Magnify The Sound – Don’t Give Us That Face – Crispin Glover Records/Stickman 2023

Von Matthias Bosenick (17.05.2023)

Gitarre und Schlagzeug, mehr nicht, und heraus kommt etwas, das weiter weg von den Abstürzenden Brieftauben kaum sein könnte: Dark Ambient, Industrial, Drone, Soundcollage, Jazz. Das Norwegische Duo Magnify The Sound besteht aus Trond Engum, Gitarrist von The 3rd And The Mortal, und Carl Haakon Waadeland, Schlagzeuger in zahllosen Bands und Ensembles. Sie machen Musik, die atmet, die keine festen Strukturen hat, die wie das Meer auf und ab wogt, die still sein kann und aufbrausend, bei deren Genuss der Kopf automatisch sein eigenes Kino anwirft. Die Stimmung ist eher dunkel, dazu auch mal beklemmend oder bedrohlich, also der passende Soundtrack zur Weltlage.

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Leagus – Flora Eallin – Is It Jazz? Records 2023

Von Matthias Bosenick (16.05.2023)

Nach zehn Jahren als Jazz-Duo treten Leagus aus Nordnorwegen jetzt mit Orchester in Erscheinung, besser: mit dem Nordnorsk Jazzensemble, für das das Duo eigens das Stück „Flora Eallin“ komponierte und damit auf Tour ging. Jetzt gibt’s die Studioversion davon als Album, und das offenbart, wie intensiv das Duo an der Komposition arbeitete: Mit entspannt stiller Musik leitet das Album die Hörerschaft in ein Universum aus Opulenz und Leere, aus Harmonie und Improvisation, aus Wohlklang und Lärm, aus Ambient und Kakophonie, aus Moderne und Tradition.

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Klidas – No Harmony – Bird’s Robe Records/MBM 2023

Von Matthias Bosenick (15.05.2023)

Das Saxophon als bestimmendes Instrument in einer progressiven Instrumentalrockband, das hat was. Klidas aus Italien ist ein bereits neun Jahre altes Projekt, das jetzt mit der ersten Veröffentlichung in die Welt tritt, auf der die fünf Musizierenden ihre persönlichen Vorlieben miteinander kombinieren, eben zwischen Progrock, Jazz und psychedelischer Rockmusik. „No Harmony“ ist ein Minialbum – und außerdem gelogen: Das Quintett zügelt die Jazzanteile, die Rockmusik ist trotz ihrer Komplexität und Ausflügen ins musikalische Chaos sehr wohl harmonisch.

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Danube – Live im Wohnzimmer von Maren & Arni in Fallersleben, 13. Mai 2023

Von Matthias Bosenick (14.05.2023)

Ihr allererstes Wohnzimmerkonzert überhaupt gab die junge Sängerin und Musikerin Stella Lindner unter ihrem ihrer Geburtsgegend Neuburg in Bayern entnommenen Alias Danube als Gewinn einer Instagram-Losaktion im Wohnzimmer von Maren und Arni in Fallersleben. Acht ausgewählte Gäste verfolgten die Darbietung, die Stella kurzerhand von ihrem mitgebrachten Keyboard aufs vorhandene Klavier verlegte, wenn sie nicht die Akustikgitarre bediente. In komplexen Melodien sang sie – nun, nicht nur von Flüssen, auch von Liebeskummer und Selfcare, und das Publikum lauschte ergriffen ihrer emotionalen Darbietung. Jedes Mal Stille, bis der letzte Ton auch wirklich verklang. Und kein Hauch von Fremdsein.

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Mad Heidi – Johannes Hartmann & Sandro Klopfstein – CH 2022

Von Matthias Bosenick (14.05.2023)

Es ist nicht zu übersehen: „Mad Heidi“ ist ein Film von Fans, die sich bei ihren liebsten Regisseuren und Genres bedienen und daraus einen blutrünstigen Film drehen, den sie berechtigt als Swissploitation bezeichnen. Die Schweizer Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein finanzierten ihren Diktatur-Gefängnis-Horror-Splatter-Heimatfilm über Crowdfunding, und dadurch kam er auch einmalig in Braunschweig ins Kino, weil einer der Geldgeber, der zudem mehrfach als Komparse in Erscheinung tritt, ihn bei sich zu Hause unbedingt auf großer Leinwand zeigen wollte. Ergebnis war ein großes Fest im Kino. Der Film selbst ließ bei allem Heidispaß, den die Macher an ihrem Unsinn hatten, jedoch einiges vermissen: mehr Dynamik, abwechslungsreichere Kamera, spritzigere Dialoge und eine eigene Handschrift über den Zitatereigen hinaus. Der Abend war trotzdem der Gipfel!

