Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: „Herr Tonmeister, bitte wo ist das Klatschband…

Von Onkel Rosebud

… Das Klatschband, um die wahre Stimmung zu erzeugen, um yupp-heidie, yupp-heidah dazu machen, nicht wahr.“ (Torfrock, „Torfrockball im Hühnerstall“, 1979)

Meine Freundin geht gern einmal in ein Konzert, um den Helden der Pop-Kultur bei ihrem Vortrag zu lauschen. Leider muss sie sich das zeitgenössische Kunsterlebnis häufig von der Backe wischen, weil ihr eine besondere Spezies urbaner Genusskultur die Suppe der Unterhaltsamkeit versalzt: der Mitklatscher! Taucht er neben einem auf, setzt es Daseinsbewältigungskonflikte in Bewegung, wieso wohl der werte Name der aufspielenden und angehimmelten Formation solches Kroppzeug anlocken konnte.

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Zoahr – Apraxia – Zoahr 2022

Von Matthias Bosenick (08.02.2023)

Mit beiden Beinen knietief irgendwo drinstecken, das erfordert zumeist einen gewaltigen Spagat, aber der fällt dem Trio Zoahr aus Pirmasens leicht: Die Jungs stecken nämlich mit einem Bein in den psychedelisch rockenden Siebzigern und mit dem anderen in dichten Rauchschwaden. Heraus kommt das live im Studio eingespielte „Apraxia“, das bereits zweite Album von Zoahr, und wie schon beim Debüt „Off Axis“ mag man nicht glauben, dass diesen fetten Stoner-Sound nur drei Leute erzeugen. Drin in dieser Tüte ist alles, was man so erwartet, und weil das ja schon bekannt ist, einfach noch einiges mehr: klassischer Siebziger-Hardrock, sich bei dem ohnehin bedienender Neunziger-Grunge, Wüstenblues, ein Ausflug in den Spacerock und was am Wegesrand noch so wächst. So retro, dass es in der Zukunft wieder rauskommt.

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Sermon – Till Birth Do Us Part – Bitume Records/Earache 2023

Von Matthias Bosenick (07.02.2023)

Nach 25 Jahren endlich das Debütalbum! Aber so richtig stimmt das nicht: Nach den ersten Demos in den Neunzigern legten Sermon aus İzmir 2004 die gemeinsame Arbeit nieder. Erst jetzt besann sich Gitarrist Cem Barut der einstigen Aktivitäten und sammelte neue Mitstreiter um sich, mit denen er das Album „Till Birth Do Us Part“ einspielte. Die Mischung überrascht: Doom, Death, Gothic, Electro, Symphonic-Zeugs, Growls, Melodien, Most und Mörtel, alles nacheinander, manches miteinander, da wollen sich Sermon nicht auf immer denselben Sermon einlassen und machen aus dem Album beinahe eine Art Compilation. Fett produziert, abwechslungsreich, spannend!

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Das Mädchen im Schnee (La chica de nieve) – Jesús Mesas & Javier Andrés Roig – Netflix/E 2023

Von Matthias Bosenick (06.02.2023)

„Das Schneemädchen“, wie die Romanvorlage von Javier Castillo aus dem Jahre 2020 wörtlich besser übersetzt heißt, funktioniert wie so viele Plots dieser Zeit nur, wenn man Kopf und Realität ausschaltet und akzeptiert, dass sich die Figuren komplett unsinnig verhalten. Man muss bei diesem zum jammerigen Psychodrama aufgeblähten Minikrimi viel zu viel Schwachsinn akzeptieren, unter anderem, dass die Erzählstruktur jedwede auch nur hauchfein aufkeimende Spannung zunichtemacht. Dazu kommen banale Figuren, Längen um Längen und – eigentlich bis auf die Bilder und das Meer im Hintergrund nichts wirklich Gutes. „Das Mädchen im Schnee“ alias „The Snow Girl“ ist Zeitverschwendung.

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Atsuko Chiba – Water, It Feels Like It’s Growing – Mothland 2023

Von Matthias Bosenick (02.02.2023)

Was für eine einnehmend schöne Musik! Atsuko Chiba ist ein Quintett aus Montreal, das auf „Water, It Feels Like It’s Growing“, seinem erst dritten Album in zehn Jahren, einfach mal alles zusammenfügt, was eine psychedelische Wirkung hat: Auf der Grundlage von epischem Postrock ufern die sechs Tracks aus in filigranen Progrock, Wave, Shoegaze, Ambient, hyperaktiven Grooverock, Avantgarde, Noiserock. Was dabei am meisten begeistert, ist die merkwürdige Eingängigkeit, dass sich die Musik auf dem Zettel sperrig liest, dies aber mitnichten ist: Man darf der ohnehin unvollständigen Genreliste gern auch den Pop hinzufügen. Was für ein stählerner Bass! Was für ein angenehm klarer Gesang! Was für überraschend funky Bläser plötzlich! Und was für eine Fähigkeit, das Atonale zu einem harmonisch funkelnden Kleinod zu schleifen!

