Von Matthias Bosenick (29.08.2024)
Puh, ja: Morgue Meat aus Dallas, Texas, bedienen sämtliche Klischees. Nee, halt: Sie bedienen die Death-Metal-Folklore, so war das gemeint. Bandname irgendwas mit Tod: gegeben. Albumtitel „Apocalyptic Visions“ bekannt und mit Bibelbezug: gegeben. Schriftzug unlesbar: gegeben. Cover irgendwie gruselig: gegeben. Albumtitel in einer Art Frakturschrift: gegeben. Songtitel blasphemisch und todesnah, etwa „Crushing The Messiah’s Skull“ oder „Realm Of Eternal Suffering“: gegeben. Musik meistens schnell, immer tief, teilweise groovend: gegeben. Gesang bisweilen ins Quieken gehend gegrowlt: gegeben. Preis für den Download mit Verweis auf die Offenbarung: $6.66, gegeben. Neu sind die Wurzeln des Trios: Außer in Texas liegen die in El Salvador und Mexico. Behauptet die Info, dass die Band dies musikalisch berücksichtigt, hört man es nicht wirklich heraus: „Apocalyptic Visions“ geht klassisch in die Fresse. Ein Fest für Fans des Genres.
Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Seelenmusik: Tindersticks
Von Onkel Rosebud
Als 1993 das erste Album der Tindersticks erschien, steuerte Britpop auf seinen Höhepunkt zu. Aber die Band aus Nottingham lebte in einer anderen Welt. In dreiteiligen, grauen Anzügen standen die jungen Männer, die damals schon Musik von älteren Herren machten, auf der Bühne und pflegten in ihren Songs eine langsame, düstere Romantik. Das ist nicht als Beleidigung gemeint. Tindersticks steht für Musik von reifen Herren, die gelernt haben, zu reflektieren, zu horchen, zu fühlen und den Zweifel, auch an sich selbst, zu kultivieren. Es ging ihnen immer um Atmosphären und imaginäre Räume, in denen sich Sehnsucht, Trauer, manchmal auch Glück und Hoffnung entfalten können.
WeiterlesenVibravoid – We Cannot Awake – Tonzonen Records 2024
Von Matthias Bosenick (28.08.2024)
„We Cannot Awake“ ist eine bunte, ähm, Tüte geworden: Auf ihrem 90488. Album vermengen Vibravoid aus Düsseldorf psychedelische Genres wie Psych-Pop, Post Punk, Stoner, Fuzz, Space, Noise, Kraut und allerlei weitere bewusstseinserweiternde rockbasierte Ausrichtungen zu einem bunt schillernden Werk. Der schlüssige Schluss straft den Titel Lügen, man wird abrupt aus der Kontemplation gerissen. Gerissen!
Umbersun – Endless Winter Nights – Pest Records 2024
Von Matthias Bosenick (27.08.2024)
Zuerst denkt man: Kitsch. Doomige Riffs und synthetischer orchestraler Bombast. Sobald aber das Growlen einsetzt und sich in die Stimmung einfügt, lässt man sich auch mitten im Sommer auf die „Endless Winter Nights“ ein. Im Verlauf wird das Debüt-Album des rumänischen Quintetts Umbersun noch waverockig, bekommt einige Gimmicks und entwickelt eine merkwürdig anheimelnde Stimmung aus Depression und Gemütlichkeit. Eine schöne Einstimmung auf die zunehmende Dunkelheit.
Nur noch ein einziges Mal (It Ends With Us) – Justin Baldoni – USA 2024
Von Guido Dörheide (24.08.2024)
Der Spoiler zum Film: Nur noch ein einziges Mal (It Ends With Us)
HINWEIS: Ich gebe hier nahezu den kompletten Inhalt des Films wieder. Allen, die den Film unvoreingenommen sehen wollen, um sich ein eigenes Bild zu machen, rate ich, den Artikel erst anschließend durchzulesen.
In der letzten Woche schlug die Liebste mir vor, dass wir uns den Film „Nur noch ein einziges Mal“ ansähen, und ich, der ich noch nichts über den Film gehört hatte, befragte Doktor Google, der mir sagte, dass sich der Film mit Blake Lively in der Hauptrolle mit dem Thema „Häusliche Gewalt“ auseinandersetze. Wichtiges Thema, gute Hauptdarstellerin, also buchten wir gute Plätze im größeren der beiden Lichtspieltheater in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens (gleich nach Hannover), wo wir ohnehin am Freitag etwas zu erledigen hatten.
