Vince Clarke – Songs Of Silence – Mute 2023

Von Matthias Bosenick (10.12.2023)

Na klar, Depeche Mode, Yazoo, Erasure, das kennt man, VCMG sicherlich auch noch, The Clarke & Ware Experiment oder The Assembly schon nicht mehr so genau, die ganzen anderen Projekte auch nicht: Der als Vincent John Martin geborene Synthiepopheld Vince Clarke aus Basildon ist seit den Siebzigern musikalisch unterwegs und veröffentlicht erst 2023 ein als Soloalbum deklariertes Werk. Den Titel „Songs Of Silence“ nimmt er nur halb genau, weil auf diesem die Stille durchaus bedienenden Album keine Songs enthalten sind. Sondern Ambient-Experimente mit geringsten bpm-Werten und mehr Soundscapes als Melodien. Das kann er, und selbst, wenn man dies mit seinem Achtziger-Synthiepop nicht in Einklang bringen kann, finden sich sehr wohl Analogien in seiner Discographie. „Songs Of Silence“ passt perfekt in den tiefsten Winter.

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Nopamin & HUM – Burning Air – Nopamin/HUM 2023

Von Matthias Bosenick (09.12.2023)

Was kommt dabei heraus, wenn der Gitarrist und der Schlagzeuger zweier Heavy-Stoner-Bands zusammen Musik machen? Klar: melodischer Drum And Bass, was sonst! Harri Gottschalk, Gitarrist bei HUM, und Johannes Melchior alias Nopamin, Schlagzeuger bei Peoples Temper, erschufen zusammen den Track „Burning Air“. Hier kommen groovender Trance, D’n’B-Tanzbarkeit und atmosphärische Melodien zusammen, eine schöne Ausgangslage für mehr.

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Die drei ???: Böser die Glocken nie klingen – Europa/Sony Music 2023

Von Matthias Bosenick (08.12.2023)

Zum fünften Mal versuchen sich die Autoren der Drei Fragezeichen an einem Adventskalender-Fall, der sich also über 24 Türchen erstreckt. Im Falle von „Böser die Glocken nie klingen“ bedeutet dies: dreieinhalb Stunden auf sechs LPs, die Box ist teurer als alles, was es bisher von den drei Detektiven als Hörspiel zu kaufen gab. Den Fall erdachte André Minninger, der seit über 20 Jahren als Skriptautor die Hörspiele versaut, und genau so gestaltet sich dieser Fall auch: langatmig, labernd und konfus. Positiv ist: Die Box sieht geil aus, jede LP hat ein eigenes Sleeve, schick! Aber: Man darf sich vor der regulären Folge 225, „Der Puppenmacher“, im Januar nur fürchten: Es werden fünf LPs. Mit Minninger ist da leider einiges an Langeweile zu befürchten, denn so lang ist das Buch dazu ja gar nicht.

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Leda Atomica – Leda Atomica – Exil/Roy II 1986/Atypeek 2023

Von Matthias Bosenick (08.12.2023)

In Marseille etablierte sich in den Achtzigern ein musikalisches Kunstprojekt, das bis vor wenigen Jahren aktiv war und unendliche Alben und Nebenarme abwarf. Eines der frühesten musikalischen Dokumente ist das 1986 erschienene selbstbetitelte Tape „Leda Atomica“, auf dem das Kollektiv synthetisch unterfütterte Kunst machte, minimalistisch, stimmlastig, expressionistisch, theatralisch, experimentell. Bei dieser Synthiemusik geht es nicht um Beats und Tanzbarkeit, hier geht es ums Zuhören und, ja, Genießen des Ausdrucks, den die Künstler suchten. Musik wie diese sah sich seinerzeit und auch heute noch vornehmlich an gruftigen Genres wie Darkwave oder Minimal-Synth angedockt, die Band selbst schlug hernach aber ganz andere Wege ein. Das nach einem Gemälde von Salvador Dalí benannte Projekt lässt mit diesem nun digitalisiert verfügbaren Tape tief in die französische Experimental-Geschichte eintauchen.

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Darwells – Life – Darwells 2023

Von Matthias Bosenick (07.12.2023)

Retro ist heute nicht mehr nur an den Sechzigern und Siebzigern ausgerichtet, inzwischen sind ja auch die Neunziger lang her, und es ist irgendwie retro, wenn man als junge Band klingt wie die vor 30 Jahren. Die Darwells aus Südfrankreich machen auf ihrer zweiten EP „Life“ Power-Indierock mit Riff-Verschachtelungen, Mitgrölchören im Refrain und einer Powerballade am Schluss. Das machen sie gut, handwerklich wie kompositorisch – kennt man nur aber schon, wenn man die Neunziger bewusst miterlebte.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Im Windkanal mit Beyoncé

