LLL – Shaping Colours – Iapetus Media 2025

Von Matthias Bosenick (27.01.2025)

Drei Musiker, die noch nie miteinander musiziert haben, stehen zusammen auf einer Bühne, improvisieren an ihren Hauptinstrumenten herum und wissen, dass ihr Auftritt für eine Veröffentlichung mitgeschnitten wird. Hört man sich das daraus hervorgehende Album „Shaping Colours“ an, kann man sich das gar nicht vorstellen. Die vor einem Jahr in Mailand entstandene Musik ist langsam, dunkel, weitgehend beatlos, ambientartig, jazzig, neoklassich, experimentell und gleichzeitig herausfordernd und chillig. LLL nennen sich die drei deshalb, weil alle Vornamen mit jenem Buchstaben beginnen (und nicht etwa wegen Lucius et Licinius et Lucullus): Lorenzo Feliciati, Luca Calabrese und Luca Formentini.

Wenn man gut ist, braucht man keine Kompositionen, um mit Fremden gute Musik zu kreieren. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen vor einem Jahr, am 9. Und 10. Januar 2024 nämlich, schleppten die drei L ihre Gerätschaften auf die Bühne des Spazio Pontano in Mailand und generierten live einen Schwung Tracks, von denen neun hier als gut einstündiges Album versammelt sind. Jeder der Tracks hat dabei eine andere Grundierung, geeint darin, dass keiner von ihnen gewöhnlichen Songstrukturen folgt, sie aber alle eine beeindruckende Atmosphäre erzeugen.

Dunkelheit liegt über den Tracks, auch wenn hellere Töne aus ihnen hervorgehen. Sobald hier in die Leere hallende Trompeten über abstrakten Electro-Sounds schweben, denkt man an eine Mischung aus Pan Sonic (ehedem Panasonic) und Till Brönner. Mal liegt unter den Tracks ein E-Piano, mal Knistern, mal ein Drone und erst nach der Hälfte überhaupt ein Schlagzeug, und dann noch ein verlangsamtes. Jener Track „Morning Red“ trägt das am meisten Kakophonische in sich, überanstrengt dabei aber nicht.

Viele Sequenzen haben etwas von Soundtracks, aber eher der düsteren, reflektierteren Sorte. Man durchschleicht mit dem Trio Soundlandschaften, in denen es immerfort etwas zu entdecken gibt, die man aber auch einfach als Ganzes auf sich wirken lassen kann. Insbesondere die ätherischen Blasinstrumente erwecken den Eindruck ferner Lebewesen, von denen man sich nicht sicher sein kann, ob sie einem wohlgesonnen sind oder ob sie klagen oder ob sie Hilfe brauchen. Und gerade aus den Bläsern ergibt sich außerdem die Idee von Jazz, der mit den abstrakten IDM-Sounds, noisy Soundscapes oder Synthiepluckern einhergeht.

Nun sind alle drei Beteiligten alte Hasen. Der Römer Lorenzo Feliciati etwa hat einen Namen als Bassist, als der er diverse Bands und Projekte anleitete, von Prog Rock bis Jazz. Bei Mumpbeak etwa spielte er mit Bill Laswell, auch solo hat er eine Menge Alben auf dem Zettel. Hier spielt er den E-Bass und bedient weitere Electrogerätschaften und Synthies. Trompeter Luca Calabrese hat eine noch viel längere Liste an Bandbeteiligungen vorzuweisen, die meisten von ihnen aus dem Jazzbereich, dem freien vorzugsweise. Sein jüngstes Solo-Album „I Shin Den Shin“ erschien im vergangenen Jahr, bei LLL spielt er Flügelhorn und Taschentrompete und steuert weitere Electronics bei. Auch Gitarrist Luca Formentini hat eine Menge eigene Platten im Regal, zumeist aus den Bereichen Ambient und experimenteller Elektronik. Hier bedient er daher auch neben seiner Gitarre diverse Synthies und Sampler. Diese drei Beteiligten sprechen von einem „neuen Projekt“, daher ist davon auszugehen, dass „Shaping Colours“ keine einmalige Angelegenheit bleiben dürfte.