Europa – Lars von Trier – DK/SF/D/CH 1991

Von Matthias Bosenick (17.11.2024)

Filmfest in Braunschweig! Und weil Udo Kier den europäischen Schauspielpreis „Europa“ verliehen bekommt, zeigt das Filmfest einige Filme, in denen der Achtzigjährige mitspielte, darunter den nach dem Preis benannten (oder umgekehrt) „Europa“ von Lars von Trier aus dem Jahr 1991, dritter und letzter Teil der „Europa“-Trilogie. Als wäre das nicht sensationell genug, steht der Kölner auch noch nach dem Film dem Publikum Rede und Antwort, beziehungsweise: mehr Rede als tatsächlich Antwort, was seinen Charme nur untermauert.

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Universal Language (Une langue universelle) – Matthew Rankin – CDN 2024

Von Matthias Bosenick (14.11.2024)

Filmfest in Braunschweig! Zum persönlichen Einstieg in die 38. Cineastenparty gibt’s „Universal Language“, einen Film, der in einem Kanada spielt, in dem vornehmlich Farsi gesprochen wird, sofern nicht Französisch, der vor öder brutalistischer Kulisse stattfindet und der mit aberwitzigen Absurditäten nur so gespickt ist, die im Finale dramatisch zusammenlaufen. Experimenteller Zitatepop mit originärem Kern.

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The Room Next Door (La habitación de al lado) – Pedro Almodóvar – E/USA 2024

Von Matthias Bosenick (07.11.2024)

Emotionen sind hier nicht plakativ sichtbar, aber Thema: Die todkranke Martha bürdet der entfernten Freundin Ingrid auf, sie bei ihrem Freitod zu begleiten – an sich die Basis für haufenweise Wehklagen, doch Pedro Almodóvar inszeniert „The Room Next Door“, die Verfilmung des Romans „Was fehlt dir? (What Are You Going Through?)“ von Sigrid Nunez, als Informationsaustausch auf intellektueller Ebene. Das ist wohltuend, weil man sich weniger manipuliert fühlt. Der Regisseur geht zudem stante pede in medias res und fesselt trotz des zumeist theoretischen Aufbaus über die gesamte Spielzeit die Aufmerksamkeit der Betrachtenden. Außerdem begeistern, wie beim früheren Enfant Terrible gewohnt, die Bilder – und Tilda Swinton ist der nächste Pluspunkt.

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Der wilde Roboter (The Wild Robot) – Chris Sanders – USA 2024

Von Matthias Bosenick (23.10.2024)

Die Klaviatur des Kitsch wird hier voll ausgespielt, jede Tränendrüse getriggert, jedes verfügbare Mittel angewandt: Zwar kommt der Animationsfilm „Der wilde Roboter“ aus dem Hause DreamWorks, fühlt sich aber nahezu komplett wie Disney an. Lediglich nahezu, weil hier eine Menge schwarze Gags zum Thema Tod eingebaut sind, die man beim Vater im Geiste eher nicht erwarten würde. Die Handlung klappert die konventionellen kinderfilmgerechten Kernelemente ab: Menschlichkeit, hier gespiegelt im Verhalten eines Roboters, Freundschaft, Frieden, Selbstbehauptung als Underdog (bzw. Undergoose), Selbstvertrauen, all sowas, dargelegt anhand anthropomorpher Charaktere einer von Humanoiden unbewohnten Insel. Wischt man das alles beiseite und konzentriert sich allein auf die Optik, wird man von diesem Film nachhaltig überwältigt. Mit Raumschiffen und Laserkanonen!

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In Liebe, Eure Hilde – Andreas Dresen – D 2024

Von Matthias Bosenick (18.10.2024)

Warum sollte man sich ein Ticket für einen Film lösen, in dem die Nazis gewinnen? Nicht nur angesichts gegenwärtiger Wahlergebnisse ist das keine attraktive Aussicht. Aber „In Liebe, Eure Hilde“ ist von Andreas Dresen, das ist ein Argument dafür. Und Dresen löst jede Erwartung ein – im Guten wie im Schlechten: Seine Bildsprache und seine Erzählweise sind rein filmisch betrachtet mehr als sehenswert – und die Geschichte ist in ihrem Ausgang absolut unerträglich und erschütternd. Man begleitet die in der gesamtdeutschen Historie aus dem Blickfeld verschwundene kommunistische Widerstandskämpferin Hilde Coppi parabelartig vorwärts in ihre Exekution und rückwärts in ihre Rolle als Geliebte und antifaschistische Verschwörerin. Und Dresen hält erbarmungslos drauf.

