Von Matthias Bosenick (15.12.2022)
Endlich neues Material von Front 242! Oder doch nicht: Lediglich eine EP mit Remixen, die allerdings überwiegend von namhaften Leuten, nicht von den üblichen plakativen Stumpfnickeln der „Szene“: Terence Fixmer, The Hacker, Radical G und – als Vertreter des Labels – Kant Kino. Sie bearbeiten Klassiker neu, „No Shuffle“, „Don’t Crash“ und „Take One“, und man feiert natürlich, dass man aus dem Hause der belgischen EBM-Erfinder überhaupt etwas hört, da nimmt man es ihnen nicht übel, dass die Electro-Techno-Neuversionen ganz so besonders eigentlich gar nicht sind. Immerhin senkt das Label Alfa Matrix mit der zweiten Auflage der 12“ die Zweithandpreise der Erstauflage. Die Bandcamp-Bonustracks indes bekommt man nicht mal als Downloadcode dazu.
Archiv der Kategorie: 12″
Killing Joke – Lord Of Chaos – Spinefarm Records 2022
Von Matthias Bosenick (27.10.2022)
Wieder so ein Vinyl, das ewig nach der Online-Veröffentlichung der entsprechenden Musik auf sich warten lässt. Und das Warten lohnt sich, zum Glück: „Lord Of Chaos“ ist typisch moderne Killing Joke, treibend, riffig, post-heavy, mit einnehmend warmer hymnischer Melodie und verhalten geschrienem Refrain, dazu ein Bonus-Track und zwei Remixe, Dub, Electro, ebenfalls typisch Killing Joke. Fügt sich nahtlos ins Oeuvre ein, was die alten Männer hier machen, sieben Jahre nach dem letzten Studioalbum „Pylon“.
Primus – Conspiranoid – Prawn Songs 2022
Von Matthias Bosenick (24.10.2022)
Wenn intelligente Menschen sich mit der Pandemie auseinandersetzen und sich mit Verschwörungstheorien befassen, kommen auch intelligente Erkenntnisse zutage, die Verschwörungstheorien als das behandeln, was sie sind: durchgeknallte Paranoia. Entsprechend betiteln die drei ausschließlich musikalisch Durchgeknallten von Primus ihre themenbezogene EP mit dem treffenden Kofferwort „Conspiranoid“ und erfüllen damit gleich zwei wesentliche Aspekte: Sie positionieren sich in Zeiten des rechtsbefeuerten Dummheitswahns auf der Seite der Nichtdummen – und machen grandiose Musik. Die drei Songs auf „Conspiranoid“ sind so Primus, wie man sie vor über 30 Jahren zu lieben lernte: frickelig, progressiv, eigensinnig, trotzdem eingängig und natürlich basslastig.
Psychonaut/Sâver – The Emerald Split EP – Pelagic Records 2021
Von Matthias Bosenick (16.06.2021)
Nur zwei Tracks, also jeweils einen pro Band, braucht es, um mehr musikalische Ideen umzusetzen, als manche Musiker überhaupt Karrieren haben. Auf Einladung von Psychonaut aus Belgien leisten Sâver aus Norwegen einen Beitrag zu ihrer überhaupt erst zweiten Veröffentlichung. Beide Tracks auf der „The Emerald Split EP“ sind so abwechslungsreich, dass man nicht mal ein Genre nennen kann: Doom, Sludge, Postrock, Progrock, Ambient, alles ist drin, und noch viel mehr. Da öffnen sich Horizonte!
Yo La Tengo – Sleepless Night – Matador 2020
Von Matthias Bosenick (16.03.2021)
Wenn man sich von Corona künstlerisch nicht niederschmettern lässt, nimmt man eben auch distanziert neue Platten auf. Yo La Tengo gleich zwei, „We Have Amnesia Sometimes“ zunächst nur als Download, inzwischen auch auf Vinyl erhältlich, und „Sleepless Night“ als einseitig bespielte 12“-EP. Darauf macht das Trio aus Hoboken das, was es besonders gern macht: andere Leute covern. Die sechs Stücke begleiteten ursprünglich eine Ausstellung des Künstlers Yoshitomo Nara in Los Angeles, und der durfte selbstredend das Cover dieser Cover-EP gestalten. Entspannter Indie-Poprock ohne Noiseausbrüche, schön zum Runterkommen.
