Bilderbuch – Gelb ist das Feld – Maschin Records/Universal Music 2022

Von Guido Dörheide (09.04.2022)

So einfach haben mir Bilderbuch den Einsteig in ein neues Album noch nie gemacht: „Bergauf“ ist unterlegt mit einer angenehmen Akustikgitarre und beginnt direkt mit einem Solo, das sich von zunächst clean mit schön Hall dann, nachdem das verhalten galoppierende Schlagzeug eingesetzt hat, in leicht angezerrt indierockig steigert. Dazu spielt der Bass wirklich schöne Läufe, sehr songdienlich, aber immer gut identifizierbar. Mit derartiger Wärme empfangen, kann Maurice Ernst mit seiner bekloppten Art zu singen auch nichts mehr kaputtmachen. Hätte ich jetzt fast geschrieben. Statt dessen schreibe ich: Sobald der charismatische Frontmann der einstmals innovativsten Rock-Formation der Welt, wenn nicht gar Europas, sein wie ehedem oberlässig vorgetragenes Signature-Crooning ins – diesmal in gelber Farbe erstrahlende – Feld führt, weiß „der Kenner“ (bei so einem Geschwurbel verzichte ich gerne mal aufs Gendern, nicht dass ich damit weiblichen und diversen Butterbrot-Fans auf die Füße trete) – hier hat er es mit dem neuen Album von Blumenbeet zu tun.

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Boris – W – Sacred Bones Records 2022

Von Guido Dörheide (09.04.2022)

Die japanischen Doom/Drone Doom/Noise-Psychedelic-Stoner-Sludge-Drone-Doom-Gött*innen Boris worshippen den Amplifier nun schon seit 1992: Benannt nach dem Eröffnungsstück des Melvins-Albums „Bullhead“ aus dem Jahr 1991 bereichern Wata (Gitarre, Gesang), Takeshi (Bass, Gitarre, Gesang) und Atsuo (Drums und – hm? Häh? – klar: Gesang) seitdem die Musiklandschaft – und das nicht zu knapp. Das 1996er Debütalbum „Absolutego“ enthielt exakt ein Stück (ich habe nachgezählt – zweimal!) von gut einer Stunde Länge. Dieses enthielt bereits all das, was Doom oder Drone Doom ausmacht: Repetition, Repetition, Repetition und eine gute Portion Distortion. In den folgenden Jahren haben Boris einen Knaller nach dem anderen auf dem Markt geworfen: 2003 „Akuma No Uta“ mit einer Kopie des ikonischen Cover-Artwork des Nick-Drake-Albums „Bryter Later“, nur dass Takeshi darauf keine Akustik-Gitarre, sondern seine nicht minder mehr ikonische Double-Neck präsentierte – oben Bass, unten Gitarre, in den nächsten Jahren Klassiker wie „Pink“ oder „Altar“ (gemeinsam mit Sun O))) ) – das einzige Album, das jemals mit „Earth 2“ von Earth verglichen wurde – und bis heute sind Boris nicht müde geworden, weiter, tiefer und eindrucksvoller in diese Kerbe zu hauen.

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Parallele Mütter (Madres paralelas) – Pedro Almodóvar – E 2021

Von Matthias Bosenick (06.04.2022)

„We should all be feminists“ steht auf einem T-Shirt, das Penélope Cruz in einer Szene des Films „Parallele Mütter“ trägt, und damit bringt Regisseur Pedro Almodóvar viel Grundsätzliches in seiner Weltsicht zum Ausdruck. In Haltung und Farbe ist „Parallele Mütter“ ansprechend warmherzig geraten, dabei bedient sich Almodóvar klassischer Suspense-Methoden, um sein Beziehungsdrama, das weit mehr ist als das, zu erzählen, gemessenen Schrittes und mit mehr Vergebung, als die Menschheit an sich aufzubringen in der Lage ist. Einmal mehr mit Mutterschaft als ewigem Thema Almodóvars; und zwei Stunden großartiges Kino.

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Skim – Skim – Schneider Collaborations 2022

Von Matthias Bosenick (04.04.2022)

Endlich. Endfuckinlich!!!! Generationen von Indie- und Noiserock-Fans warten auf diesen Moment: Das bislang unveröffentlichte und absolut zeitlose Album des temporären Projektes Skim ist – um es zu wiederholen – endlich! verfügbar, als Download bei Bandcamp und als CDr im Digipak. 20 Jahre lang lag diese Preziose in einer Schublade, jetzt atmen die Freunde rheinischer Lärmmusik auf, die auf den Pfaden von BluNoise, Yvonne Nußbaum, Jörg A. Schneider und Carsten „Cazy“ Schmidt unterwegs sind: „Skim“ von Skim ist da. Und das Album ist gut, Noiserock in entspannt, pianodominiert, elektrifiziert, songorientiert – und der Hörer hyperventiliert. Übrigens inklusive der zur Legende gewordenen Coverversion von „Blueprint“, im Original von den Rainbirds. Und Guido Lucas war hier beteiligt. Und: Endlich!!!

