The Revenant – Alejandro Gonzáles Iñárritu – USA 2015

Von Matthias Bosenick (07.01.2016) / Auch veröffentlicht auf Kult-Tour – Der Stadtblog

Drei eigene gute Ideen, ein unerbittlich leidender Leonardo di Caprio in ästhetisch eingefangener Landschaft zu hervorrangendem Score und ein allerorts zusammengeklautes Script sind die Quintessenz von 157 Minuten „The Revenant“ von Alejandro Gonzáles Iñárritu. Der einzige Spoiler ist dabei, dass es keinen Spoiler gibt: Da man alles schon unzählige Male gesehen hat, sind einem die Etappen jeweils schon vorher klar. Bei fortschreitender Spieldauer des Films sinkt man umso gelangweilter in den Kinositz. Hier wären kürzer und mutiger besser gewesen – und ein anderer Hauptdarsteller.

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Das brandneue Testament (Le tout nouveau testament) – Jaco van Dormael – B/F/L 2015

Von Matthias Bosenick (08.12.2015)

„Das brandneue Testament“ ist voller hochgradig guter Sequenzen, die Regisseur Jaco van Dormael leider ohne einen schlüssigen Zusammenhalt aneinanderreiht. Die Inhalte sind großartig, doch die Ausrichtung ist beliebig. Vom Punkrock zur Schmalzschnulze, aber beides nicht konsequent. In diesem Film lebt Gott als ein Despot in Brüssel und terrorisiert seine Familie (also Frau und Tochter, der Sohn ist ja schon weg). Die Tochter Ea flieht vor ihm und sammelt sechs Apostel um sich – da schwenkt der Film vom lustiglich fluchenden Gott zum rührseligen Tränenzieher. Beides passt nicht zusammen.

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Ewige Jugend (La giovinezza) – Paolo Sorrentino – I/F/CH/GB 2015

Von Matthias Bosenick (28.11.2015)

Das ist Kino. Paolo Sorrentino empfiehlt sich mit „Ewige Jugend“, international schlicht „Youth“ betitelt, einmal mehr als einer der wenigen zeitgenössischen Regisseure, die Mut genug haben, nicht nur tiefe Geschichten zu erzählen, sondern dies auch noch in visuelle und akustische Kunst eingebettet. Das ist Kino, für das man sein Zuhause verlässt und hernach glücklich wieder dorthin zurückkehrt. Erneut stellt der Fünfundvierzigjährige alte Männer ins Zentrum des Geschehens, hier in einem Sanatorium in der Schweiz. Inhaltliche Komplexität erreicht der Film hauptsächlich über die Dialoge, zusammen mit Sorrentinos typischer Bildsprache und dem kruden Humor ergibt dies ein wahres Kunstwerk. „Ewige Jugend“ ist weniger rasant als noch „La grande bellezza“, aber das passt perfekt zum Inhalt. Grandios.

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The Death And Resurrection Show – Shaun Pettigrew – UK 2013

Von Matthias Bosenick (08.11.2015)

Ein wahrhaftiger Ritt durch zu dem Zeitpunkt 34 Jahre Killing Joke liefert Shaun Pettigrew in satten 150 Minuten. Trotz der epischen Länge muss er die Stationen abhetzen und bei aller Vollständigkeit noch einige Punkte offen lassen. Seine Erzähllinearität ist angenehm, seine Bildsprache wegen des Tempos bald anstrengend, aber doch passend, da es gilt, unzählige Quellen so zusammenzumontieren, dass die Qualität homogen wirkt. Bleibt zu erwähnen, dass sich die Band zeitlebens mit Magie und Okkultismus zum Horst macht und ihr leider tatsächlich irgendwie charismatischer Frontmann Jaz Coleman zwar dicke einen an der Klatsche hat, aber oft genug auch einfach mal richtig liegt in seinen gesellschaftspolitischen Betrachtungen. Und die Mucke von Killing Joke ist nicht nur variantenreich, sondern auch fast immer geil. Einschränkend muss erwähnt sein, dass sich der Film wohl vornehmlich an Fans der Band richtet.

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Embrace Of The Serpent (El abrazo de la serpiente) – Ciro Guerra – KOL/VEN/ARG 2015

Von Matthias Bosenick (06.11.2015)

Ein in vieler Hinsicht spannender Film ist „Embrace Of The Serpent“: Das südamerikanische Zwei-Stunden-Werk zeigt zwei Handlungen parallel, die sich zeitlich versetzt um einen Schamanen aus dem Urwald drehen, der jeweils einem weißen Forscher bei dessen Suche hilft. Dafür überqueren sie jedes Mal dieselbe Strecke auf dem Amazonas. Man verfolgt dabei die Entwicklung, wie sich der Urwald und der vermeintlich aufgeklärte Westen Anfang bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zueinander verhielten. Das Ergebnis ist optisch ansprechend in Schwarzweiß gehalten und pendelt inhaltlich zwischen poetischen Betrachtungen, philosophischen Auseinandersetzungen und unmenschlichen Handlungen. Die Kulturen begegnen sich hier auf Augenhöhe; der „Wilde“ ist dem „Weißen“ nicht per se unterlegen, sie sind gleichwertig und gleichstark, das macht es noch angenehmer, diesen Trip zu begleiten.

