Goatwhore – Angels Hung From The Arches Of Heaven – Metal Blade Records 2022

Von Guido Dörheide (10.10.2022)

Was hatte ich jüngst noch über erste Songs auf Alben geschrieben? Entweder fast an Stille grenzendes Instrumentalintro oder gleich losballern? Goatwhore haben sich für Ersteres entschieden und das von mir überaus geschätzte laut.de hat dieses Intro a) als „komplett überflüssig“ und b) als „die letzte Chance zur Flucht“ bezeichnet. Zweiteres unterschreibe ich blind und lege gerne noch sowas wie „die Ruhe vor dem Sturm“ nach. Mit „Born Of Satans Flesh“ haut die wunderbare Kapelle aus New Orleans dann auch gleich so nachhaltig auf die 12 (und 12 ist mehr als 10, sogar mehr als 11!), dass man gar nicht mehr fragen mag, wo Bartel den Most herholt. Hauptsache, er holt ihn, und wenn nicht er, dann nehmen Goatwhore den sprichwörtlichen Korb in die Hand und rennen los. Egal wohin, Hauptsache, es tut weh.

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Pixies – Doggerel – Infectious Music 2022

Von Guido Dörheide (10.10.2022)

Dies ist ein Lied über etwas dort. Da ist etwas dort über dieses Lied. Subbachultcha. Hätte mir jemand sammama 2014, als das erste Pixies-Reunion-Album „Indie Cindy“ erschien, gesagt, dass ich dereinst im Zusammenhang mit einem neuen Werk der legendären Pixies auf die Großtaten des 1991er-Abschiedsalbums „Trompe le monde“ referenzieren würde, ohne mich dabei schlecht zu fühlen, ich hätte ihn oder sie a) mit der sprichwörtlichen rhetorischen Wasserwaage vom Hofe gejagt, b) ihn/sie mit derselben im Anschlag noch um einige Häuserblocks gejagt und c) gesagt: „Hömma“, und gemeint: „Hömma auf. Die Pixies sind Geschichte und hätten sich nimmermehr reunifizieren dürfen. Wenn wir die Stimme von Black Francis hören wollen, können wir die Alben von Frank Black erwerben und nebenbei Morrissey hören, die Smiths werden sich ja auch nicht mehr wieder neu zusammentun.“ Nun ist 2022, besagte Wasserwaage ist Geschichte, die Smiths gibt es glücklicherweise immer noch nicht wieder, Frank Blacks Soloalben langweilen und die Pixies haben eine neue Langrille am Start. Kann ja nur wieder nichts werden. Und der überaus gestrenge Herausgeber erwartet einen Verriss – oisdann, gemmas o!

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Nuit D‘Encre – De l‘autre côté – Bitume Prods 2022

Von Matthias Bosenick (10.10.2022)

Fett, groovig, athmosphärisch, abwechslungsreich zwischen Doom, Sludge, Post und Groove Metal herumriffend – und fast alles von nur einer einzelnen Person eingespielt? Hinter Nuit D‘Encre aus Paris steckt jemand namens François „Franswa“ Felt, der mit „De l‘autre Côté“ sein zweites Album unter diesem Projektnamen präsentiert. Seine Variante von niedrigtourigem Metal kommt ohne Gesang aus, und der fehlt auch kein Bisschen, schließlich weiß der Multiinstrumentalist mit seinem Instrumentarium effektvoll umzugehen. Und auch wenn der Bandname, also ungefähr „tintendunkle Nacht“, oberflächlich ganz gut passt, straft die Musik den Musiker im Detail Lügen: Hier funkeln die Sterne, nicht zu knapp!

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Justified – Wir haben zusammen Kohle geschürft

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin mag den Schauspieler Jacob Pitts. Dieser wiederum ist recht menschenscheu und deshalb kennt ihn kaum jemand, hätte er nicht eine Nebenrolle als Deputy U.S. Marshal Tim Gutterson in „Justified“ gehabt. Er spielt einen sardonischen ehemaligen Army-Scharfschützen, der für jedes Ziel immer „das passende Objektiv“ dabei hat und auch trifft. Und meine Freundin mag es, wenn er das ganz große Teleobjektiv auspackt …

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Shtisel – Ein Fest für Misophoniker

Von Onkel Rosebud

Misophonie in Verbindung mit Nahrungsaufnahme ist der Ekel auf die Geräusche dabei, eine Empfindlichkeit auf Schmatzen, Kauen mit offenem Mund, lautes Würge-Schlucken, Nase hochziehen und wiederholtes Klicken der Zähne beim Essen – und der Klassiker: Reden mit vollem Mund. Also all‘ das, was Eltern ihren Kindern am Tisch heutzutage bewusst oder unterbewusst vermitteln, neben „Nimm die Ellenbogen vom Tisch“ oder „Zieh‘ die Hausschuhe an“.

