„The Fall Guy“ – Versuch einer Liebeserklärung (David Leitch – USA 2024)

Von Guido Dörheide (08.05.2024)

Da war Matthias schneller als ich: Als ich durch Zufall beim Stöbern nach potentiellen Nachmittagskinofilmen für Töchterchen und mich auf den Titel „The Fall Guy“ stieß, dachte ich, das stand doch damals immer schon im Vorspann auf dem Nummernschild von Colt Seavers drauf, und hatten die nicht nach diesem Nummernschild die ganze Serie benannt? Also habe ich in die Kurzbeschreibung des Films geschaut und tatsächlich: Ryan Gosling, den ich aus „Barbie“ noch in ganz wunderbarer Erinnerung habe, ist Colt Seavers, und Colt Seavers ist Stuntman und es gibt auch eine Jody in dem Film. Den muss ich sehen! Leider kam ich erst heute (Mittwoch, 08.05.2024) in den Genuss, mir den Film in Begleitung meines Freundes Carsten anzuschauen, aber alles, was einem tagtäglich so malört, hat auch sein Gutes, denn immerhin konnte ich mich so schon mittels Matthias’ Rezension auf den Film einstimmen.

Und schließe mich dieser zu ziemlich viel Prozent an, wäre aber nicht der dunkelblonde Typ mit dem großen Senfglas, wenn ich nicht einen Teil dessen Inhalts hier noch dazugeben müsste.

Alsdann, gehen wir es an:

Klar Mann, Matze, Mann, auch wenn ich gerade nicht bei Dir bin, bin ich zu großen Teilen bei Dir. Zum Beispiel, wenn Ken Loach, sorry, David Leitch einfach so beigeht und Colt Seavers’ Sidekick Howard Munson einfach weglässt. Der gutaussehende und stets wohlmeinende, dabei aber oft egoistische Dussel hat seinerzeit den wirklich harten Helden Colt geholfen, immer als wirklich harter Held dagestanden zu haben, uns pubertierenden Zuschauern hat er aber gezeigt, dass man nicht gar so ein harter Held sein muss wie Colt, um in einer hippen US-Actionserie mit Weltklasse-Gaststaraufgebot und einem über jeden Zweifel erhabenen Titelsong („The Unknown Stuntman“, gesungen vom Hauptdarsteller Lee Majors persönlich) mitzuspielen. Er war der quasi der Bert, der Willi, der Art Garfunkel der Original-Serie. Mit Howies Nichterscheinen und auch durch das Weglassen des Nebenjobs als Kopfgeldjäger sammelt „The Fall Guy“ also bereits Minuspunkte, bevor er noch überhaupt angefangen hat. Und auch damit, dass Colts Angebetete hier zwar ebenfalls Jody heißt, aber – zugegebenermaßen sinnvollerweise – hier nicht nur blond und süß, sondern zunächst Kamerafrau und dann Regisseurin ist. Auch hinsichtlich der Schwächen des Plots gehe ich komplett mit Matze konform, wobei sich hier ja eigentlich genau genommen eine Parallele zur Fernsehserie auftut, bei der auch nicht immer alles Gold war, wobei Colt vermeintlich so glänzte. Die versehentliche Tötung eines Menschen zu verschleiern, indem man eine material-, zeit- und mitarbeiterintensive Maschinerie in Gang setzt, die nebenbei noch eine hanebüchene Sci-Fi-Action-Fantasy-Romanze abzudrehen hat, ist schon eine kühne Idee, sorgt aber immer für Lacher, sobald Details der abzudrehenden abgedrehten Produktion „Metalstorm“ (wunderbar mit Metallica-Ms im Schriftzug und Macheten-/Lichtschwert-Hybrid-Hieb- und Stichwaffen in Stromgitarrenformat in Szene gesetzt) während der Dreharbeiten gezeigt werden. High Noon am Rande des Universums, oder war es der Galaxis? Wurscht – wir bewegen uns hier eh weit jenseits sämtlicher Donnerkuppeln. Und hoffen für Jody, dass dieser Film am Ende des Tages ein Erfolg wird, und nicht hinten ein Schmerz.

Ganz hervorragend finde ich an „The Fall Guy“, wie hier Actionszenen, Herzschmerz und Musik in Einklang gebracht werden. Es gibt eine Szene, in der sich die Filmcrew am Ende eines Drehtages zum Karaoke trifft. Zunächst gibt Nigel, der unbeholfen wirkende, aber die Fäden in der Hand haltende Produktionsassistent oder sowas „Genie In A Bottle“ von Christina Aguilera zum Besten, nachdem er zuvor Jody gefragt hatte, ob Christina oder Britney besser geeignet wären. Keine Frage – auch mit „Oops I Did It Again“ hätte Nigel einen Brüller gelandet. Später wird dann Jody aufgerufen, die Handlung ist inzwischen soweit fortgeschritten, dass sich Colt in einer actionreichen und lebensbedrohenden Situation befindet, und Jody, die zunächst deshalb keinen Sinn für sinnbefreites Karaoke hat, entscheidet sich für „Against All Odds“ und singt zunächst mal los, ohne den Kopf auch nur ansatzweise für den größten Song des großen Phil Collins freizuhaben. Es wird dann sehr schnell zwischen Jodys Performance und Colts lebensbedrohenden Filmstarrettungsversuchen hin- und hergeschnitten und je aberwitziger die Colt-Szenen werden, umso leidenschaftlicher wird Jodys Karaoke-Vortrag. Just take a look at me now. And at her. Und überhaupt auf diesen gesamten Film:

