Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Die Beschriftung der Menschen

Von Onkel Rosebud / Jörg Mewes

Mit Essen spielt man nicht. Mit Feuer auch nicht, denn es bestünde die Möglichkeit, sich nicht nur die Finger zu verbrennen. Solcherlei Küchen- und Lebensratschläge dürften jeden Heranwachsenden in den frühen Jahren seines idealerweise unbeschwert bewerkstelligten Daseins begleitet haben. Kürzlich war es wieder so weit. Eine Band, deren Name nicht genannt werden darf, gastierte in unserer Stadt, um ungestraft der akustischen Umweltverschmutzung zu frönen. Wohnortsbedingt war es mir nicht vergönnt, um den Auftrittsort einen angemessen großen Bogen zu machen. Das zuströmende Publikum versprühte den Charme der sonst zweiwöchig zu ebendiesem Veranstaltungsort Pilgernden, denen ihre fragwürdige Auffassung von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit im Sinne von Vereinheitlichung erstrebenswert erscheint. Der urinfarbende Anteil der visuellen Peinigung entfiel jedoch – die Meute floss als schwarze Brühe daher.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Egal, ABER

Von Onkel Rosebud / Jörg Hiecke

Ich liebe Listen. Top-Fives für alles Mögliche kann ich bei jeder Gelegenheit raushauen. Und da mir das nicht reicht, pflege ich ständig die Top 5+1 für das, was mir im Leben am wichtigsten ist. Auf den ersten 4 Plätzen rangieren seit Beginn meiner Zeitrechnung dieselben drei Personen und ein Ding. Platz 5 und 5+1 unterliegen einer gewissen Fluktuation. Neben Eibauer Bier (Neunziger), Island (2008), der grandiosen Fernsehserie „Justified“ (6 Staffeln, 2010 bis 2015), der schönsten Stadt der Welt (Edinburgh, 1993 bis heute), einem boxenden, kommunistischen Känguru (2013) oder dem Komiker Jan Böhmermann (2014 bis heute) hielt da längere Zeit die Band Tocotronic (oder wie ich sie eigentlich nannte „Trockentonic“) die Stellung.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Der Gläserne Gang

Von Onkel Rosebud / Manja Barthel

Die Welt besteht aus Dingen, die einen Namen haben. Doch wir alle wissen – da gibt es noch mehr. Für bestimmte Geschehnisse gibt es einfach keine Worte. Vielleicht brauchen zu wenige Menschen für ein und dieselbe Sache eine Bezeichnung, weil sie mit dieser Sache kaum oder nie in Verbindung kommen. So gibt es Worte, die irgendwann einmal erdacht und benutzt wurden, und dennoch weiß heute kaum noch jemand, dass sie existieren. „Nupturient“ zum Beispiel ist ein Wort in juristischen Texten, es beschreibt einen Heiratswilligen; „Nyktitropie“ ist die Schlafbewegung der Pflanzen und „kuranzen“ steht für schikanieren. Diese Worte verschwinden so nach und nach aus dem Duden.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Géill Slí. Der Katechismus der Pedestrian Church Of Ireland

Von Onkel Rosebud / Guido Dörheide & Matthias Bosenick

Ein Fragment.

