Von Matthias Bosenick (07.05.2025)
Ach, ist das schön, wenn – ähm – junge Bands und Musizierende auf Konventionen scheißen. Gliitch aus Bordeaux machen Noiserock, und selbst den machen sie unkonventionell. Lärm schwingt den Hörenden des selbsterklärend betitelten Debütalbums „A Fire Inside“ als erstes und als letztes entgegen, dazwischen variiert das Trio die Intensität und die sonstigen Zutaten. Der Geist von Steve Albini weht über den Wassern, und Bands wie die Bordelaiser Gliitch lassen die Hoffnung aufkommen, dass ein Noiserock-Leben mit dessen Tod nicht beendet ist.
Archiv des Autors: Van Bauseneick
Fuzziliers – Most Fun – Addicted Label 2025
Von Matthias Bosenick (06.05.2025)
Über „Most Fun“, dem zweiten Album der aus politischen Gründen von St. Petersburg kurioserweise ausgerechnet nach Istanbul ausgewanderten Band Fuzziliers, steht riesengroß das Wort POP, und zwar der aus den Sechzigern, als harmonischer Chorgesang und psychedelisches Gitarrenspiel für euphorisierende Hörgenüsse sorgten. Doch das Quartett belässt es nicht dabei, sondern fusioniert seinen Fuzz mit dem des Neunziger-Britpops und generiert erbauliche, gutgelaunte und musikalisch eindrucksvolle Perlen, die ordentlich Sonne in den Alltag bringen. So ganz ohne Melancholie geht das nicht, angesichts der genannten und bekannten Umstände, aber erst in so einem Kontext funktioniert Ermunterung ja so richtig.
Nac/Hut Report – Blue Afternoon – Enjoy Life 2025
Von Matthias Bosenick (06.05.2025)
Eine der kompromisslosesten Bands dieser Tage: Auf „Blue Afternoon“ setzt das Duo Nac/Hut Report aus Kraków sein Konzept fort, mit verhuschtem 4AD-Dreampop-Gesang zu geschredderter Musik die Schönheit in der Vergänglichkeit und im Lärm zu positionieren. Für ihr jüngstes Album fuhren die beiden Musizierenden das Schreddern zurück, die Sounds sind durchgängiger, der Kontrast zur Stimme ist nicht mehr so riesig; da passt der Titel perfekt: Hier bekommt man den Soundtrack zu einem allein verbrachten melancholischen Nachmittag, Erinnerungen nachhängend und vor lauter Wehmut komplett glücklich.
Ornah Mental – Neun – Iapetus Media 2025
Von Matthias Bosenick (05.05.2025)
Kürzt man den Projektnamen Ornah Mental ab, erhält man OM, die buddhistische Mantra-Silbe. Das dürfte kein Zufall sein, denn Gitarrist Dirk Schlömer macht unter dem Alias Ornah Mental seit 25 Jahren eine Musik, die man als Ambient bezeichnen darf, also Entspannung, Chill-Out, Trance, Meditation, alles das. So auch auf dem neunten Album mit dem unmissverständlichen Titel „Neun“, das mit Achtziger-Pop-Anleihen, orientalischen Atmosphären und versunkenen Gniedel-Gitarren eine Einladung zum Eskapismus ausspricht. Und sofort erfüllt, sobald man sich drauf einlässt.
Doctor Livingstone – Notes du Paradis (Whoop Whoop Whee Whee) – Overstage Imperator Productions/Coups de Couteau 2008/2025
Von Matthias Bosenick (05.05.2025)
Black Metal ist eine ernsthafte Angelegenheit. Da gibt man seinen Alben keine Titel wie „Notes du Paradis – Whoop Whoop Whee Whee“. Es sei denn – vielleicht ist das, was Doctor Livingstone machen, ja gar kein Black Metal. Jedenfalls nicht ausschließlich. Wenn man sowieso schon keinen Bock auf Regeln hat und einen Lärmcocktail aus Hardcore, Crust-Punk und sonstiger geschrei- und gitarrendominierten Krachmusik macht, dann darf man das wohl. Die seit 1998 aktive Band aus Montpellier bringt nun ihr 2008er-Album – unklar, ob Debüt oder Zweitling – remastert erstmals auf Vinyl sowie als Stream heraus. Zeitlos! Und sicherlich nicht bierernst gemeint.
