Von Matthias Bosenick (26.11.2024)
Da macht der Verlag Kosmos den nächsten Fan zum Autoren. Für Andreas Ruch sind die drei Rewe-Minis der Reihe „Die drei ???“ nicht die ersten Beiträge, lediglich zur regulären Episode brachte er es bisher noch nicht. Die drei Fälle „Rätsel des Flamingos“, „und der Bärenkopf“ und „und die rasende Gier“ decken ungefähr die Eckpunkte ab, die der geneigte Fan seit 1964 (in den USA) und 1968 (in Deutschland) sowie 1979 als Hörspiele so verehrt: Schatzsuchen mit Rätseltexten, Geistererscheinungen, herkömmliche knifflige Kriminalfälle, hier kredenzt mit weiteren vertrauten Versatzstücken. Besonders besonders sind alle drei Büchlein nicht, bieten aber jeweils eine nette Stunde Lektüre.
Archiv der Kategorie: Buch
Sibylle Schreiber & Jürgen Jastrzembski – Ich komm’ als Sternschnuppe wieder – Ehrlich Verlag 2024
Von Matthias Bosenick (24.11.2024)
Mit „Vom Lachen über den Tod“ war der erste Band der Geschichten aus dem Hospiz betitelt, der jetzt in „Ich komm’ als Sternschnuppe wieder“ seine Fortsetzung findet. Mag der erste Titel noch fälschlicherweise despektierlich wirken, geht es der Autorin Sibylle Schreiber ebenso wie – ab der Fortsetzung – ihrem Partner Jürgen Jastrzembski mitnichten um eine schwarzhumorige Näherung an das Ableben. Vielmehr finden und teilen sie Trost im Unausweichlichen und mit dem Blick auf das alle treffende Vergehen einen alternativen Zugang zum Leben davor. Es ist eine herzerwärmende Ermunterung, das Leben mit Freude zu begehen, bis zum letzten Augenblick. Die Geschichten für diesen zweiten Band notierten die Autoren bei Gesprächen im Hospiz in Luckau, Brandenburg.
Davide Pansolin – Kiss The Sun – Tsunami Edizioni 2024
Von Matthias Bosenick (18.11.2024)
„Die lange Reise des Heavy Psych 1980-2000“ ist das im Untertitel aufgedröselte Thema von „Kiss The Sun. Il lungo viaggio dell’heavy psych (Le tempeste)“, einem gigantischen Kompendium, zusammengetragen von einem, der sich auskennt: Davide Pansolin betrieb in Savona Plattenladen, Label und Magazin jeweils mit dem Namen Vincebus Eruptum, förderte zahlreiche lokale bis internationale Bands aus der psychedelischen Rockmusik und bündelt sein Fachwissen nun in diesem Buch. Das man bedauerlicherweise ausschließlich auf Italienisch bekommt, aber Google Translate kann helfen, und außerdem schmückt es den Raum ungemein, und man holt sich eben überhaupt das Fachwissen das sympathischen Auskenners nach Hause.
Frank Schäfer – Nötes Of A Dirty Old Fan – Satyr-Verlag 2024
Von Matthias Bosenick (02.11.2024)
Der Heavy Metal hat sich über die Jahrzehnte verändert, erweitert, und das ist gut so. Seit ehedem begleitet der Braunschweiger Szeneprotagonist Frank Schäfer Akteure und Connaisseure des Heavy Metal auf journalistisch-schriftstellerische Weise, und wie das Genre selbst erweitert auch der Autor seine Haltung, und auch das ist gut so. Wie der Heavy Metal lediglich zum Metal wurde, wandelte er sich auch von der sexistischen Machomucke zu Gleichberechtigung, Inklusion und mehr, zu einer anderen, zu einer idealen Gesellschaft gar, und solcherlei Aspekte nimmt Schäfer in seinen neuen gesammelten Beobachtungen auf und stellt sie enzyklopädischen Beiträgen, alltäglichen Blitzlichtbeobachtungen und pommesgabelreckenden Fanboygeschichten an die Seite. Und das mit dem gewohnt souveränen Spagat zwischen Gossen- und Akademikersprache – es ist stets ein Fest, seine Texte zu lesen, egal, wovon sie handeln.