§1 Außenspiegel im Rechtsverkehr

Mit dem Flugzeug im Urlaub? Ergibt auf jeden Fall Sinn, wenn man vom Heimat- zum Urlaubsland von Rechts- auf Linksverkehr wechselt. Da hat man dann nämlich eigentlich keine wirkliche Umstellung: Parkt am Heimatflughafen das Auto gewohnt rechtsverkehrig weg, steigt in „den Flieger“ (wir machen jetzt nicht den Hinterfrager, wo dieser Formulierer jetzt herkommt), also betritt zunächst, verlässt dann das Luftfahrzeug (das ist die offizielle Bezeichnung, obwohl es ja gar nicht fährt, sondern fliegt, es sei denn, es ist leichter als Luft) und marschiert direkt zum Mietwagenschalter und nimmt die Plätze ein. Was in Irland für uns Kontinentaleuropäer bedeutet: Der Fahrer nimmt Platz, dort, wo gewohnheitsmäßig der Beifahrer sitzt. Die Umstellung auf den Linksverkehr erforderte von uns nach der Landung in Dublin ohnehin so einige Extrarunden im Kreisverkehr. Hatte sich was mit dem Vorhaben, die Sache erstmal auf dem Autoverleihparkplatz zu üben – wir mussten den sofort verlassen. Setzten uns also jeweils als Fahrer im Opel rein (wohlgemerkt kein Vauxhall, der Irländer scheint also Wert darauf zu legen, nicht ohne Not ein Produkt des ungeliebten Besatzers zu verwenden), natürlich rechts, schauen nach schräg links oben, stellen fest, dass der elektrisch außenverstellte Innenspiegel nicht passt, hoben die Hand und – BLAM!!! – es war die vom Kontinent gewohnte rechte Hand, die zum Behufe der Spiegelverstellung emporschnellte und laut knallend von innen an der Innenseite der vermeintlichen Beifahrertür zerstob. Weil das aber nicht reicht, öffneten wir zunächst bei jedem Schaltvorhaben die Fahrertür und bremsten auf der Autobahn die Überholspur aus. Das würde uns jetzt den Rest der Reise begleiten. Ebenso wie die Kontinentalwende: Sobald wir feststellten, dass wir in der verkehrten Himmelsrichtung unterwegs waren, suchten wir eine Einmündung rechts oder links und sahen zu, dass wir diese entweder im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn wieder verließen. Auf jeden Fall immer so, dass der Linksverkehr dazu führte, dass wir uns nach Beendigung eines halben Wendemanövers Auge in Auge mit dem Gegenverkehr konfrontiert sahen. Aber egal, wir haben’s überlebt und die Irländer sind immer noch Members of the EU – What shall’s, wie der anglophone Miteuropäer so sagen tut. Kaum hatten wir einige Übung, am dritten Tag unserer in Dublin gestarteten Inselrundreise, wurden wir über Nacht des Fahreraußenspiegels beraubt.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Sam – Ein Sachse

Von Onkel Rosebud (10.05.2023)

Der Herausgeber dieses menschenfreundlichen Blogs, bei dem man was gelernt kriegt, ist der Meinung, dass ich dafür zuständig bin, eine Serie mit dem völlig bescheuerten Titel „Sam – Ein Sachse“ meiner Freundin zwecks Meinungsfindung zu kredenzen.

Habe ich gemacht. Die Mini-Serie (7 Folgen à 45 Minuten von den Machern von „Deutschland 83“) erzählt frei und ohne Anlehnung an reale historische Ereignisse die Lebensgeschichte von Samuel Meffire aus unserer Heimatstadt. Wir mussten sie schauen, weil ich ihn persönlich kennen gelernt habe. Wichtig hier gleich eingangs zu betonen: Vor seiner rechtswidrigen Phase.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wie man die Unschuld verliert, weil man sie findet

Von Onkel Rosebud / Matthias Bosenick

Zum Geleit: Mit diesem Text geht es mir nicht darum, mich über den Geschmack anderer Leute zu stellen. Vielmehr berichte ich davon, wie mir in Zeiten schlimmster Orientierungslosigkeit ein heller Stern eine neue Richtung wies.

Eine Autofahrt als Beifahrer des Jahrgangsslackers änderte im sommerlichen Frühjahr 1991 alles. Bisher hatte ich in dem festen Glauben gelebt, dass Musik, die nicht in den Charts war, schlecht sei, weil sie ja schließlich ansonsten in den Charts wäre. Den umgekehrten Schluss, dass mir nämlich auch Musik aus den Charts nicht gefallen könnte, ließ ich dabei zu, schließlich traf ich bei meinem Konsum eine Auswahl. Bis 1989 fuhr ich damit auch ganz gut, und noch bis heute mag ich einen großen Teil dessen, was ich damals für mich entdeckte. Allem voran mochte ich den Synthiepop mit seinen ausufernden Maxiversionen. Ein mögliches Ende dieser Ära zog ich nie in Betracht, und doch ereilte es die Musikwelt und damit meinen Musikgeschmack ungefähr 1990, also knapp nach dem Mauerfall.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: The Under Assistant West Coast Promotion Man oder unser schönstes Ferienerlebnis – ein Reisebericht

Von Onkel Rosebud / Guido Dörheide & Matthias Bosenick

Weil man auf Flugreisen keine Autos mitnehmen darf, fahren wir einmal im Jahr hier in Deutschland irgendwo hin, um uns zum Beispiel ein Hermannsdenkmal, einen Leipziger Hauptbahnhof, ein Ruhr- oder Saargebiet, Peine oder eine Schwebebahn anzusehen. In diesem Jahr ging es Ostern nach Saarbrücken, weil das Saarland das einzige deutsche Bundesland der Welt ist, durch das man nicht hindurch kommt, wenn man irgendwo anders hinfährt, weil es dazu einfach zu klein ist.