WeiterlesenMeer – Wheels Within Wheels – Karisma Records 2024
Von Matthias Bosenick (23.08.2024)
Meer ist wirklich ein schöner Name für eine Band, obschon diese hier aus Norwegen kommt, wo „Meer“ eigentlich „hav“ oder „sjø“ heißt, dann ist die Intention dahinter etwas unklar. Die Musik auf dem dritten Album „Wheels Within Wheels“ wiederum neigt dazu, die Hörenden zu überschwemmen: Orchester-Pop, Bombast, Opulenz, Expressivität, allergrößte Emotionen, im Grunde Kitsch – und auch noch wider besseren Kategorisierens einsortiert im Prog-Rock-Fach. Auf diesem Album bekommt man von allem zu viel, außer von Ruhe und Entspannung. In den wenigen stilleren Sequenzen kommen die Finessen des Oktetts wesentlich besser zum Ausdruck, und doch dominiert eine niederschmetternde Kirchentags-Erbaulichkeit. Da passt die Rückübersetzung: Norwegisch „meer“ (eigentlich „flere“) heißt auf Deutsch einfach „mehr“. Dabei wäre „for mye“ treffender gewesen: „zu viel“.
Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Eisbergsalat auf Käsebrötchen – Bjarne Sörensen
Von Onkel Rosebud
Meine Freundin meinte neulich, wir müssen mal über Bjarne Mädel reden. Erklär‘ mir doch mal, warum er Everybody’s Darling ist. Sie hört verschiedentliche Podcasts und immer, wenn er zu Gast ist, freut sich der Host unheimlich und lobt sein Kulturschaffen. Ich hob an und referierte über die Figur Berthold „Ernie“ Heisterkamp aus der Serie „Stromberg“, in der Bjarne Mädel trotz fragwürdiger Krawatten, Schweißflecken auf dem Hemd, Depression und vehementer Unsexyness Kultstatus erlangte. Dann „Der Tatortreiniger“. Insbesondere Folge 3 der 2. Staffel, „Schottys Kampf“, gehört in jede Schultüte, wenn es darum geht, zu beweisen, dass deutscher Humor dem britischen ebenbürtig sein kann. Und natürlich noch frühere „Mord mit Aussicht“, da ist er „der Bär“. Meine Freundin gähnte und mahnte mich, endlich zum Punkt zu kommen.
WeiterlesenRitual – The Story Of Mr. Bogd, Part 1 – Karisma Records 2024
Von Matthias Bosenick (21.08.2024)
Wer eine Katze als Freund hat, weckt schon mal Aufmerksamkeit. Mr. Bogd, offenbar ein Geschäftsmann, der sich auf eine Reise begibt, nennt eine Katze seinen Helden, mitten im Album „The Story Of Mr. Bogd, Part 1“ – dem Comeback des schwedischen Prog-Quartetts Ritual nach 17 Jahren Pause. Das gestalten die Stockholmer gleich mal als Auftakt eines Doppel-Albums, dessen zweiter Teil noch aussteht. Die Musik ist wild: Gefühlt ist hier kein Instrument nicht zu hören, kein prog-verwandtes Genre ebenso, alles pendelt verspielt zwischen Frickelei und Narration, man staunt. Und schnurrt.
Phillip Boa And The Voodooclub – Copperfield (Re-Edition 2024) – Vertigo/Universal 1988/2024
Von Matthias Bosenick (20.08.2024)
Es gibt fünf neue Songs von Ernst Ulrich Figgen und seinem Voodooclub. Nicht als eigenen Tonträger, sondern wie zuvor im Rahmen der wiederholten Wiederveröffentlichung eines alten Albums als Bonus. Es bleibt dabei, dass Phillip Boa die Unsitte fortsetzt, von seinen loyalen Fans mehr Kohle abzuverlangen, als diese ihm ohnehin zukommen lassen, indem er seinen Indierockpop teurer verkauft als nötig und diesen Fans auch noch Altlasten aufbürdet, die sie bereits vielfach im Regal haben. In diesem Falle wirbelt Boa die Tracklist seines dritten Albums „Copperfield“ durcheinander und packt fünf neue Songs dahinter, die er, wie bei „Boaphenia“, im Geiste der alten Songs aufgenommen haben will. Interessanter noch sind zwei, drei Songs auf der Bonus-CD, die natürlich Lücken lässt zu früheren Rerelease-Bonus-Tracks. So kennt man ihn. Kill Your Ideals!
Tom Jones – Live in Hannover am 14. August 2024, Gilde-Parkbühne
Von Guido Dörheide (17.08.2024)
Christof mal wieder. Der Hesse, der Checker, die Legende. „Sag mal, Guido, kannst du etwas mit der Musik von Tom Jones anfangen?“, schrieb er mir am vergangenen Dienstag. „Oh ja“, war meine Antwort, und dann er so: „Was machst du denn morgen Abend? Ich habe eine Karte zu viel und lade dich gerne ein.“ Also haben die Liebste und ich unsere Mittwochsplanung auf den Freitag verschoben und am Mittwoch bin ich nach Feierabend über Peine gen Niedersachsenstadion gefahren. Direkt nebenan, auf der Gilde-Parkbühne, fand das Konzert vor zweieinhalbtausend Zuschauenden statt. Wir waren früh da, standen in der Eingangsschlange ganz vorne und konnten uns deshalb problemlos Plätze direkt vor der Bühne sichern.
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