Cryptic Brood & Night Hag – Swollen With Rancid Phlegm (Split)/Repulsive Feast – Meat Hook Mutilation – Rotted Life/Lycanthropic Chants 2021/2020
Von Matthias Bosenick (15.03.2021)
Gleich zweimal schwere Kost aus Flechtorf: Cryptic Brood bespielen eine Split-LP mit Night Hag aus den USA und Repulsive Feast knüppeln eine 7“-Single mit vier Songs ein. Die drei Beiträge können kaum verschiedener sein: Cryptic Brood schwenken das Tempo zwischen Doom und Death herum, Night Hag bleiben auf der dunkel-schleppenden Doomlinie und Repulsive Feast grooven den Punk in den Metal, knüppeln mithin einen gutgelaunten Grindcore. Und das in lustig bunten Vinylvarianten: So geht Metal!
(0) – SkamHan/(0) – Napalm Records 2020/2017
Von Matthias Bosenick (15.07.2020)
Fröhliches Googeln: Für den Bandnamen „(0)“ gibt es eine grandiose Ergebnisauswahl. Sobald man fündig ist, zudem auch noch grandiose Musik: Die Kopenhagener machen Blackmetal, selbstredend modern mit atmosphärischen Passagen, aber auch mit groovendem Indiefresse. Der Spagat überrascht, einerseits die flächigen Ambientdrones, andererseits beinahe holzfällerartiger Deathmetal. Und wer behauptet, die Besetzung des Quintetts sei ein Geheimnis, ist nur zu faul zum Recherchieren.
Automat – Modul Remixes #1 & #2 – Compost 2020
Von Matthias Bosenick (22.05.2020)
Es ist etwas ins Leere gelauscht, wenn man Remix-EPs betrachten will, deren Originale man noch nicht kennt (weil das Album dazu wegen Corona noch unabgeholt im geschlossenen Plattenladen liegt). Dann muss es eben ohne gehen: Auf bislang zwei 12“es reflektieren Remixer vieler Couleur ausgewählte Tracks des vierten Automat-Albums „Modul“. Dabei steht der Dub wie bei den Originalen auch als Remixergebnis ganz weit vorn, das Trippige, Chillige, Repetetive bleibt erhalten und das Elektronische und Technoide halten Einzug in den ansonsten warmen organischen Sound des Trios.
Deflore & Jaz Coleman – Party In The Chaos – Subsound Records 2019
Von Matthias
Bosenick (24.10.2019)
Jaz Coleman ist also schwerst
begeistert vom römischen Industrial-Duo Deflore, was ihn nun dazu
trieb, eine gemeinsame EP einzuspielen. Seine erste Kollaboration,
wie gern kolportiert wird, und dabei geraten unter anderem Anne
Dudley, Shihad und Þeyr in Vergessenheit. Die EP nun klingt
lediglich partiell wie Killing Joke, und wenn, dann nicht zuletzt
wegen Colemans durchdringend röhrendem Gesang; musikalisch leistet
sich das Duo mehr elektronische Feinheiten als Colemans Hauptband.
Das Vinyl ist zweifarbig bunt und geetcht und nicht zuletzt den Kauf
wert.
Pet Shop Boys – Agenda – X2 2019
Von Matthias
Bosenick (31.07.2019)
Als satirischen Kommentar zur
Weltlage veröffentlichen die Pet Shop Boys parallel zu ihrer
Live-DVD „Inner Sanctum” eine 12”-EP mit vier neuen Songs über
Reiche, Social Media, Dummheit und andere globale Probleme, die sie
auf ihrer Kritik-„Agenda“ haben. Haltung und Humor des
Synthiepopduos passen, very british indeed, nur klingt der Synthiepop
sogar für die Pet Shop Boys etwas zu synthetisch. Musste wohl
schnell gehen. Und ist physisch inzwischen auch schon so etwas wie
vergriffen.