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Das Geheimnis des Boleros

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin denkt, dass im Bolero von Maurice Ravel ein Geheimnis liegt. Psst. Nicht weitersagen. Wenn man es ausplaudert, ist es keines mehr. Es handelt sich hierbei um ein universell heimelndes Ganzes, das so tief eindringt in die Seele, dass es noch gar nicht richtig erforscht ist. Deshalb wird es auch hier an dieser Stelle exklusiv nicht enthüllt. Wo kämen wir denn dann mit den schönen Forschungsgeldern hin. Ein Teil des Geheimnisses kann ich jedoch schon verraten: Es liegt in dem magischen berührenden Moment zwischen tragischer Unentrinnbarkeit und Sinne schwindender Trance, den dieses Meisterwerk zu kreieren im Stande ist. Wenn man sich darauf einlässt, ist diese Musik in der Lage, einen Rausch zu erzeugen, der sonst nur unter chemischen Stimuli erreichbar scheint.

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NFD – Trinity EP – Gothic Citadel Records 2023

Von Matthias Bosenick (30.01.2023)

Irgendwie klingt die Hälfte der Songs dieser „Trinity EP“ von NFD wie ein und derselbe Song. Was daran liegen mag, dass es sich bei fünf von acht Tracks um ein und denselben Song handelt. Die insgesamt neuen drei Songs der Londoner Fields-Of-The-Nephilim-Nachfolger NFD, heute im Grunde nur noch bestehend aus Peter „Bob“ White (ohne Justus) mit seit 2008 nicht mehr so stark wechselnder Begleitung, sind die ersten neuen seit fast zehn Jahren in gut zwanzig Jahren Existenz. Musikalisch lässt die „Trinity EP“ indes keine Lücken entstehen: in den Metal drückender Gothic Rock, episch und verspielt, aber doch dicht im Genre verhaftet, mit dunkler Stimme, dunklen harten Gitarren und dunklen Keyboardsounds, exakt so, wie man es von NFD kennt, keinen Millimeter zur Seite. Ja, wir ergeben uns deinem Willen, Peter!

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Die drei ???: Erbe des Drachen – Tim Dünschede – D 2023

Von Matthias Bosenick (27.01.2023)

Satte 14 Jahre vergingen seit dem letzten Film über die drei Juniordetektive aus Rocky Beach, da hat sich in Sachen Filmproduktion, Dramaturgie, Script und so auf Seiten der Filmhersteller sowie in Bezug auf Narration bei den Geschichtenschreibern sicherlich sehr viel getan, da muss ein dritter Film über Die drei ??? im Jahre 2023 doch ein Oberknaller werden – oder? Und wenn schon der Hintergrund mit Justus, Peter und Bob vielleicht eher willkürlich eingebettet ausfallen sollte wie bei den Filmen davor und die Visualisierung von etwas seit Jahrzehnten in Buch und Hörspiel Etabliertem grundätzlich keine leichte Aufgabe ist, dann ist „Erbe des Drachen“ wenigstens ein mitreißender Jugendfilm voller Abenteuer, Spannung, Action und Special Effects, etwa wie bei den „Goonies“? Nein? Nichts davon? Aber warum nicht?

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: NICHTS

Von Onkel Rosebud

Meine Freundin hört gerne auch mal nichts. Dabei ist das weniger einfach, als es vielleicht vermuten lässt, das Nichts zu hören. Drängen doch ständig irgendwelche Geräusche, erhört zu werden, zu ihr vor. Ob Nachbars Hausmusik, der Sanierungspresslufthammer im Hinterhaus oder eingängiges Gedudel im Kaufhaus, immer sind unsere Ohren diversen Anschlägen oder Ansagen wie „Nächste Station Albertplatz“ ausgesetzt.

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Dez Dare – Perseus War – CH!MP 2023

Von Matthias Bosenick (25.01.2023)

Was ist das: Speed Stoner? Auf dem Etikett wiederum, das Darren John Smallman unter seinem Alias Dez Dare auf sein drittes Album „Perseus War“ klebte, steht Garage Rock. Das mag auf die ersten beiden Alben noch weitestgehend zutreffen, Nummer drei scheint indes unter dem Einfluss anderer bewusstseinserweiternder Substanzen entstanden zu sein. Sicher ist: Das Fuzz-Pedal ist ihm heilig und der Schellenkranz ist sein zweitbester Kumpel. Zuhause in gefühlt 4,3 Billionen Bands, rackert sich der in Geelong bei Melbourne geborene Londoner als Dez Dare komplett allein an seinen musikalischen Visionen ab. Und die lassen sich nicht eindeutig zuordnen, wie ja schon an der wenig überzeugenden Selbstdarstellung zu erkennen ist: Stoned in der Garage und ständig dreht der Motor auf!

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