Helmut Exner – Tammo. Wunderkind wider Willen – EPV-Verlag 2024

Von Guido Dörheide (29.07.2024)

Nur ein Jahr nach „Rio und die mörderischen Bilder“ legt Helmut Exner mit „Tammo. Wunderkind wider Willen“ den 21. Band seiner Lilly-Höschen-Reihe vor. Die Heldin (immer noch so ausgesprochen, wie man es schreibt, nicht wie Unterbüx), eine pensionierte Lehrerin aus Lautenthal, dürfte inzwischen 91 Jahre alt sein und wohnt immer noch mit ihrer einige Jahre jüngeren Freundin Gretel Kuhfuß zusammen. Zusammen sind sie quasi sowas wie die Miss Marple und der Doktor Watson des Oberharzes und helfen der Polizei (Hauptkommissar Rabe – „Specht, wenn ich bitten darf, äh Quatsch, jetzt vergesse ich schon meinen eigenen Namen, Sperling heiße ich.“ – und seine zahlreichen Mitstreiterinnen mit den ebenfalls klangvollen Namen Huhn, Frosch usw.) bei der Aufklärung von Verbrechen, in die sie, oft durch unbeabsichtigtes Tun von Lillys ehemaligen Schüler:innen, stets zufällig hineinschlittern.

So auch hier: Tammo Schuh, ein hochintelligenter Junge aus Clausthal-Zellerfeld, schreibt ein Referat über das Schicksal jüdischer Familien während des 3. Reichs im Harz und wird dadurch in Geschehnisse verstrickt, die ihn noch bis ins Erwachsenenalter verfolgen und sein Leben dadurch mit dem von Frau Höschen und Frau Kuhfuß verwickeln.

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Yomi Ship – Feast Eternal – Yomi Ship 2024

Von Matthias Bosenick (29.07.2024)

So’ne E-Gitarre kann man auch so mit Effekt versehen, dass auf ihr Hall liegt, nicht Verzerrung, so’n Büschen Surf-Twang-mäßig, und wenn man um einen solcherart gespielten Sound herum polyrhythmischen Instrumental-Prog-Space-Psychedelik-Rock macht, bekommt auch diese Schublade nach all den Jahren nochmal einen neuen Knauf. Den Verzerrer treten Yomi Ship aus Perth nur ganz ganz selten mal durch, zum stark gebremsten Austoben findet das Trio andere Ventile – kuriose Strukturen, orientalische oder fernöstliche Melodien, Frickleln, Dudeln und Gniedeln. Damit lädt die Band zu einer entspannten Reise durch ein verschachteltes Bilderbuch ein, in dem das innere Auge blättert, während das Ohr das Debüt-Album „Feast Eternal“ genießt.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Dōmo arigatō, Entschuldigung, Mr. Roboto!

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin kann nicht genug von einem Song bekommen, in dessen Refrain eine KI „Danke“ auf Japanisch sagt. Bin ich Schallplattenunterhalter auf einer Tanzveranstaltung und sie will ihre eh schon tolle Partyzeit verdoppeln, dann schnippt sie mir von der Platte zu und buchstabiert flüsternd: Ich bin Kilroy. Da ich so ziemlich alles für sie machen würde, lege ich dann das eingängige Stück „Mr. Roboto“ auf. Und wundere mich immer, ob sie verstanden hat, worum es in der Hitsingle der Formation Styx (Platz 3 der Billboard-Charts 1983, damals musste man dafür über eine Millionen Singles verkaufen) geht.

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London Underground – Live At The 19th Dream Of Dr. Sardonicus Festival 2023 – Frg Records/Fruits de Mer Records 2024

Von Matthias Bosenick (24.07.2024)

Wie, das Konzert fand erst im vergangenen Jahr statt? Der Mitschnitt „Live At The 19th Dream Of Dr. Sardonicus Festival 2023“ katapultiert die Hörenden sofort und stante pede und direkt in die Sechziger, als bewusstseinserweiternde Substanzen die Musizierenden dazu verleiteten, von vertrauten Pfaden abzuweichen, übliche Songstrukturen weit hinter sich zu lassen, zu gniedeln, was das Kraut hält, spacige Tasteninstrumente aus der Schmiede eines Laurens Hammond in den Musikfluss einzubauen und auf Gesang gleich mal ganz zu verzichten, man hat Besseres zu tun. So verfahren die italienischen Psychedeliker mit dem irreführenden Namen London Underground seit 1998, das vorliegende Live-Dokument ist das erst fünfte Album der Band. Ausflüge in Funk und Jazz Fusion Rock sowie Coverstücke gibt’s obendrauf, den „Midnight Cowboy“ von John Barry etwa kennen Fans von Faith No More bereits in anderer Version. Das englische Label Fruits de Mer Records bringt nun sechs der zehn Tracks auf Vinyl heraus, das volle Konzert gibt’s digital und als CDr.