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Beetlejuice Beetlejuice – Tim Burton – USA 2024

Von Matthias Bosenick (13.09.2024)

Reboots und Fortsetzungen erfolgreicher Hollywood-Filme der zurückliegenden 20 bis 50 Jahre sind immer Scheiße – oder? Wenn nun also ein Tim Burton auf die Idee kommt, seinem versponnen-fantasievollen 1988er-Hit „Beetlejuice“ über einen „Lottergeist“, der lebende Menschen aus einem von Geistern bewohnten Haus zu exorzieren hat, nach 36 Jahren einen zweiten Teil zu verpassen, darf man bei einem solch fantasievollen und kompromisslosen Regisseur doch etwas Sehenswertes erwarten, oder? Spoiler: nein.

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Schirkoa: In Lies We Trust – Ishan Shukla – IND/F/D 2024

Von Matthias Bosenick (30.08.2024)

Hier ist die Methode, wie der Film erstellt wurde, aufregender als der Film selbst, leider: Das Videospiele-Grafik-Tool Unreal Engine ist das Werkzeug, mit dem Regisseur Ishan Shukla seinen Animationsfilm „Schirkoa: In Lies We Trust“ produzierte. Das sparte Kosten und Team, wenn auch nicht Zeit. Dafür Drehbuch: Es fällt schwer, der Motivation der Hauptfigur in diesem – klar – dystopischen SciFi-Film zu folgen, oftmals springt die Darstellung der Geschehnisse abrupt und womöglich basiert alles auf irgendwelchen Indischen spirituellen Kulturbesonderheiten, die man als Nichtinder nicht erklärt bekommt, was das Verständnis nicht vereinfacht. Vielleicht ist das Drehbuch aber auch einfach nur sehr unausgegoren. Das machen die interessanten Bilder leider auch nicht wett.

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Versuch einer Rekonstruktion: Im titelgebenden düsteren Refugium Schirkoa sind alle Bewohner von der phantomartigen autokratischen Instanz Lord O‘ dazu gezwungen, mit Papiertüten über dem Kopf zu leben, auch im Privaten; niemand hat je sein eigenes Gesicht gesehen. Sie bekommen Nummern zugeteilt, die ihrer Wohnadresse entsprechen. 197A und 242B sind eine Art Paar. Er, 197A, ist offenbar Zeitungszusteller, vielleicht aber auch Politiker, oder beides, sie, 242B, lebt im Blue District, dem Vergnügungsviertel, möglicherweise eigentlich Rotlicht. Es geht das Gerücht von Konthaqa um, einer Gegend, in der nicht nur Menschen ohne Papiertüte leben, sondern auch solche mit Mutationen, Anomalien genannt. 242B will unbedingt mit dem freakigen Bus nach Konthaqa flüchten, 197A hingegen glaubt, im autoritär-diktatorisch geführten Schirkoa mit allen Annehmlichkeiten gesegnet zu sein und als Politiker Einfluss auf Erleichterungen nehmen zu können.

197A will sich von einem Hochhaus stürzen, warum auch immer und was man auch erst begreift, als auf dem Dach gegenüber eine Tütenlose mit dem selben Vorhaben ihn darauf anspricht. Sie vögeln auf dem Dach, weil Sex vor einem Suizid den Lebenswunsch um sechs Monate verlängern soll, und pennen danach bei ihm. Er nimmt am nächsten Morgen seinen Sitz im Parlament ein, während Robo-Cops die Frau aus seinem Bett entfernen und mit ihr auf dem Marktplatz eine Art Hexenverbrennung anzetteln wollen. Während man ihm auf Monitoren zeigt, wie man ihren Rucksack entfernt, woraufhin – und das ist der einzige überraschende Moment im Film, also: Spoiler – sich auf ihrem Rücken bunte Schmetterlingsflügel entfalten, sie also als Anomalie enttarnt wird. Daraufhin nimmt 197A seine Tüte ab, offenbart eine Art Widder-Hörner auf seiner Stirn, lässt auf seinem Rücken Fledermausflügel wachsen und eilt zu ihrer Rettung. Wache1, sein Vorgesetzter oder so, entzündet die Flügel der Frau, befiehlt, 197A abzuschießen, was nicht erfolgt, und er flattert davon.

