab in den Ordner „Banales Dramatisch Besungen“. Diese „Ist-doch-alles-nicht-so-schlimm“-Lyrik aus der Mittelschichtsblase und das „Wir-spüren-wieder-die-Sonnenstrahlen-auf-den-Wangen“-Gefühl empfand ich als schnurzpiepes Langweiler-Gejammer von Großstadt-Privilegierten. Im Nachhinein ist die Platte schlicht bahnbrechend.

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