Die israelische Drama-Serie „Shtisel“ (3 Staffeln 2013 bis 2021) ist ein vier Generationen umfassendes Familiendrama, dass im Milieu ultraorthodoxer Juden in Ge‘ula, einem Stadtviertel von Jerusalem, spielt. Es wird nicht nur ständig geraucht, sondern auch sehr oft gegessen. Beim ungeliebten sonntäglichen Suppe-Essen werden die Probleme der einzelnen Familienmitglieder ausgekippt. Dazu schlürft Shulem Shtisel, der Patriarch, sehr laut bis an die Grenze der Unerträglichkeit. Wenn er den obligatorischen Essig-Gurken-Salat katscht und dabei seinen Spätgeborenen, Akiva Shtisel, runtermacht, dann stehen einem die Nackenhaare zu Berge. Trotzdem die Sprache der Serie fast ausschließlich Hebräisch oder Jiddisch ist, und nur Untertitel einem erschließen, worum es inhaltlich geht, hält man die Misophonie aus, weil alles drin ist in der Serie, was ein gutes Familiendrama ausmacht: Liebe, Eifersucht, Geborgenheit, Aufopferung, Verlust, Angst, Untreue, Rebellion, Coming of Age, Abtreibung, Inzest, Vater-Sohn-, Mutter-Tochter- oder Bruder-Bruder-Kampf.

Neu auf KrautNick ist fortan die Kolumne „Was meine Freundin gerne …“ von Onkel Rosebud. Das diesem Titel folgende Verb ist alternierend „sieht“ oder „hört“, je nachdem, mit welchem Thema sich Onkel Rosebuds Freundin gerade befasst, also Bewegtbilder in TV-Sendungen, Streamingangeboten, DVD-Boxen oder eben Musik in allen Erscheinungsformen – Onkel Rosebud protokolliert es und lässt uns daran teilhaben.

Onkel Rosebud mag auf KrautNick neu sein, aber seine Kolumne ist es nicht: Zwischen 1995 und 2004 veröffentlichte er „Was meine Freundin gerne hört“ in der Dresdner Studentenzeitung „ad-rem“, mit einer Reichweite von 30.000 gedruckten Exemplaren und einer kaum weniger großen Fangemeinde. Nun kommt er nicht einfach zu KrautNick, sondern KrautNick kommt zu ihm: Onkel Rosebud trug – wie auch Matthias Bosenick und Guido Dörheide – bei beiden bisherigen Ausgaben der geplanten Buchtrilogie „Ich liebe Musik“ Texte bei, ist mit den beiden Schreibern mithin seit 1999 verbunden. Umso mehr freut es KrautNick, ihm diese Zusammenarbeit anbieten zu dürfen und künftig von Onkel Rosebud erzählt zu bekommen, was seine Freundin so gerade sieht. Oder hört.

Der erste Teil von „Ich liebe Musik“ ist bedauerlicherweise vergriffen, aber Vol. 2 ist nach wie vor im Windlustverlag von René Seim erhältlich! [07.10.2022, Red.]

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René Seim – Einen Tisch in Falten schlagen – Windlustverlag 2022

Von Matthias Bosenick (07.10.2022)

Lyrik, auf ewig eine Literaturgattung, die sich dem Rezensenten nicht einmal ansatzweise umfassend erschließen wird. Ich kann mich also Lyrik nur distanziert und behutsam nähern, mit dem Blick des Uneingeweihten, und Dichter René Seim erweist mir trotzdem einmal mehr die Ehre, an seiner Lyrik teilhaben zu dürfen. „Einen Tisch in Falten schlagen“ heißt sein neues Buch, das er im eigenen Windlustverlag veröffentlicht; der vierte Gedichtband des umtriebigen Dresdners, der auch Schallplatten herausbringt, Radio macht, auflegt, Lesebühnen veranstaltet und wer weiß was noch. Es mag an der der Lektüre vorausgegangenen Begegnung mit dem Dichter in der Äußeren Neustadt liegen, dass ich zu diesem Buch einen besseren Zugang finde, sehr oft laut loslache, häufig mitfühlen nicke, hinter politischen Statements einen inneren Haken setze, an Seims Sprache meine Freude habe, also viel unmittelbarer ein Gefühl dafür bekomme, ihn zu verstehen, als zuvor, und doch bleibt ein Rest Unverständnis erhalten. Das wäre ja auch zu viel erwartet, wenn der Vorhang plötzlich komplett zur Seite geschoben wäre, oder? Meine Freude an diesem Buch ist ja trotzdem immens!

