Jisei & LabLase – Retour vers No Future – Cold Smoke Records 2025

Von Matthias Bosenick (03.06.2025)

Die Ausgangslage ist noch interessanter, als sie beim ersten Auftreten erscheint: „Retour vers No Future“ ist die Zusammenarbeit von einem Synthwaver und einem Rapper, beide aus der Schweiz. Spannend genug, geht es hinter den Kulissen noch spannender weiter: Jener Rapper nennt sich LabLase und heißt eigentlich Baptiste Morisod, als jener trat er gelegentlich schauspielerisch in Erscheinung, etwa in der Serie „Helvetica“. Der Synthieproduzent nennt sich Jisei, heißt eigentlich Bertrand Pot und ist Gitarrist der Sludge-Metal-Band Herod. Auf der gemeinsamen EP nun hört man einen Sprechsänger, der seinen auf Französisch gehaltenen Flow zu düsteren Electro-Flächen mit minimalistischen Beats ausrollt.

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Funeral Baptism – In Solitude – Loud Rage Music 2025

Von Matthias Bosenick (02.06.2025)

Der Bandname ist schon mal ganz geil: Funeral Baptism, Ende und Anfang in einem Ritual. Wer seine Band so nennt, macht bestimmt keine Gute-Laune-Musik, und hört man „In Solitude“, das zweite Album jener Band aus Bukarest, findet man sich bestätigt. Black und Death Metal gehen hier eine formschöne Allianz ein, die bei aller erfreulicher Brutalität den nötigen Raum für Schönheit lässt.

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Spezial: impro@aulnay – Zwei Veröffentlichungen – Bandcamp 2025

Von Matthias Bosenick (30.05.2025)

Folgt man dem Improvisations-Gitarristen Michel Kristof aus Paris virtuell, bekommt man stapelweise Aufnahmen von mitgeschnittenen Free-Jazz-Impro-Abenden, die in Aulnay Sous Bois stattfanden. Dabei handelt es sich um eine Stadt im erweiterten Bebauungsgürtel von Paris. Auf Youtube sieht es aus wie bei einem der Musizierenden zu Hause, und da Kristof die feste Größe in der Zusammensetzung der Akteure ist, kann man davon ausgehen, dass man im Hintergrund auf seine Plattensammlung blickt. Zweitfesteste Größe ist Schlagzeuger Makoto Sato, der auch auf den folgenden beiden Aufnahmen zu hören ist, die es beide als name your price bei Bandcamp zu finden gibt.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Warum Elbow die besseren Coldplay sind

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hat die These, dass Coldplay aufgehört haben, Musik zu machen. Lalala „Moon Music“ (Parlophone) Lalala, das zehnte Studioalbum von Chris Martin & Co aus dem Jahr 2024 ist nicht mal Fahrstuhlmusik. Wahrscheinlich muss die Band irgendeinen Label-Knebel-Vertrag erfüllen, um vor allem viel Geld zu verdienen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Band, die einst im Alternativ-Umfeld mit melancholischen, introspektiven Sounds („Parachutes“ und „A Rush Of Blood To The Head“) begann, sich dann aber mit fröhlich- schnulzigem Pop Richtung Massengeschmack entwickelte. Seitdem ist jede neue Coldplay-Platte wie ein Besuch beim Proktologen: Meine Freundin weiß, dass es weh tun wird, muss aber trotzdem reinhören. Ihrer Meinung nach hat das schleichende Ende der Beliebigkeit des kreativen Outputs der Band mit der Beziehung von Chris Martin zu Gwyneth Paltrow zu tun.

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Mark Springer/Neil Tennant/Sacconi String Quartet – Sleep Of Reason – Sub Rosa 2025

Von Matthias Bosenick (28.05.2025)

„El sueño de la razón produce monstruos“ ist die Nummer 43 des achtzigblättrigen satirischen Zyklus‘ „Los Caprichos“ aus Aquatinta und klassischer Radiertechnik, mit dem Francisco de Goya zum Ende des 18. Jahrhunderts seine gesellschaftskritische Sicht der Welt darlegte. Dieses Blatt griffen Neil Tennant, seit über 40 Jahren Sänger des Synthiepop-Duos Pet Shop Boys, und Mark Springer, bis vor 40 Jahren Mitglied der Experimental-Popband Rip Rig + Panic, der auch Neneh Cherry angehörte, auf und komponierten das dreiteilige Stück „Sleep Of Reason“ drumherum. Für den ersten Teil verfasste Tennant Texte, jenen und den zweiten begleitet das Sacconi String Quartet, den dritten performt der Komponist solo am Piano. Das Ergebnis: viel Kopf, wenig Herz, reichlich artifiziell und spröde. Aber was weiß denn schon jemand, der von Klassik keine Ahnung hat.