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Alexander Kühne (Hg.) – Der Jugendclub Extrem – Verlag Kettler 2024

Von Matthias Bosenick (22.07.2024)

Eigentlich vielmehr ein bebilderter Erinnerungsband für Dabeigewesene, das Dokument eines eskapistischen Abenteuers, ist „Der Jugendclub Extrem“ vielmehr zu einem Geschichtsbuch geworden, an dem auch Interessierte Freude und Erkenntnisgewinn ziehen können, die es nicht zwischen 1984 und 1994 nach Lugau in der Niederlausitz schafften – geschweige denn, in der DDR aufwuchsen und somit überhaupt Gelegenheit für den Clubbesuch hatten. Grundlage für dieses dicke Buch bilden Fotos, die Henri Manigk und Frank Kiesewetter vom Clubleben machten, ergänzend sammelte Herausgeber und Clubmitgründer Alexander Kühne Berichte und Interviews von Machern, Muszierenden und Gästen des Indie-Clubs mit seiner nicht nur für DDR-Verhältnisse ungewöhnlichen Geschichte.

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Sad Pony Girl – Guerilla EP – EeeE 2024

Von Matthias Bosenick (19.07.2024)

Die Kombination aus dem Bandnamen Sad Pony Girl und dem Titel „Guerilla EP“ lässt sofort Xiu Xiu in den Suchergebnissen erscheinen, die 2003 mit den Song „Sad Pony Guerilla Girl“ ihr Album „A Promise“ eröffneten. Daran orientiert sich das Trio aus Cuneo im Piemont offenbar auch, schließlich covert es auf seinem Debüt den Song „I Love The Valley, OH!“ vom Album „Fabulous Muscles“ aus dem Jahre 2004. Die Stimme von Sad Pony Girl ist indes eine eigene, und dazu eine ausnehmend vielseitige: elektronisch grundiert, reicht der experimentierfreudige Bogen von Dream Pop über Industrial, Rap, italienischem Schlager, Spoken Word bis hin zu Noise Rock.

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The Void Of Expansion – Escaper – Dunk! Records 2024

Von Matthias Bosenick (18.07.2024)

Was für Musik macht man mit lediglich Schlagzeug und Gitarre? Fun-Punk oder Indierock? Oder – Ambient? Für letzteres entscheidet sich das Belgisch-Schwedische Duo The Void Of Expansion, indem die Gitarre flächige Drones absondert und das Schlagzeug dazu ungezügelt herumgaloppiert. Da steckt natürlich eine Menge Jazz drin, und wer die improvisierten Kunstwerke von Jörg A. Schneider verehrt, ist bei „Escaper“ ebenso sehr gut aufgehoben, dem vierten gemeinsamen Album des Duos, bestehend aus Gitarrist Dirk Serries aus Antwerpen und Schlagzeuger Tomas Järmyr aus Sandviken, der in Trondheim lebt.

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wah-Wah Hawkwind

Von Onkel Rosebud

„1001 Albums You Must Hear Before You Die“ ist eine musikalische Anthologie in Buchform, die chronologisch die angeblich besten Platten zwischen 1955 und 2005 behandelt. Meine Freundin warf neulich einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis und wandte sich mit dem Hinweis gelangweilt ab: „Du immer mit Deinen Listen“. Ja, ich liebe Listen. In dem Fall danke ich dem Herausgeber, Robert Dimery, weil ohne die „1001 Albums…“ hätte ich als Spätgeborener nicht von der Existenz der Band Hawkwind und insbesondere von deren Longplayer „Space Ritual“ (1973) erfahren, einer der größten Versuche des Rock’n‘Roll, sich mit dem Rest des Universums zu verbinden.

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Ich – einfach unverbesserlich 4 (Despicable Me 4) 3D – Chris Renaud – USA 2024

Von Matthias Bosenick (17.07.2024)

Wenn man mit dieser Sorte US-amerikanischen Humors nicht allzuviel anfangen kann und das wesentlich größere Vergnügen darin besteht, Kino-Begleiter einer Elfjährigen Minion-Verehrerin zu sein, hat man umso mehr Gelegenheit, die interessanteren Aspekte am vierten Teil der vermutlich bis ins Unendliche reichenden Animationsfilmreihe mit dem bekloppten deutschen Titel „Ich – einfach unverbesserlich“ inmitten des kreischigen Unsinns wahrzunehmen. Allem voran die neue Figur, Nachbarstochter Poppy, sowie den Mut zum heavy Soundtrack und die grandiosen 3D-Effekte. Damit kann man beinahe vergessen, dass die eigentliche Haupthandlung so gut wie gar keinen Raum einnimmt und dass die Witze reichlich flach sind.

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