Von Onkel Rosebud

Ich gebe zu: Von der Künstlerin Beyoncé habe ich kaum eine Ahnung. Sie war in den Neunzigern in irgendeiner Girlband und damit eine der ersten erfolgreichen Woman of Colour, hat es zweimal auf ein Spex-Cover geschafft und ist mit so einem Typen liiert, der ein einflussreicher Hip-Hop-Musiker sein soll. Außerdem scheinen geschlossene Ober- und Untertrikotagen nicht ihr Ding zu sein. Ich erinnere mich auch, mal irgendwo gelesen zu haben, dass eine australische Pferdebremse nach ihrem Hinterteil benannt wurde…

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Sâver – From Ember And Rust – Pelagic Records 2023

Von Matthias Bosenick (06.12.2023)

Härte ohne Tempo, Schönheim im Lärm: Die Herausforderung, das schwierige Album nach der großen Aufmerksamkeit zu erstellen, meistert das Sludge-Doom-Trio Sâver aus Oslo damit, dass es sein zweites Album „From Ember And Rust“ einfach mal extrem geil sein lässt. Erwartungshaltung, Erfolgsdruck, scheiß was drauf, die drei machen einfach, worauf sie Bock haben, und das ist ohnehin die allerbeste Kreativitäts-Erfolgsformel. Dem kommt wohl zugute, dass alle drei Musiker bereits auf langjährige Erfahrung zurückblicken können – sie bündeln ihre Kompetenzen in Sâver und beglücken eine wachswende Gefolgschaft, die sich nach „From Ember And Rust“ noch vergrößern dürfte. Denn Sâver erweitern das Spektrum: Den neu für sich entdeckten Moog von der „Emerald“-Split-EP mit Psychonaut haben sie auf diesem Album auch untergebracht.

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New Order – Substance 2023 – Factory/Rhino Records 2023

Von Matthias Bosenick (05.12.2023)

It seems like I’ve been here before: Was machen einst erfolgreiche Musizierende, sobald ihr Zenit überschritten scheint? Compilation- und Live-Alben herausbringen, und sobald noch mehr Zeit vergeht, mit erweiterten Reissues der Erfolgsalben aufwarten. Die für Puristen faktisch schon wieder nicht mehr existierenden New Order absolvieren hier alles gleichzeitig: Sie bringen ein Reissue einer Compilation heraus mit einem Live-Album als Bonus. Nun war „Substance“ – den Titel übernahmen sie 1988 für eine Compilation von Joy Division – 1987 wegweisend und die einzige Möglichkeit, den Überhit „Blue Monday“ in Albumform zu erwerben; auch, wer alle Studioalben hat, braucht „Substance“, und auch, wer „Substance“ hat, braucht dieses Reissue, weil die damals nur auf Tape erschienenen Extra-Tracks hier endlich remastert als dritte CD zugänglich sind. Hier lässt sich dreimal der Weg der Joy-Division-Nachfolger vom Wave und Postpunk zur Synthiepop-Disco nachverfolgen. Übergroß, und das, obwohl Bernard Sumner nicht singen kann.

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Ni – Fol Naïs – Dur & Doux 2023

Von Matthias Bosenick (04.12.2023)

Wer braucht schon Stimmen, wenn die Instrumente stimmen? Bei Ni – Eigenschreibweise ni und nicht etwa Ekke Ekke Ekke Ekke Ptang Zoo Boing – handelt es sich um ein Quartett aus Bourg-en-Bresse irgendwo in den Alpen zwischen Lyon und Genf. Für ihr drittes Album mit dem altfranzösischen Titel „Fol Naïs“ – „verrückt geboren“ wie der Narr am Königshof, und außerdem „voll nice“ – warfen die vier Musiker einen direkten Blick auf Metal und Tempo und reicherten ihren ohnehin schon hochkomplexen jazzigen Mathcore damit an. Für einen Gesang wäre da wahrlich kein Platz, jedenfalls nicht, wenn man nicht Frank Zappa ist. Der hinterließ hier ebenso sehr seine Spuren wie Fantômas, Meshuggah, Aphex Twin, Mr. Bungle und System Of A Down. „Fol Naïs“ ist Kunst, zu der man gleichzeitig headbangen und staunen kann.

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MT Gemini – Conquering Ruler – Antibody Label 2023

Von Matthias Bosenick (01.12.2023)

Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass der Brüsseler Yannick Franck sein Alias MT Gemini dafür ins Leben rief, um seine Einflüsse Jamaikanischer Musik zu verarbeiten, also Dub, Reggae, Rocksteady, Ska, denn was er auf seinem neuen Mini-Album „Conquering Ruler“ präsentiert, würde man eher im Industrial, Dark Ambient und Experimental-Noise verorten. Doch wer genau hinhört, entdeckt in diesen abgrundtief dunklen Horror-Soundscapes vereinzelte Offbeat-Samples. Heißt also, dass Franck die altvertrauten karibischen Rhythmen als Vorlage nimmt, um sie weiterzuentwickeln, und zwar deutlich weiter, als es der Gute-Laune-Anschein der Originale vermuten lässt: „Conquering Ruler“ ist eine akustische Herausforderung, die das Hören zwar zum Genuss, aber nicht zum Wohlfühlmoment macht.

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