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Der Bunker – Nikias Chryssos – D 2014

Von Matthias Bosenick (05.11.2015)

Dem Film eilt der selbstherrliche Ruf voraus, dass man ihn entweder hasse oder liebe. Damit macht man sich es einfach, wenn man meint, Obskurität allein sei ausreichend, um im Idealfalle geliebt zu werden. Der Schuss kann gepflegt nach hinten losgehen, wenn man nicht mehr als das zu bieten hat. „Der Bunker“ hat; zum unumwundenen Lieben reicht aber auch das nicht aus, es gibt schließlich unendliche Welten zwischen Hass und Liebe. Licht und Ton sind brillant, viele Ideen sind besonders; und doch: Nachhaltig behält man diesen Film über die Familie, die in einem Bunker lebt und einen wohnungslosen Studenten in ihre teilweise ungesetzlichen Erziehungsmethoden einbindet, wohl nicht im Herzen.

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Theory Of Obscurity: A Film About The Residents – Don Hardy Jr. – USA 2015

Von Matthias Bosenick (04.11.2015)

Der Film über die Residents ist so schräg wie die Band und wird ihr damit im Grunde gerecht. Wer nun erwartete, nach anderthalb Stunden echte Blicke hinter die Augenmaskerade zu bekommen, hat das Konzept nicht verstanden. Auch ist „Theory Of Obscurity“ keine chronologische Nacherzählung der Bandgeschichte, sondern vielmehr eine Betrachtung des Effektes, den die Band auf ihr Umfeld, die Medien und die Musikszene an sich hat. Immer noch, sie sind nämlich weiterhin aktiv. Der Film beinhaltet zwar den üblichen Mix aus Archivmaterial, Liveperformances und Interviewsequenzen, aber eben mit einer anderen Strukturierung. Am Ende will man den Kühlschrankinhalt haben, den das Museum Of Modern Art erwarb.

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Itsi Bitsi (Steppeulven) – Ole Christian Madsen – DK 2014

Von Matthias Bosenick (04.11.2015)

Puh. Ambivalent ist das Mindeste, was man über den international auf „Itsi Bitsi“ getauften Film „Steppeulven“, also „Steppenwolf“, sagen kann: Er zeigt die Geschichte von Eik Skaløe, einem Dänen, der in den Sechzigern Teil der Gegenkultur war und sich nach nur einem, aber in seiner Heimat gefeierten, Album „Hip“ seiner den Originaltitel gebenden Band umbrachte. Als Blick in die Verhältnisse wäre „Steppeulven“ sicherlich gut gewesen, doch verlegt sich Regisseur Ole Christian Madsen leider darauf, plakativ und oberflächlich den Dreisatz aus Sex, Drogen und Rock’n’Roll abzubilden. Dabei bedient er sich ausschließlich althergebrachter filmischer Klischees, und es gelingt ihm dabei zu allem Überfluss, gleichzeitig stressig zu erzählen und keine Inhalte zu liefern. In Dänemark scheint der Film jedoch funktioniert zu haben; dafür gibt es wohl plausible Erklärungen.

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Men & Chicken (Mænd & høns) – Anders Thomas Jensen – D/DK 2014

Von Matthias Bosenick (19.07.2015)

Über „Dänische Delikatessen (De grønne slagtere)“ und „Adams Äpfel (Adams æbler)“ lachte man vor zwölf und zehn Jahren, weil man den Humor schwarz und subversiv fand. Mit dem Blick zurück als, nun, etwas Erwachsenerer beschleicht einen der Eindruck, dass die Filme doch recht albern und nur pseudoprovokant waren. Regisseur Anders Thomas Jensen und sein damaliges Ensemble legen nun mit „Men & Chicken“ nach, und mit dem Eindruck der Vorgänger im Hinterkopf und dem doch recht klamaukigen Trailer vor Augen fragt man sich, ob man sich den Film wirklich antun muss. Man überredet sich selbst und kommt zu Folgendem: einer halben Handvoll guter Gags sowie der Erkenntnis, dass man sich den Film dafür nicht antun muss.

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Victoria – Sebastian Schipper – D 2015

Von Matthias Bosenick (22.06.2015)

Eine Achterbahnfahrt, sowohl visuell als auch inhaltlich, ist Sebastian Schippers erst vierte Regiearbeit „Victoria“. Im Vordergrund der Berichterstattung über diesen Film steht nicht ohne Grund die Form: Die knapp 140 Minuten sind nämlich an einem Stück gedreht. Doch anders als in Hollywood, wo marginal von der Norm abweichende Effekte schon ausreichen, um einen Film daraus zu machen, weil der Rest dann einfach willkürlich aus dem Drehbuchbaukasten bestückt wird, kombiniert Schipper sein Experiment mit einem überzeugendem und emotional so wechselhaftem wie mitreißendem Plot, dazu überwältigend gut passenden Schauspielern sowie einer Kameraarbeit, die sich nicht darauf beschränkt, einfach nur permanent eingeschaltet zu sein. Alles zusammen lässt den Zuschauer bisweilen vergessen, mit welchen eigenwilligen Mitteln dieser Thriller gedreht ist. Damit akzeptiert man dann auch bereitwillig die nur wenigen Untiefen im Verlauf der Handlung. Respekt vor diesem Werk.

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