Um die Stimmung zu heben, hatten wir uns gegenseitig mit jeweils ca. neun Kassetten, auf denen nur das Lied „The Under Assistant West Coast Promotion Man“ von den Rolling Stones immer wieder hintereinander aufgenommen war, überrascht. Bereits während des ersten Drittels der Hinfahrt (also während der 80km Stau zwischen Seesen und Hannoversch-Münden) hatten wir die erste Hälfte dieser Kassetten angehört, und die Stimmung strebte schon auf den Siedepunkt zu, bevor die hessische Landesgrenze überhaupt erreicht war.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: One evening, when I was still living

Von Onkel Rosebud / Uli Wirth

Das situative Arrangement: der Schreibtisch bedeckt. Poetae Latini Medii Aevi, Tomus 5, Fasc. 3. Hier Kopien (= Arbeit), dorten Opas Rotationsascher, vollbeschäftigt, auf Zuruf lustig piruettierend. Irgendwie die perfekte Symbiose aus Arbeit und Vergnügen. Bleistifte aller Härten und Geschmacksrichtungen, Unmengen an Papier und Schokolade, ein Gläschen Wein: eben alles, was zum Gelingen von universärer Heimarbeit beizutragen vermag.

Fehlt noch ein wenig Musik, die aber schnell gefunden ist: Meine Plattensammlung und ihr chronologisches Ordnungsprinzip! Wähle ein Exemplar meines Geburtsjahrgangs aus: I Wanna Be Your Dog, der richtige Song für die tägliche Fron, sofern man sich auf den Refrain bezieht.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Paganini und Philosophie

Von Onkel Rosebud/Alexander Rösler

An Virtuosen habe ich immer bewundert, dass sie etwas können. Ich selbst habe Philosophie studiert. Die Frage, auf die ich meistens antworten musste, lautete in etwa: Was willst Du denn damit mal machen? Paganini hat das sicher niemand gefragt. Er hat seine Geige ausgepackt und einfach gespielt. Das war Antwort genug. Und ich muss sagen, nach dem Spiel von Paganini hätte auch ich nichts mehr gefragt. Obwohl Philosophie darin besteht, zu jeder Selbstverständlichkeit noch eine Frage parat zu haben. Vielleicht habe ich mich deshalb schon früh für Philosophie interessiert, so mit sechzehn. Ich habe auch Geige gespielt, um das gleich mal zu verraten. Mit zehn Jahren habe ich angefangen und kannte zum Glück Paganini noch nicht. Heute denke ich, dass ich in dem Fall damals meine Kindervioline aus dem familiären Bestand gleich wieder in den Kasten gelegt hätte. Auf mein Interesse an Philosophie hätte das keine Auswirkungen gehabt. Im Gegenteil, manchmal bin ich der Meinung, ich hätte einfach noch früher damit angefangen. Diesmal wahrscheinlich, um Antworten zu finden.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Tony Nick Stark Cave

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin nervt, dass ihre popkulturellen Helden andauernd sterben. Das ist ihr früher gar nicht mal so aufgefallen, es passiert allerdings ständig. Wobei, gestorben wird immer. Das gilt nicht erst seit der Fernsehserie „Six Feet Under“. Klar, es liegt am Alter, weil fortschreitend die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ende und dem Tod an sich beginnt und dafür die Wahrnehmung insgesamt steigt.

Mein Interesse am Tod der anderen startete vor etwa acht Jahren. Im Jahr 2012 segnete nicht nur die Gurkenkönigin (gespielt in der 327. Folge des Polizeirufes), Susanne Lothar, das Zeitliche, sondern so richtig unvorbereitet traf mich das Ableben des Schauspielers Günther Kaufmann. Der spielte unter anderem den Schrecklichen Sven, den Antagonisten von Wickie. Und das ganz faszinierend. Es gab damals ein Bonusmaterial auf der DVD, die zeigte, dass er bei den Dreharbeiten beinahe wirklich ertrunken wäre. Das hat mich bis heute traumatisiert.

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