René Seim – Eine Peitsche aus Sand – Windlustverlag 2024
Von Matthias Bosenick (07.10.2024)
Unveröffentlichte Lyrik aus den zurückliegenden 20 Jahren, ergänzt um Grafiken von Anne Zückert, kredenzt der Verleger, Labelbetreiber, DJ und Dichter René Seim aus Dresden in seinem neuen Buch mit dem kopfverdrehenden Titel „Eine Peitsche aus Sand“. Obschon sein Humor abermals ein unterschwelliger bis offenbarer Begleiter ist, erwecken Seims Gedichte dieses Mal weiträumig den Eindruck von Melancholie und Einsamkeit, denen der Dichtende jedoch zumeist entwaffnend begegnet. Er übertüncht die dunkle Grundierung farbenfroh und gibt den Lesenden mit ähnlicher Gemütslage damit Werkzeuge an die Hand, mit denen sie ähnlich verfahren können. Alle anderen erfreuen sich an indirekten Bildern, verknappter Komplexität und sprachlichen Spielereien.
Till Burgwächter – Wenn der Werwolf dreimal klingelt – Verlag Andreas Reiffer 2024
Von Matthias Bosenick (19.09.2024)
Liest man „Wenn der Werwolf dreimal klingelt – Grusel, Gore und ganz viel Blut“, ist es, als führe man mit Autor Till Burgwächter ein Gespräch, als höre man ihm beim launigen Fachsimpeln, Empfehlen und Demontieren zu. Thema dieses Buches sind Horrorfilme, und es erhebt keinerlei Anspruch auf Lexikalität oder Vollständigkeit, sondern vermittelt einen niedrigschwelligen Überblick für Einsteiger und Liebhaber – alle finden bei der Lektüre unausgebuddelte Schädel, die Gravedigger Burgwächter für sie zutage fördert. Zum Lesevergnügen trägt Burgwächters absichtlich subjektive Sicht bei; wenn einer sein Lieblingsthema mit ironischer Kritik darbietet, glaubt man ihm umso mehr. Und möchte ihm seinerseits Empfehlungen zurufen, aber die kann er ja nicht hören, ist vermutlich gerade im Stadion oder auf einem Metal-Konzert.
Steven Hassan – The Cult Of Trump – Simon & Schuster Inc. 2019
Von Guido Dörheide (17.09.2024)
Kurz vor der US-Präsidentschaftswahl fand ich es an der Zeit, mir ein Buch zuzulegen, das sich mit den Gefahren, die von eine:r der beiden Bewerber:innen ausgehen, beschäftigt. Empfohlen hat es mir die Liebste, mit dem Hinweis, dass es leider nur im englischen Original verfügbar sei, Steven Hassan sei aber der führende US-amerikanische Sektenpsychologe, also quasi der Dieter Rohmann der Vereinigten Staaten. Ich kann gleich vorwegnehmen: Das Lesen eines englischsprachigen Fachbuchs hätte ich mir anstrengender vorgestellt. Hassan schreibt unterhaltsam und lockert seine Analyse mit bildhaften Beschreibungen und Anekdoten auf. Das Buch ist bereits 2019, also noch während Trumps hoffentlich einziger Präsidentschaft, erschienen, ist aber inhaltlich aktueller denn je.