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Aldous Harding – Warm Chris – 4AD 2022

Von Guido Dörheide (03.04.2022)

So – hier jetzt als Einstieg kein KBV (Kate Bush Vergleich, mit fehlenden Bindestrichen). Aldous Harding HAT eine tolle Stimme, und sie scheut auch nicht davor zurück, diese auch einzusetzen, steht aber meiner Meinung nach komplett für sich selbst und singt auf nahezu jedem Stück des neuen Albums so, als sänge jemand anderes als auf dem vorhergehenden Stück. Allein der Künstlername nimmt mich für die Neuseeländerin Hannah Sian Topp ein – 50% Brave New World, 50% Dylan – geht kaum besser. Obwohl a) der Vorname wohl nicht von Huxley inspiriert ist und b) „Harding“ tatsächlich der Familienname von Hardings Mutter ist. Aber egal – manche Namen klingen einfach toll und warum denn auch nicht?

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Meshuggah – Immutable – Atomic Fire 2022

Von Guido Dörheide (02.04.2022)

Zuerst dachte ich, der Albumtitel „Immutable“ spielt auf eine coronaspezifische Homeofficeproblematik an: „Ey! Dein Mic ist noch offen! Du hast vergessen, Dich zu muten, als Du aufs Klo gegangen bist!“ Und dann ich so: „Ging nicht, mein Mic ist immutable!“ Heißt aber in Wirklichkeit „unveränderlich“. Und das passt: Die Band präsentiert sich auf Album No. 9 als nicht auf Revolution aus, hier wird wie immer bei Meshuggah zerstört und ausradiert, und auch für Verbesserung sind die Jungs immer offen: Die Riffs hauen auf die 12, die Produktion sitzt, die Stimmung ist düster, der Gesang klingt toll.

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Abbath – Dread Reaver – Season Of Mist 2022

Von Guido Dörheide (27.03.2022)

Abbath, der sympathische norwegische Alkoholiker mit dem Musikproblem (sorry metal.de fürs Witzkopieren, aber damit kann ich endlich Eure supertolle Seite hier mal supporten) is back – zum Glück. Und weg vom Glögg! Musste er zuletzt 2019 mitsamt Band in Buenos Aires maximalbeschnasselt Konzerte unmittelbar nach dem Anbruch wieder abbrechen und sich dann in die Rehab verabschieden, erstrahlt die nach dem Ex-Immortal-Sänger benannte und von diesem angeführte Band nun in neuem Glanz – es knarzt, dröhnt und kreischt, dass Abbath ihrem Heimatland Norwegen fürwahr keine Schande machen.

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Sunn O))) – Metta, Benevolence BBC 6 Music: Live On The Invitation Of Mary Anne Hobbs – Southern Lord 2022

Von Matthias Bosenick (24.03.2022)

So schön kann Lärm sein! Und dieser Lärm hier ist wahrhaftig schön. Die Doom-Droner aus Seattle, deren Name nicht Sunno ausgesprochen wird, weil das O))) im Bandnamen den Regler am Verstärker der Marke Sunn symbolisiert, begaben sich Ende 2019 auf Einladung der Journalistin Mary Anne Hobbs bei der BBC ins Studio von John Peel, um für ein Samhain-Special eine Livesession einzuspielen. Als Gästin holten sie sich die begnadete Dunkelorganistin Anna von Hauswolff mit ins Boot. Heraus kommt ein einstündiges Werk aus bedächtig umeinander dröhnenden Sounds, erzeugt mit Gerätschaften aus den Bereichen Saiteninstrument, Blechblasinstrument und Synthesizer, mit dezentem Stimmeinsatz versetzt. Ein prachtvolles Stück Musik!

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Ueberschaer – Flow Of Time – Sireena 2022

Von Matthias Bosenick (16.03.2022)

Zeitreise mit Heiko Ueberschaer aus Bremen: Sein erstes Album „Flow Of Time“ erfüllt alle Anforderungen an Prog-, Art-, Jazz- und sonstige verschachtelte Rockmusik, die man sich ausmalen kann. Einer konkreten Zeit lässt es sich nicht zuordnen, wenngleich der knackig produzierte Sound schon sehr jetzig ist, aber der Mix an musikalischen Ideen und Einschüben könnte nahezu jederzeit seit den Siebzigern entstanden sein. Im Kontext des Progrock ein geiles Album – das man außerhalb dieses Umfelds vermutlich eher nicht wahrnimmt, weil es sehr genrespezifisch daherkommt.

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Marc Domin/Jonas Kolb – Kollision zweier Apostelschädel – Domin/Kolb 2021

Von Matthias Bosenick (15.03.2022)

Kein leichter Happen, den einem die beiden musizierenden Autoren oder schreibenden Musiker Marc Domin und Jonas Kolb da vorwerfen. Einmal formal: Reisebericht, Briefroman, Tagebuchroman, Gedicht und Collage bilden das Gesamtwerk „Kollision zweier Apostelschädel“. Und zweitens inhaltlich: Zwischen Horror, Blutbad und Porno siedeln sie die Geschichte von zwei Forschern an, die 1880 die titelgebenden Reliquien unschädlich (ha, ha) machen wollen – und nutzen dies selbstredend zur gepflegten Provokation. Letztlich ist klar: Mit der „Kollision zweier Apostelschädel“ ist das Buch selbst gemeint, das aus dem nämlichen Vorgang hervorging, denn bei diesen Dickköpfen handelt es sich natürlich um die der Autoren.

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