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Markus Reuter feat. Fabio Trentini and Asaf Sirkis – Truce <3 – Iapetus Media 2025

Von Matthias Bosenick (27.05.2025)

Das glaubt man gar nicht: Dieses Jazz-Rock-Fusion-Album mit dem herzigen Titel „Truce <3“ entstand ohne kompositorische Vorarbeit, schlichtweg aus dem heraus, was die drei Musikanten Markus Reuter an der E-Gitarre, Fabio Trentini am Fretless Bass und Asaf Sirkis am Schlagzeug miteinander im Studio generierten. Wenn man Leute zusammenschiebt, die etwas auf dem Kasten haben, klingt das Ergebnis nicht nur so, als wäre es beabsichtigt gewesen, sondern auch noch überraschend zugänglich, eingängig bald, trotz der herausfordernden experimentellen Anteile. Die können einfach was, und sei es auch nur, sich im geeigneten Moment zurückzuhalten.

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Old Town Crier – Peterson Motel – Stinkbug Records 2025

Von Matthias Bosenick (26.05.2025)

Kaum veröffentlicht Jim Lough als Old Town Crier mit „Motion Blur“ alte wiedergefundene Aufnahmen, gibt’s auch schon eine neue EP: „Peterson Motel“ betitelt der Bluegrass-Musiker aus Middleboro, Massachusetts, USA, die fünf neuen Indie-Garagen-Retro-Songs, die von geschehnissen in der titelgebenden Herberge berichten. Die sind überwiegend boogielastig ausgefallen und bleiben, kaum gehört, für immer im Ohr haften. Seine Hauptband Riley Coyote ist an dieser EP beteiligt.

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Metal Charm – Visions Of Escape – Bitume Prods 2025

Von Matthias Bosenick (26.05.2025)

Was die fünf Mucker von Metal Charm aus İzmir in der Türkei auf ihrem zweiten Album „Visions Of Escape“ zusammenbringen, funktioniert besser, als es sich lesen mag: Unter Melodic Death Metal sortiert sich das Quartett ein, was bedeutet, dass es hier fette Riffs auf die Fresse gibt, dazu Growls und Keifen – und dem klassischen Heavy Metal der Achtziger entliehene Power-Passagen. Alles für sich wäre konventionell, die Kombi hingegen lässt aufhorchen.

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Christof Dörr – Fast Weltweit – Verlag Andreas Reiffer 2025

Von Matthias Bosenick (25.05.2025)

Eigentlich erzählt „Fast Weltweit“ vom gleichnamigen Label aus Ostwestfalen, aus dessen Wurzeln in den Neunzigern die Hamburger Schule spross, etwa mit Bernd Begemann, Die Braut haut ins Auge, Die Sterne oder Blumfeld. Andererseits setzt Autor Christof Dörr dieses Interview-Mosaik zusammen wie einen Roman, erst Coming of Age, Abenteuer, dann Erfolgsgeschichte und zuletzt Drama und Psychogramm, durchgehend spannend, mitreißend, erhellend. Von sympathischen Jugendlichen in der Provinz, die davon träumen, mit ihrer unzeitgemäß deutschsprachigen Musik berühmt zu werden, und dieses Ziel gegen alle Erwartungen sogar erreichen. Mit einigen Opfern.

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Spezial: Addicted Label aus Moskau, Teil 17

Von Matthias Bosenick (23.05.2025)

Unsere Moskauer Freunde sind wieder aktiv! Fünf neue Veröffentlichungen gibt’s auf dem Label addicted/noname: „Bibliotheka XXXX“ von LibrёFnørd soll Impro-Metal sein, ist aber eher improvisierter Jazz. Mit „Geo Murmuratio“ kredenzt Starlit Tales Ambient-Relax-Musik zu literarischen Reisegeschichten. „Смерть подождет“ von Zatvor ist dunkel-gruftiger, epischer, rauher Doom. Die Band Petyaev-Petyaev (Петяев-Петяев) macht auf „Отсутствие“ wilden Free Jazz. Noch wilder ist „Вкус жареных гвоздей“ vom aus drei Bands bestehenden Projekt Pizzdol EB – ein akustischer Schlag aus Free Jazz, Noisecore, Hip Hop und Pop mitten in die Fresse.

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