Teen Prime – No. 8 – Teen Prime 2023

Von Matthias Bosenick (23.01.2024)

„No. 8“ ist das dritte Album von Teen Prime, nach „No. 7“ und „No. 4“. Kann man so machen, was hier nun aber rätselhaft wirkt, ist dem Umstand geschuldet, dass das Duo auch seine EPs in die Nummerierung integriert, und was es noch komplizierter macht, ist, dass „No. 6“ bis heute nicht vergeben ist. Das dennoch erst junge (Februar 2022 gegründet) Impro-Duo aus Gitarrist Sebastian Fäth und Schlagzeuger Jörg A. Schneider groovt sich ein, und das so sehr, dass die vierte LP bereits eingespielt ist. Klassische Rockmusik darf man hier nicht erwarten, ein vergleichsweise zugängliches Album aber sehr wohl: Auch wenn die beiden auf herkömmliche Strukturen verzichten, gelingen ihnen ein warmer Sound und ein abstrakter Groove, der dennoch mitreißend ist.

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Sleater-Kinney – Little Rope – Sleater-Kinney 2024

Von Guido Dörheide (20.01.2024)

Vom Namen her sind Sleater-Kinney (übrigens „Släiter“ ausgesprochen und nicht „Slieter“) das us-amerikanische Gegenstück zu Halstenbek-Krupunder oder Hann. Münden-Hedemünden, denn sie haben sich nach einer Autobahnausfahrt benannt.Die Musik dieser unglaublichen Band um die beiden Gitarristinnen und Sängerinnen Carrie Brownstein und Corin Tucker (seit dem Ausstieg der Schlagzeugerin Janet Weiss im Jahr 2019 sind es auch die einzigen Bandmitglieder) verehre ich nun schon seit 27 Jahren, also mehr als mein halbes Leben lang. Hatte ich damals immer gerne Punk und Postpunk von Männern gehört, öffneten mir Team Dresch, Sleater-Kinney und Bikini Kill (in genau der Reihenfolge) die Augen, Ohren und vor allem den Verstand, dass es die Welt um ein Vielfaches besser macht, wenn man Punk mit Feminismus kombiniert. „Dig Me Out“ von 1997 war da erste Werk von Sleater-Kinney, das ich hörte, und seitdem hat mich keine Veröffentlichung der Band aus Olympia, Washington, jemals enttäuscht. Nach „Dig Me Out“ kaufte ich mir erstmal die erste und zweite LP der Band („Sleater-Kinney“ und „Call The Doctor“) und kriegte mich erstmal vor Begeisterung kaum wieder ein. Damals hatte ich weniger Alben als heute und hörte sie dementsprechend öfter, die Zeit bis „The Hot Rock“ im Jahr 1999 dauerte für mich ewig, ich feierte das Album und ebenso „All Hands On The Bad One“ ein Jahr später. Dann verlor ich die Band aus den Augen und stieg 2005 mit „No Cities To Love“ wieder ein, wieder voller Begeisterung. Und seitdem finde ich, dass die Band von Album zu Album immer großartiger wird.

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Marika Hackman – Big Sigh – Chrysalis 2024

Von Guido Dörheide (17.01.2024)

Ich mag Songs mit einer klaren, einfachen Aussage. Und so begrüße ich „The Ground“, das von Klavier, Synth und einer ruhig vor sich hin solierenden Gitarre instrumentiert vorsichtig die Nase aus den Lautsprecherboxen zu strecken scheint, um erstmal auszuklamüsern, ob das noch junge Jahr 2024 schon bereits für den Rest des 5. Albums der englischen Indie-Folk-Pop-Künstlerin Marika Hackman ist. „Gold is on the Gound, I was happy for a while“ ist der einzige Text von „The Ground“, zweieinhalb Minuten immer wieder wiederholt. Gegen Ende schleicht sich noch ein wenig Krach in das Stück, und es scheint zu befinden, dass es jetzt an der Zeit ist, auch noch ein paar Stücke mit Rhythmus in den Raum zu lassen.

