Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Analog ist besser.

Von Onkel Rosebud

Neulich im Plattenladen: Der Vinyldealer meines Vertrauens hat gerade, also 11 Uhr an einem Samstagvormittag, den Verkaufsraum der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Er redet eigentlich nicht gern viel. Heute hat er aber einen guten Tag, weil er weiß, dass ich gleich fast 400 € ausgeben werde. Ich habe eine Sammelbestellung mit beinahe vergriffenen Ausgaben aufgegeben, für die er sein ganzes Können aufbieten musste, um diese zu besorgen. Und ich zahle in bar. Das lockert die Zunge. Wir fangen munter an zu plaudern und irgendwann erzählt er von Musikern, die in unserer Stadt aufgetreten sind und sich die Zeit zwischen Soundcheck und Auftritt damit vertrieben, in seinem Laden vorbeizuschauen. Weil sein Laden „irgendwie im Lonely Planet angepriesen wird“.

Aber bevor ich ausplaudere, was diverse Helden der Popkultur bei ihm gekauft haben, folgt ein kurzer Exkurs über die schreckhafte Spezies der Vinyl-Connaisseure.

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Synapse – Alter Echoes – Synapse 2023

Von Matthias Bosenick (08.11.2023)

Eine EP mit sechs Pop-Coversongs ist das dritte Lebenszeichen des französischen Prog-Metal-Quintetts Synapse. Die Auswahl der Originale ist dem Metal sehr, sehr fern und schreckt auch vor Kitsch nicht zurück, ebenso wenig in einigen Momenten die Umsetzung. Die indes wartet mit allerlei Prog-Metal-typischen Bestandteilen auf, Gniedelsoli, Blastbeatattacken, opulente Epik, Synthiespielereien und spielerischer Finesse. Synapse spielen die Songs nicht einfach nach, sie komponieren sie um und lassen vertraute Bestandteile bestehen, um den Kontrast zwischen Original und ihrer Version zu erhöhen. An manchen Stellen ist die Stimme zu hoch und klar, ansonsten gibt’s im Sinne der Sache nix zu mäkeln, sofern sie einem liegt.

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Zidrou/Frank Pé – Die Bestie, Teil 2 (La bête 2) – Carlsen 2023

Von Matthias Bosenick (07.11.2023)

Es geht in der Tat so weiter, wie es der Schluss des ersten Teils andeutet: Ein durchgeknallter Wissenschaftler will das noch nicht so bezeichnete Marsupilami, also die dem Buch den Titel „Die Bestie“ gebende Fantasiekreatur, für seinen Ruhm einfangen. Das Autorengespann Zidrou und Frank Pé behält die Melange aus düster, schlüpfrig und kindgerecht weitgehend bei, schiebt aber Action und Herzenswärme dazu und bringt die monströse Lektüre zu einem gelungenen und hell strahlenden Abschluss. Damit ragt der zweite Teil erfreulicherweise über den ersten hinaus, und die Zeichnungen sind abermals ein Weltwunder für sich, das auch ohne den Inhalt zutiefst beeindruckt.

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Joe Casey ist John Maynard – Protomatyr – Live im Hole 44, Berlin, 2. November 2023

Von Onkel Rosebud (04.11.2023)

Neues vom Hauptstadt-Korrespondenten: Ein trüber Donnerstagabend im November nötigte eine kleine, aber feine Reisegruppe, nach Kreuzberg aufzubrechen, denn Protomatyr, eine Post-Punk-Band aus Detroit, hatten sich im Hole 44 angesagt. Die Formation hat seit 2012 sechs Alben und sechzehn Singles mit schlecht gelauntem Gleichmut auf röhrenden Stakkato-Gitarren veröffentlicht und ist live immer eine Bank, wie wir uns schon vor drei Jahren im Lido überzeugen konnten. Vorher noch zum Italiener. Er nimmt nur Bares. Dit is Ballin.

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Misty Route – Without A Trace – Misty Route/Bitume Prods 2021/2023

Von Matthias Bosenick (03.11.2023)

Ins Fach Alternative Metal sortieren sich Misty Route mit ihrem Debüt „Without A Trace“ selbst ein, da treten sofort Assoziationen hervor, irgendwie Neunziger, etwas Grunge, etwas NuMetal, und ja, das stimmt auch, doch überschreiten die Griechen die Grenzen der Gefälligkeit, indem sie auch die progressiv-komplexen Strukturen von beispielsweise Opeth oder Tool hinzuziehen. Das Trio veröffentlichte das in Griechenland aufgenommene und in Schweden von Göran Finnberg gemasterte Album vor zwei Jahren digital, das französische Bitume-Label bringt es jetzt physisch auf den Markt. Die Zeitreise, die man beim Hören antritt, reicht indes weiter zurück als diese zwei Jahre – einiges mag einem vertraut vorkommen, aber nicht in dieser Mixtur, die viele zurückgenommene Passagen mit wuchtigem und unvorhersehbarem Metal durchbricht. Ein wohlgefälliger melancholischer Mix, der es verschmerzen lässt, dass gelegentlich auch die unappetitlichen Metallica der Neunziger durchschimmern.