Matzes Kritik hinsichtlich der Filmlänge kann ich gut nachvollziehen – aber (hihi, jaja, hinter jedem „Matze hat völlig Recht!!!!“ folgt ein „Aaaaabeeeeer!!!!!!!!!!!“) ich selber fand diese hier durchaus angemessen. Ich hätte keine der in epischer Breite dargebotene Action-Szene missen mögen und erst recht nicht die Herz/Schmerz-Sequenzen. Ich habe es beiden Hauptcharakteren zwar von vornherein nicht abnehmen können, die jeweilige Hauptleidenschaft der/des jeweils anderen zu sein, aber trotzdem ging mir das alles sehr zu Herzen. Oder vielleicht genau deshalb. Und jetzt noch 10x „Hubschraubereinsatz“ (ein Stilelement, das in diesem Film wahrlich nicht fehlte, sondern gefühlt andauernd zum Einsatz kam), und wir haben 125 Minuten Kinofilm überstanden. Ohne dass mir der Hintern wehtut, und außerdem:

Ich hatte mich ja am Anfang der Kritik an dem bereits von Matze festgestellten mangelnden Bezug des Kinofilms zur Originalserie angeschlossen, muss hier aber trotzdem nochmal eine Lanze für den Kinofilm brechen, indem ich beschreibe, inwiefern sie mich mit dieser Diskrepanz dann doch irgendwie wieder versöhnt hat:

  • Wenn schon Colt Seavers’ Nebenjob als Kopfgeldjäger hier nicht auftauchte, hat doch immerhin die überdreht-besessene Filmproduzentin Gail unseren Stuntman mit der Suche nach dem verschollenen Hauptdarsteller Tom Ryder beauftragt und somit quasi eine böse Wiedergängerin von Big Jack (Staffel 1 der Serie) bzw. Terri Michaels (übrige Staffeln) gegeben.
  • Während zu Beginn des Films „Thunderstruck“ von AC/DC und dann immer wieder „I Was Made For Lovin’ You“ von Kiss ertönte, tauchte dann prominent platziert im Abspann doch noch „The Unknown Stuntman“, sehr schön dargeboten von Blake Shelton (dem Ex der besten zeitgenössischen Country-Künstlerin Miranda Lambert), auf.
  • Im Abspann wurden zahlreiche Action-Szenen gezeigt, diesmal jedoch aus der Dreharbeiten-Perspektive mit dem Stunt-Team bei der Arbeit. Ehrlich, in einem Film über einen Stuntman eben genau diesem und seinen Kollegen in der Meta-Ebene ein Denkmal zu setzen, das ist eine wirklich schöne Idee, die auch gut umgesetzt wurde.
  • Ebenfalls im Abspann haben Lee Majors und Heather Thomas aus der Originalserie einen liebevoll gemachten Cameo-Auftritt.
  • Den 80er Jahren wird unter anderem sowohl mit der Musikauswahl (besagtes „Against All Odds“ in der besagten Karaoke-Szene) als auch mit den Miami-Vice-Anspielungen (Ja Matze, nicht nur der Hauptdarsteller ist zu früh geboren, um da mitgewirkt haben zu können, auch sein Rollen-Alter passt hier so gar nicht, aber schöne Idee und schön in die Handlung eingebaut allemal) und der Art der Faustgewalt- und Kraftfahrzeugvernichtungsdarstellung in durchaus ansprechender Weise Tribut gezollt.
  • Und – das hat jetzt zugegebenermaßen rein gar nichts mit der Serien-Kinofilmbeziehung zu tun – dass ausgerechnet „All Too Well“, einer meiner absoluten Taylor-Swift-Lieblingssongs aller Zeiten, in einer der sentimentalsten Filmszenen nicht nur als musikalische Untermalung, sondern als tragendes Element eingesetzt wurde, finde ich eine Welt-Idee.
  • Und last but not least, das muss ich hier als bekennender Autofreak/Pistonhead und Fahrer eines dreizylindrigen 998-Kubik/51kW-Vehikels aus dem vorletzten Jahrzehnts auf jeden Fall loswerden, tauchen der Original „Coltwagen“ aus der Serie – ein dreisitziger GMC Sierra – sowie sein zeitgenössischer Nachfolger hier auf, ersterer lediglich als den Film unversehrt überlebendes Fortbewegungsmittel, letzterer als Gegenstand einiger Action-Szenen, die er nicht unbeschadet übersteht. Respektive bei denen er komplett geschrottet wird.

Der Film hat mich also gut unterhalten, Erinnerungen an die 80er Jahre aus Film-, Musik- und Fernsehsicht geweckt und die Zeit meiner Früh-, Mittel-, Spät- und Postpubertät nochmal vor meinem geistigen Auge Paroli laufen gelassen. Und – falls Du hier mitliest, mein Mitschüler und Mit-Zivi Hendrik B aus U: Weißt Du noch, wie Du Herrn Sievers, den Fahrdienstleiter bei unserem Zivildienstherrn, in seiner Abwesenheit immer als „Colt Sievers“ bezeichnet hast? Da musste ich heute Abend dran denken.