WeiterlesenJohn Wray – Unter Wölfen – Rowohlt 2024
Von Guido Dörheide (13.08.2024)
Ich habe mir ein Death-T-Shirt gekauft, das Cover-Artwork von „Leprosy“, aber in schwarzweiß, sieht uralt und damit authentisch aus, und ein junger Mann in einem italienischen Restaurant in Göttingen reckte mir spontan zwei Pommesgabeln entgegen, als ich am Eingang stand und darauf wartete, dass der Liebsten, ihrer Tochter und mir ein Sitzplatz zugewiesen wurde. Das hat mich gefreut, und warum habe ich das Teil gekauft? Wegen „Unter Wölfen“ von John Wray. Dieses Buch ist für mich heuer das, was in den 90ern mein „Nick-Hornby-Moment“ gewesen war. Damals war es „High Fidelity“, über das ich las und von dem ich dachte, es könnte mein Lieblingsbuch werden. Was es auch tat und für ganz lange Zeit blieb. Ähnliche Gefühle beschlichen mich vor ein paar Wochen, als ich über „Unter Wölfen“ las. Ich bestellte mir das Buch und war ähnlich begeistert wie vor knapp 30 Jahren von Hornbys Zweitlingswerk. Was schreiben nun also die anderen, was mich so neugierig machte? Nun, zunächst viel Lobenswertes, Kenntnisreiches und Aufgeschlossenes, mit Ausnahme von swr.de: „Black Metal. Megadeth, Anthrax, Slayer oder Hanoi Rocks heißen die einschlägigen Bands.“ Wäh? Dann folgt ein Textauszug und darauf der Kommentar „Diese selbst ziemlich musikalische Beschreibung eigentlich unbeschreiblicher Musik stammt von dem amerikanisch-österreichischen Autor John Wray.“ As zum Teu??? Allein „Black Metal“ – nicht eine der genannten Bands gehört zu diesem Genre und Hanoi Rocks ist nicht einmal Heavy Metal. Was sie nicht schlechter macht. Von denen brauche ich auch noch ein T-Shirt. Und heute (der SWR-Artikel stammt vom 21. Juni 2024) ist Heavy Metal, egal ob Death-, Black-, Thrashmetal oder von mir aus auch Grindcore auch nicht nur ansatzweise irgendwie unbeschreiblich.
WeiterlesenHelmut Exner – Tammo. Wunderkind wider Willen – EPV-Verlag 2024
Von Guido Dörheide (29.07.2024)
Nur ein Jahr nach „Rio und die mörderischen Bilder“ legt Helmut Exner mit „Tammo. Wunderkind wider Willen“ den 21. Band seiner Lilly-Höschen-Reihe vor. Die Heldin (immer noch so ausgesprochen, wie man es schreibt, nicht wie Unterbüx), eine pensionierte Lehrerin aus Lautenthal, dürfte inzwischen 91 Jahre alt sein und wohnt immer noch mit ihrer einige Jahre jüngeren Freundin Gretel Kuhfuß zusammen. Zusammen sind sie quasi sowas wie die Miss Marple und der Doktor Watson des Oberharzes und helfen der Polizei (Hauptkommissar Rabe – „Specht, wenn ich bitten darf, äh Quatsch, jetzt vergesse ich schon meinen eigenen Namen, Sperling heiße ich.“ – und seine zahlreichen Mitstreiterinnen mit den ebenfalls klangvollen Namen Huhn, Frosch usw.) bei der Aufklärung von Verbrechen, in die sie, oft durch unbeabsichtigtes Tun von Lillys ehemaligen Schüler:innen, stets zufällig hineinschlittern.
So auch hier: Tammo Schuh, ein hochintelligenter Junge aus Clausthal-Zellerfeld, schreibt ein Referat über das Schicksal jüdischer Familien während des 3. Reichs im Harz und wird dadurch in Geschehnisse verstrickt, die ihn noch bis ins Erwachsenenalter verfolgen und sein Leben dadurch mit dem von Frau Höschen und Frau Kuhfuß verwickeln.
WeiterlesenAlexander Kühne (Hg.) – Der Jugendclub Extrem – Verlag Kettler 2024
Von Matthias Bosenick (22.07.2024)
Eigentlich vielmehr ein bebilderter Erinnerungsband für Dabeigewesene, das Dokument eines eskapistischen Abenteuers, ist „Der Jugendclub Extrem“ vielmehr zu einem Geschichtsbuch geworden, an dem auch Interessierte Freude und Erkenntnisgewinn ziehen können, die es nicht zwischen 1984 und 1994 nach Lugau in der Niederlausitz schafften – geschweige denn, in der DDR aufwuchsen und somit überhaupt Gelegenheit für den Clubbesuch hatten. Grundlage für dieses dicke Buch bilden Fotos, die Henri Manigk und Frank Kiesewetter vom Clubleben machten, ergänzend sammelte Herausgeber und Clubmitgründer Alexander Kühne Berichte und Interviews von Machern, Muszierenden und Gästen des Indie-Clubs mit seiner nicht nur für DDR-Verhältnisse ungewöhnlichen Geschichte.