Zufällig landet 197A vor dem Bus, mit dem 242B fliehen wollte, aber, nunmehr tütenlos, von einem Panzer aufgegriffen wurde. Nun steigt er eben in diesen Freak-Bus voller interessant aussehender Anomalien und gerät in das fantasievoll überbordend dargestellte Konthaqa. Dort sucht er nach Lies, der meerjungfräulichen Anführerin der Anomalien, von der die Sage geht, sie sei eigentlich Lord O‘. Plötzlich sitzt er umgestylt in ihrer Badewanne, wird auf einer Bühne als Gott verehrt, tötet Wesen, die ihn bitten, ihnen zu sagen, dass er sie liebt, damit, dass er diesem Wunsch Folge leistet, und der Rest der Bande feiert irgendwas. Bis Wache1 während einer Parade unmaskiert ein Attentat auf 197A verübt und in der folgenden Gefangenschaft Details über die noch lebende unmaskierte Schmetterlingsfrau verrät. Aus Gründen – möglicherweise hat er auf Konthaqa nach mehreren Jahren der gottgleichen Feierei auch keinen Bock mehr – sucht 197A Pilgrimage auf, ein drittes Refugium, in dem er die verbrannt geglaubte Frau findet. Sie erzählen einander irgendwas, woraufhin er betütet zurück nach Schirkoa kehrt und 242B im Blue District aufsucht, klassische Balkonszene inklusive. Fertig, womöglich.

Schwer zu sagen, ob das Nicht-Verständnis der Vorgehensweisen von 197A daher rührt, dass der zumeist englischsprachige Film auch auf Englisch untertitelt ist und die Sprechenden irgendwann in ein hochsprachiges Vokabular verfallen, das man im Unterricht seinerzeit nicht vermittelt bekam, oder daher, dass die Figur irgendwelchen indisch-mythologischen Pfaden folgt, die man als Europäer nicht kennt, oder schlichtweg daran, dass das Drehbuch mies ist. Für letztere Option spricht, dass der Film, obschon zumeist eher schleppend erzählt, an vielen Stellen abrupt die Blickwinkel und die Szenerien wechselt, was ihm etwas Amateurhaftes verleiht. So haben wir das damals mit unseren ersten VHS-Filmen auch gemacht, weil wir es nicht besser wussten und keine besseren Möglichkeiten hatten. Die hat Shukla aber, nämlich eine weiße Leinwand und ein Unreal Engine, mit dem er alles erschaffen kann, was er will. Stattdessen stolpert er durch seinen Film. Warum etwa leisten die Robo-Cops dem Befehl, 197A abzuschießen, nicht Folge, sondern lassen ihn entkommen? War die fluchtermöglichende Verzögerung schlechtes Timing, die Action mies oder der Animator zu faul? Warum zündet 197A die Politiker im Parlament überhaupt an und warum haben sie später sofort ihre Papiertüten wieder auf? Was macht der Typ als androgyner Gott in einer Badewanne? Warum flitzt er zuletzt wieder betütet zu seiner ersten Frau? Warum vögelt er die andere überhaupt? Wenn man sich nie ohne Papiertüte gesehen hat, warum hat man dann darunter attraktive Frisuren und sogar Brillen?

Die Geschichte hat so viele spannende Ansätze. Zu dem Gerücht, es gebe das Refugium der Anomalien, gegen das Schirkoa einen Krieg anzetteln will, gibt es das Gegengerücht, das Gerücht sei lediglich von der Regierung in die Welt gesetzt worden, um die Bewohner in Angst zu versetzen und gefügig zu machen. Die Idee, ausgerechnet den Skeptiker gezwungenermaßen ins gelobte Land aufbrechen zu lassen, ist eigentlich ein schöner Twist. Ansonsten verpufft die Story sehr schnell und man verliert Bezug zu und Interesse an den Figuren.