Mordsgeschichten auf der Oker – Saisoneröffnung am 3. Mai 2025 mit Till Burgwächter


Von Guido Dörheide (04.05.2025)
Rund 20 Interessierte fanden sich zur ersten „Vorlesung“ (sic!) der 2025er „Mordsgeschichten auf der Oker“-Saison ein und damit war das Boot gut gefüllt. Bei wolkigem Himmel und maikühlen Temperaturen stachen wir pünktlich um 20 Uhr in See, bzw. begannen, uns den Oker-Umflutgraben mit pubertierenden halbstarken Stockerpeln, von denen der eine beiging, seinen Kumpel fortwährend mit dem Kopf unter Wasser zu drücken – True Crime auf der Oker –, zu teilen, er ließ aber irgendwann von seinem Kontrahenten ab und alle waren wieder beste Freunde. Unsere nächsten Gegner war eine Bande marodierender Graugänse mit „kleinen Enten“ (sic!), also eigenem Nachwuchs, im Schlepptau, die der Ansicht waren, die Oker wäre zu klein für uns beide, also für Gänsefamilie und Dichterboot. À propos Dichter: Der bekannte und beliebte Musikjournalist und Buchautor Till Burgwächter (bekannt und beliebt unter anderem durch „Hard & Dangerous – True Crime im Heavy Metal“, „Tillicus Glossicus Metallicus. Metal-Glossen aus der Hölle“ [am besten zu lesen inmitten einer Masse von Kerzen] oder seine im Reclam-Verlag (und zwar im schwarzen anstatt im gelben Einband) erschienenen 100 Seiten über Metallica, außerdem liest er in den Umbau-Pausen von Rock in Rautheim und veranstaltet das mehrmals jährlich stattfindende Heavy-Metal-Quiz in der Braunschweiger Metalkneipeninstitution „Klaue“) hatte heuer die Aufgabe und das Vergnügen, die anderthalbstündigen, während der gesamten Sommermonate von Mai bis September stattfindenden Mordsgeschichten-Kreuzfahrten auf der Oker zu eröffnen.
WeiterlesenSlung – In Ways – Fat Dracula Records 2025
Von Matthias Bosenick (02.05.2025)
Die Kombi aus Mucke und Gesang geht unter die Haut und in die Nackenmuskulatur: Eine Art Indie-Rock-Metal mit Frauenstimme gibt’s von Slung, die irritierenderweise nicht aus den USA kommen, sondern aus Brighton & Hove im Süden Englands. Deren Debüt „In Ways“ vereint Neunziger-Grunge-Indierock und modernen Stoner-Sludge, bündelt Energie und Kontemplation und geht gleichsam zu Herzen wie in die Fresse. So muss das!
Bleak Magician – No Fireball Show – Srogi Mroczek 2025
Von Matthias Bosenick (02.05.2025)
Hier ist es also, das zweite Album des Quartetts Bleak Magician, an dem Srogi Mroczek mit seinem zum Auftakt aus dem Verschwinden zurückgekehrten Bruder Weirding Batweilder arbeitet. Dieses Projekt widmet sich dem schwermütigen New Wave, Post Punk, Gothic Wave der Achtziger. Heißt: Die Songs sind mit synthetischen und akustischen Instrumenten gemischt produziert und die Stimmung ist wehmütig. „No Fireball Show“ besteht aus 20 Miniaturen zwischen einer und anderthalb Minuten Länge und klingt britischer, als man es von diesen US-Amerikanern erwartet hätte.
Liegengeblieben!
Von Chrisz Meier (30.04.2025)
Hallo. Ich bin Chrisz Meier und arbeite bei einem Bürgerradio in Südwest-Niedersachsen. Der Sender bekommt ständig Promo-CDs zugeschickt, die niemand verlangt hat und um die sich niemand kümmert. Diese CDs landen dann mitsamt ihrem Beipackzettel der Plattenfirma, auf der die jeweilige Band stets als die Neuerfinder der Musik gepriesen wird, in einer schmucklosen Ablage, beschriftet mit „Zum Mitnehmen“. Einige der bei dem Sender ehrenamtlich Tätigen, Betreiber ihrer eigenen Radioshows, bedienen sich daraus, vieles bleibt aber dennoch liegen. Diese Liegengebliebenen durchforste ich in unregelmäßigen Abständen, immer auf der Suche nach unentdeckten Perlen – nicht zuletzt deswegen, weil ich, selbst Teil einer Band, der keinerlei Beachtung entgegengebracht wird, es ungerecht finde, diese mit viel Herzblut und Zeit hergestellte Musik einfach zu ignorieren.
Also werde ich an dieser Stelle hin und wieder ein paar dieser Liegengebliebenen vorstellen.
WeiterlesenThunderbolts – Jake Schreier – USA 2025
Von Matthias Bosenick (01.05.2025)
Kaum, dass man den Saal verlassen hat, weiß man schon kaum noch, worum es in „Thunderbolts“ – in Eigenschreibweise mit angehängtem Asterisk – überhaupt geht. Ein Haufen zum Abschuss freigegebener verfeindeter Superhelden verbündet sich gegen die Abschießenden und findet Frieden und Freundschaft. Wie originell. Kernthemen sind Depressionen und Traumata, allerdings massenkompatibel oberflächlich aufgetragen. Die Hauptfigur ist weiblich und aus Osteuropa, aber kein Sexsymbol, das spricht indes für den Film, ebenso wie der Umstand, dass etwas aus dem Marvel Cinematic Universe mal nicht in Farben von „Wer wird Millionär“ gehalten ist, sondern eher natürlich-erdig. Ansonsten: Durchschnitt – nicht so Scheiße, dass man sich darüber aufregen muss, aber auch nicht so eindrucksvoll, dass er in persönliche Top-Listen gerät.