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Ugly Hurons – Proud To Be Ugly – Höhnie Records 2023

Von Matthias Bosenick (02.11.2023)

Punk mit Trompeten ist nicht automatisch Ska, auch wenn der Gedanke naheliegt: Die Ugly Hurons betreiben diesen Soundmix, und beim Hören des neuen Albums „Proud To Be Ugly“ fühlt man sich eher an die energetische Genrekombination vom Farin Urlaub Racing Team erinnert als an sarenwama The Busters, auch wenn sich mal ein verlegener Off-Beat in die elf Stücke mogelt. Vor 40 Jahren, als die Band aus Hermsdorf in Thüringen auch beinahe schon existierte, hätte man angesichts der ironischen Darbietung einiger Inhalte sicherlich von Funpunk gesprochen, doch sind die Gute-Laune-Beiträge hier eher Bestandteil einer Art breitgefächerter Bestandsaufnahme gegenwärtiger Themen als ein Kernanliegen. Das Septett aus der Mitte zwischen Jena und Gera ordnet sich selbst seit 1987 als Brutaloschlager ein – das kann man trotzdem gut gelten lassen.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Was ist eigentlich mit Benjamin Maack passiert?

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin mag Bernd Begemann nicht. Und wenn ich schon mal dabei bin, Olli Schulz ebensowenig. Stimmlage, nasale Intonation, die Alte-BRD-Besserwisser-Attitüde, der Blick auf die Dinge aus Sicht des weißen, hanseatischen Mannes – nicht ihr Ding. Kann ich verstehen, aber ich finde, dass gerade der Bernd mit seiner seit über 30-jährigen Vita sich bis heute nonchalant, weltgewandt, ein bisschen arrogant, aber auch verletzlich und vor allem authentisch durch das Leben kauzt.

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Jane – Beautiful Lady – Sky/Sireena 1986/2023

Von Matthias Bosenick (01.11.2023)

Für solche Musik etablierte sich damals wohl der Begriff Schmockrock: Vorsichtig angerauhter Rockpop, im mitklatschtauglichen Midtempo gehalten, eingängige Melodien, vertraute Rhythmen, eingebaute Keyboards. Und das von einer Band, die seit den frühen Siebzigern in Deutschland den Krautrock mitdefinierte: Jane aus Hannover, hier wiederveröffentlicht das letzte Studioalbum ohne Präfix, „Beautiful Lady“ aus dem Jahr 1986, ein Quasi-Comeback und der Schwanengesang in einem, denn in den Jahren danach zerstritten sich die ohnehin ständig ausgetauschten Musiker nochmal extra. Handwerklich ausnehmend passabel gemacht, lässt sich an dem Album dennoch gut ablesen, warum die Bezeichnung „Hardrock“ in der Zeit einen herabwürdigen Beigeschmack erhielt. Das Album ist somit eher ein nostalgisches Zeitdokument als musikalisch relevant. Das Label Sireena bringt es mit einer Liveversion des Titeltracks auf CD neu heraus, also nicht mit dessen Maxi-Version wie das ursprüngliche Label Sky selbst vor 30 Jahren.

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King Gizzard & The Lizard Wizard – The Silver Cord – KGLW 2023

Von Guido Dörheide (31.10.2023)

Beim ersten Hören dachte ich „Was ist das?“ bzw. „Was soll das?“ Hatten die sechs Australier früher in diesem Jahr auf „PetroDragonic Apocalypse“ noch progressiven Thrash Metal mit der KGLW-typischen durchgeknallten Psychedelic gemischt, kommt „The Silver Cord“ rein elektronisch daher, womit ich nicht gerechnet hätte und was mir darob erstmal etwas Eingewöhnung abverlangte. Nach dieser lässt mich das Album jedoch nicht mehr los.

„The Silver Cord“ ist bereits das 25. Album, das King Gizzard & The Lizard Wizard seit 2012 veröffentlicht haben, und dieses Mal treiben sie ihre Veröffentlichungswut auf die Spitze bzw. nehmen sie gleichsam auf die Schippe, indem sie dasselbe Album zweimal gleichzeitig herausbringen. „The Silver Cord“ enthält 7 neue Songs mit einer Gesamtspielzeit von 28:14 Minuten. Anschließend folgen 7 bereits bekannte Songs mit einer Gesamtspielzeit von nochmal knapp anderthalb Stunden. Es handelt sich dabei um die ersten 7 Songs des Albums in der Extended-Mix-Version. Bereits die Langversion des Eröffnungsstücks „Theia“ ist mit über 20 Minuten fast so lang wie das ursprüngliche Album.

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Sleaford Mods – More UK Grim – Rough Trade 2023

Von Guido Dörheide (30.10.2023)

Jason Wiliamson ist ja eher ein Brachialpoetiker sowie mitunter (immer?) ein rauher Geselle und pflegt des Öfteren zu schimpfen wie ein Rohrspatz – dennoch zeigt die neue EP der Sleaford Mods wie schon die letzte Langrille, also ich meine den letzten Silberling, sozusagen das bisher zuletzt veröffentlichte Langeisen der beiden Nottinghämmer, dass den Elektrokompositionen von Andrew Fearn und dem nöligen Gemotze von Jason Wiliamson viel Melodik und selbverstännlich viel Poesie und Melodik innewohnt.

Kam „UK Grim“ noch mit einem Cover daher, das Fearn mit fragendem Blick und Wiliamson mit einem „Sprich mich bloß nicht an“ in selbigem vor einer rosanen Wand zeigte, gibt es auf dem „More UK Grim“-Cover nurmehr den rosanen Hintergrund und den Schriftzug „UK Grim“ zu sehen, verfeinert durch ein handschiftliches „More“ oberhalb und den ikonischen Sleaford-Mods-Schriftzug unterhalb des „UK Grim“.

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