Visuell ist diese Quasi-Pioniertat wiederum bemerkenswert. Mit der Mischung aus scharfen und verwaschenen Konturen erinnert er an „Der Herr der Ringe“ von Ralph Bakshi, der seinen mit realen Menschen gefilmten Zeichentrickfilm einfach überpinselte. Die Stadtansichten aus der Vogelperspektive hat Shukla von Gaspar Noé, der hier eine Sprechrolle übernimmt. Konthaqa sieht aus wie ein psychedelischer Trip in einem Videospiel, mit rotierenden Zahnrädern und den wilden Wesen und so. Dazu setzt unerwartete Musik ein, die sämtliche Kulturgrenzen sprengt, von dumpfem Techno bis Afrobeat.

„Schirkoa“ basiert auf einer eigenen Graphic Novel, aus der Shukla bereits vor über zehn Jahren einen preisgekrönten Kurzfilm machte, auf dem nun dieser Unreal-Engine-Langfilm basiert. Vielleicht hätte er ihn kürzer belassen sollen, denn die 103 Minuten der Kinofassung haben so ihre Längen. Hier gewinnt die Form über den Inhalt, was enttäuschend ist, denn damit reiht sich Shukla in die Schlange der unzählbaren Hollywood-Macher ein, die aus einer technischen Idee einen schlechten Film machen müssen, Hauptsache, er verkauft sich irgendwie. Dazu kommt, dass heutzutage viele Spiele schon besser aussehen als „Schirkoa“, das vermeintlich verkaufsfördernde Stilmittel also nicht zieht, aber sei’s drum, das kann ja auch gewollt sein.

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Nur noch ein einziges Mal (It Ends With Us) – Justin Baldoni – USA 2024

Von Guido Dörheide (24.08.2024)

Der Spoiler zum Film: Nur noch ein einziges Mal (It Ends With Us)

HINWEIS: Ich gebe hier nahezu den kompletten Inhalt des Films wieder. Allen, die den Film unvoreingenommen sehen wollen, um sich ein eigenes Bild zu machen, rate ich, den Artikel erst anschließend durchzulesen.

In der letzten Woche schlug die Liebste mir vor, dass wir uns den Film „Nur noch ein einziges Mal“ ansähen, und ich, der ich noch nichts über den Film gehört hatte, befragte Doktor Google, der mir sagte, dass sich der Film mit Blake Lively in der Hauptrolle mit dem Thema „Häusliche Gewalt“ auseinandersetze. Wichtiges Thema, gute Hauptdarstellerin, also buchten wir gute Plätze im größeren der beiden Lichtspieltheater in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens (gleich nach Hannover), wo wir ohnehin am Freitag etwas zu erledigen hatten.

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Zwei zu Eins – Natja Brunckhorst – D 2024

Von Matthias Bosenick (01.08.2024)

Einem Ausländer ist es trotz allen Nachlesens und Zeitzeugenzuhörens höchstwahrscheinlich nicht umfassend möglich, das Gefühl nachzuempfinden, das sich bei der Bevölkerung der DDR zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung einstellte, damals, im Hitzesommer 1990. Träume, Zukünfte, Ideologien, Ängste, Gewissheiten stehen infrage oder sind gleich komplett aufgehoben, ein plötzliches Leben zwischen Reisefreiheit und Arbeitslosigkeit macht es nahezu unmöglich, Pläne zu fassen. Fatalismus hilft als Motivator, wenn man plötzlich die Chance hat, der Vernichtung überlassenes DDR-Geld in die Finger zu bekommen und damit den Staaten ein Schnippchen zu schlagen. Aus der wahren Geschichte macht Natja Brunckhorst die Dramödie „Zwei zu Eins“ mit angemessen gebremstem Tempo, tollen Darstellern, guten Dialogen, schönen Bildern und einer überflüssigen Dreiecksgeschichte.

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