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Spezial: Sireena Records/Shack Media aus Ostenholz-Scharmbeck

Von Matthias Bosenick (04.10.2022)

Fünf Alben aus dem Hause Sireena Records und Shack Media landeten innerhalb kürzester Zeit im Briefkasten: „A Floating City“ von Nautilus, „Live in Haldern 1985 & 1986“ von The Radio, „Waiting For The Daylight“ von Erja Lyytinen, „The Universe By Ear III“ von The Universe By Ear und „Saba“ von The Electric Family. Also Ambient, Achtzigerrock, Bluesrock, Progrock und Indie.

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Lewis Trondheim – Die neuen Abenteuer von Herrn Hase (6) Beim Teutates! (Les nouvelles aventures de Lapinot: Par Toutatis!) – Reprodukt 2022

Von Matthias Bosenick (02.10.2022)

„Dies ist kein Asterix-Album!“, steht extra auf dem Cover des neuen neuen Abenteuers von Herrn Hase, das nämlich in Asterix‘ Dorf spielt. In „Beim Teutates!“ deckt Lewis Trondheim so einige Untiefen der frankobelgischen Comicserie auf, kommentiert manche Eigenheiten und bettet sein Duo Herr Hase und Richard, der gelbe Kater, in ein komplexes Abenteuer ein, in dem der bretonische Gott Teutates hinter das Geheimnis des Zaubertranks kommen will und die Geschichten von Albert Uderzo und René Goscinny plötzlich mit der Realität konfrontiert werden. Das Buch funktioniert glücklicherweise auch, wenn man Trondheims Serie nicht kennt. Der grob und viel zeichnende Franzose nähert sich den Unbeugsamen gleichsam respektvoll und respektlos, die Lektüre macht Spaß. Und ist besser gelungen als vieles von dem, was Didier Conrad und Jean-Yves Ferri im Rahmen der Hauptreihe präsentieren – vielleicht sollte man analog zu Lucky Luke und vor allem Spirou & Fantasio (für die Trondheim auch schon aktiv war) über eine Parallel-Reihe mit wechselnden Gastautoren nachdenken, dieses wäre ein schöner Auftakt.

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Tankard – Pavlov‘s Dawgs – Reaper Entertainment 2022

Von Guido Dörheide (01.10.2022)

Ei gude, liebe Krautnick.de-Lesende! Deutscher Thrash Metal 2022: Erst Destruction, dann Kreator, auch das bereits 2020 erschienene neue Sodom-Album lässt unsere Trommelfelle noch immer erzittern, und nun liefert auch die Nummer 4 der Big Four of Teutonic Thrash ein neues Album (nicht No. 4, sondern bereits Nr. 18 in ihrer seit 40 Jahren andauernden Karriere) ab: Pavlov‘s Dawgs. Mit dem Cover-Artwork machen Tankard aus Frankfurt am Main wieder einmal aufs Neue deutlich, dass sie mutmaßlich den „Alcoholic [Thrash] Metal“ erfunden haben, auch der Refrain der Vorab-Single „Beerbarians“ geht in diese Richtung: „They’re calling us Beerbarians – Spreading out around the globe – We’re Cosmoproletarians“. Cosmoproletarians – sowelche Wortneuschöpfungen muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen, bzw. mit einem Pint Ebbelwoi runterspülen. Den Konsum weingeisthaltiger Erfrischungsgetränke zu glorifizieren geißele ich selbstredend als Teufelswerk und sowohl ich als auch Krautnick.de in seiner Gesamtheit lehnen sowas total ab – aber den wackeren Jungs um Andreas Fritz Johannes „Gerre“ Geremia nimmt man selbst den albernsten Blödsinn ab, ohne ihnen ernsthaft böse sein zu können.

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Teen Prime – No. 4 – Schneider Collaborations 2022

Von Matthias Bosenick (01.10.2022)

Gitarre und Schlagzeug, das klingt doch erstmal nach irgendeiner Art von Rock‘n‘Roll, oder? Nicht für Teen Prime: Das Duo zerlegt den Rock‘n‘Roll und macht auf dem irritierender- und erklärbarerweise „No. 4“ betitelten Debütalbum aus den Trümmern ein abstraktes Mosaik. Ganz frei von Harmonien ist das nun doch nicht, was Sebastian Fäth und Jörg A. Schneider hier improvisieren – auch ohne konkreten Rhythmus oder mitsummbare Melodien bekommt man auf dieser Schallplatte eine Musik, die man angenehm goutieren kann. Und kurz vor Schluss sogar mit Piano dazwischen, dann drängt sich spätestens noch mehr der Gedanke an ein anderes Genre auf: Jazz, und das sicherlich nicht zu Unrecht.

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