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Freiwillige Selbstkontrolle – Topsy-Turvy – Buback 2023

Von Matthias Bosenick (17.01.2024)

Wie man das Abseitige und das Eingängige wundervoll in Einklang bringt, belegt die Freiwillige Selbstkontrolle immer wieder und so auch auf dem neuen Album „Topsy-Turvy“. Niemals ist ein Song der Münchener Institution auch nur ansatzweise vorhersehbar, niemals folgt die Komposition vertrauten Mustern, und doch sind die acht neuen Stücke herzerwärmend und eingängig. Und trotz einer 43 Jahre andauernden Erfahrung wirken ausgewählte Elemente auf eine einnehmende Weise amateurhaft, wenn mal ein Percussionbeat minimal dem Takt nachschlägt, der Chorsprechgesang wie von einer Laienschauspieltruppe vorgetragen wirkt oder der Gesang um einen Halbton die eingeschlagene Melodie verfehlt, aber scheiß drauf, oder besser: richtig so, glattgebügelt kann jeder, „Topsy-Turvy“ hat Seele und Charakter, obendrauf politische Haltung und Humor – und ist in keine Schublade einzuordnen. Ja, verdammt: Das ist Kunst!

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Yannick Franck/RAUM – The Belgian Wave – Antibody 2024

Von Matthias Bosenick (15.01.2024)

Beim Titel „The Belgian Wave“ denkt man als EBM-, Industrial-, New-Beat- und Electro-Hörer natürlich sofort an den nämlichen Sound der Achtziger und Neunziger, als aus dem genannten Land haufenweise Musizierende ihre hochspannenden Experimente verbreiteten. In diesem Falle dreht es sich allerdings um eine andere Belgische Welle, nämlich jene gehäufter UFO-Sichtungen, die zufällig in den obigen Zeitraum fielen. Wenn jetzt also mit Yannick Franck ein Musiker aus Belgien, der – unter anderem als MT Gemini – in jenen Genres aktiv ist, den Soundtrack zu einem trippigen UFO-Film mit dem Titel „The Belgian Wave“ erstellt, darf man davon ausgehen, dass er auch die musikalische Welle berücksichtigt. So ist es auch, sein Soundtrack bedient die Fans der alten Genres, aber auf heutigem technischen und künstlerischem Niveau, und bettet sie in einen dunklen extraterrestrischen Ambient-Score ein.

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The Perc Meets The Hidden Gentleman – Les Variations Sonnenuhr – Sireena Records 2024

Von Matthias Bosenick (15.01.2024)

Nach 30 Jahren Neuaufnahmenpause reaktivieren Tom Redecker und Emilio Winschetti ihr Bremer Indie-Projekt The Perc Meets The Hidden Gentleman, und weil allein neu anfangen langweilig ist, holen sie sich noch einige andere altgediente Musiker dazu – allerdings nicht ins gemeinsame Studio, das sie überdies in Berlin bei Ex-Punk und Loveparade-Komponist Sven Röhrig alias 3 Phase einrichteten, einem weiteren Altgedienten mithin, sondern ließen ihre Neuaufnahme von weiteren Altgedienten sowie einigen Jüngeren bequem daheim remixen. Die Namen sind dabei jedoch größer als das Gesamtergebnis: Beate Bartel, Carlos Péron und Felix Wolter sind darunter. Die Musik ist minimalistisch technoid, dubby, krautig, elektronisch geraten, insofern also schon abwechslungsreich, aber das schunkelige Titellied hört man einfach mal zu häufig und bekommt dadurch bei aller Variation den Eindruck von Redundanz.

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Guido Dörheides Rest von 2023 oder „Alben, über die ich nicht geschrieben habe, aber gerne hätte“

Von Guido Dörheide (14.01.2024)

Trotz aller obwaltenden äußeren Umstände (Putin, Hamas, AfD usw. usf.) habe ich 2023 als eins der schönsten Jahre erlebt, die ich persönlich miterlebt habe. Danke dafür an alle (und ganz besonders an eine), die daran einen mächtig gewaltigen Anteil hatten. Darüber hinaus sind in diesem Jahr über 100 Alben erschienen, die mein Interesse geweckt haben, über um die 60 davon habe ich hier geschrieben (um die jungen Leute was zu lernen) und den Rest habe ich einfach nicht mehr geschafft. Deshalb handele ich sie jetzt hier in aller Kürze ab, wie bereits im letzten Jahr nicht nach den Regeln der Kirche des Musikjournalismusses, sondern teilweise etwas schnoddrig und immer aus dem Bauch heraus. Viel Spaß damit!

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Echofield – Echofield EP – Headstrong Music 2023

Von Guido Dörheide und Matthias Bosenick (13.01.2024)

Klar, „EP“ steht für „Extended Play“, und extended ist alles über sagen wir mal drei Minuten. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Und so nimmt es nicht wunder, dass das Debüt der braunschweigischen Progrockband Echofield als EP betitelt wird und sagenhafte 44 Minuten Spielzeit aufweist. „Das trifft auf die ‚The Power Of Lard‘-EP genauso zu“, raunt mir mein innerer Matthias Bosenick ins Ohr, und ich will kontern mit „Jahaa! Aber nicht mit nur vier Stücken!“, und dann fällt mir ein, dass Lard seinerzeit nur drei Stücke gebraucht hatten. „Jahaahaaaaa!!! Aber bei Echofield ist der letzte Song nicht 32 Minuten lang!“, brülle ich meinem inneren Matthias Bosenick hinterher, aber der sitzt schon längst wieder in seinem Auto und rast gen Riddagshausen.

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Filter – The Algorithm – Golden Robot Records 2023

Von Matthias Bosenick (10.01.2024)

30 Jahre Filter! Und weil sich manche Genres irgendwann aufbrauchen und gestrig wirken, biegt Richard Patrick, Bruder des Terminator-Darstellers Robert Patrick, seinen Neunziger-Industrial-Metal US-amerikanischer Art vom Elektronischen mehr in Richtung Metal, behält aber den Pop im Ohr. Man hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass der einstige Gitarrist von Nine Inch Nails sein Projekt nach sieben Jahren vermeintlicher Pause überhaupt reaktivieren würde, da erscheint das achte Album „The Algorithm“, an dem auch Filter-Mitgründer Brian Liesegang nach 25 Jahren wieder mitwirkte. Es hat einige Härten, unerwartete Effekte und anhaltende Hymnen – und wirkt trotz des Schubs in Richtung härterer Rockband etwas veraltet und reichlich auf Breitenwirksamkeit getrimmt.

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The Crotals – Conjure – Argonauta Records/Cold Smoke Records 2023

Von Matthias Bosenick (09.01.2024)

Wenn man zwischen zwei Alben seinen Bandcorpus um eins auf vier Mitglieder aufstockt und dieses neue Mitglied lediglich für eine zusätzliche Stimme an Bord ist, sagt das einiges aus – über das vokale Sendungsbewusstsein einerseits und über das Vertrauen in die musikalische Intensität andererseits. Zu Recht: The Crotals aus Lausanne kombinieren auf „Conjure“ alle erdenklichen im Metal oder Punk angesiedelten Genres, die unkonventionell, dreckig und noisy sind, wie Hardcore, Sludge, Black Metal, Noisecore, Doom und was die Palette dazwischen noch alles hergibt. Und als wäre ein zweiter Schreihals nicht schon ausreichend, laden sich die vier für ihr drittes Album auch noch Gastsänger ein. Und – einen Trompeter. Dafür verzichten sie halt auf den Bass und lassen dessen Frequenzbereich die Bariton-Gitarristin übernehmen.

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