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Mushroom Giant – In A Forest – Bird’s Robe Records/Dunk! 2023

Von Matthias Bosenick (12.05.2023)

Schon der Bandname Mushroom Giant lässt eine ungefähre Ahnung aufkeimen, womit man es auf „In A Forest“ zu tun bekommt: irgendwas Verdrogtes. Und das trifft auch zu: Die Australier machen instrumentalen Stoner Rock, schön verschleppt und verdudelt, mit einer mittelkleinen Schippe Dreck und einigen heavy Riffs, progressiv im weitesten Sinne und in ausgewählten Bass-Elementen nahe an Tool, mit hübschen Melodien und auch sonst netten Gimmicks. Mit ihrem vierten Album empfiehlt sich die Band aus Melbourne erstmals in ihrer über zwanzigjährigen Existenz als Live-Act in Europa, und die Gigs sollen, sagt die Info, ein aurales Ereignis sein, mit visuellen Effekten unterlegt zudem. Das Album lässt darauf zu Wetten zu.

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Was meine Freundin gerne sieht – die Serienkolumne: Sam – Ein Sachse

Von Onkel Rosebud (10.05.2023)

Der Herausgeber dieses menschenfreundlichen Blogs, bei dem man was gelernt kriegt, ist der Meinung, dass ich dafür zuständig bin, eine Serie mit dem völlig bescheuerten Titel „Sam – Ein Sachse“ meiner Freundin zwecks Meinungsfindung zu kredenzen.

Habe ich gemacht. Die Mini-Serie (7 Folgen à 45 Minuten von den Machern von „Deutschland 83“) erzählt frei und ohne Anlehnung an reale historische Ereignisse die Lebensgeschichte von Samuel Meffire aus unserer Heimatstadt. Wir mussten sie schauen, weil ich ihn persönlich kennen gelernt habe. Wichtig hier gleich eingangs zu betonen: Vor seiner rechtswidrigen Phase.

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Killing Joke – In Dub Rewind (Vol. II) – Cadiz Music 2023

Von Matthias Bosenick (11.05.2023)

Was ist dieses Dub überhaupt? Eigentlich: In den Sechzigern auf Jamaika doppelten die Produzenten Reggae-Tonspuren, fertigten also einen Dub, eine Kopie, an, und legten sie verschoben zueinander übereinander, sodass eine Art Echoeffekt entstand. In den Achtzigern stand Dub nicht ganz selten schlicht für Remix, und heute verhält es sich damit oft nicht so sehr anders. Die reine Lehre predigt auch Youth nicht, der acht ausgewählte Songs aus 40 Jahren seiner Band Killing Joke unter dem Begriff Dub neu bearbeitet (davon zwei zweimal) und die Postpunkstücke zwar mit viel Echo und Hall versieht, aber auch mit anderen elektronischen Spielweisen, Drum And Bass, Big Beat, Electroclash, Techno, Ambient. Außen vor lässt er Goa und Industrial, obwohl beides gerade bei ihm naheliegen würde. Und mit Rinôcérôse ist sogar ein Fremdmixer dabei. Eine schöne Tanzparty mit eingestreuten Offbeats, diese Doppel-LP!

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Was meine Freundin gerne hört – die Musikkolumne: Wie man die Unschuld verliert, weil man sie findet

Von Onkel Rosebud / Matthias Bosenick

Zum Geleit: Mit diesem Text geht es mir nicht darum, mich über den Geschmack anderer Leute zu stellen. Vielmehr berichte ich davon, wie mir in Zeiten schlimmster Orientierungslosigkeit ein heller Stern eine neue Richtung wies.

Eine Autofahrt als Beifahrer des Jahrgangsslackers änderte im sommerlichen Frühjahr 1991 alles. Bisher hatte ich in dem festen Glauben gelebt, dass Musik, die nicht in den Charts war, schlecht sei, weil sie ja schließlich ansonsten in den Charts wäre. Den umgekehrten Schluss, dass mir nämlich auch Musik aus den Charts nicht gefallen könnte, ließ ich dabei zu, schließlich traf ich bei meinem Konsum eine Auswahl. Bis 1989 fuhr ich damit auch ganz gut, und noch bis heute mag ich einen großen Teil dessen, was ich damals für mich entdeckte. Allem voran mochte ich den Synthiepop mit seinen ausufernden Maxiversionen. Ein mögliches Ende dieser Ära zog ich nie in Betracht, und doch ereilte es die Musikwelt und damit meinen Musikgeschmack ungefähr 1990, also knapp nach dem Mauerfall.

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Goethes Erben – X – Dryland Records 2023

Von Matthias Bosenick (10.05.2023)

Was für ein Werk! Mit pandemiebedingtem Verzug wirft Oswald Henke unter seinem Haupt-Alias Goethes Erben deren zehntes Studioalbum „X“ in die Fangemeinde, die sich selbstredend für die gigantische Box-Version mit dickem, großem Buch und Doppel-DVD entscheidet, nicht für die einfache CD, die natürlich auch schon geil genug ist. Wie die Besetzung der Band, änderte sich auch die musikalische Untermalung von Henkes theatralisch-lyrisch dargebotener Weltanschauung über die Zeit: Dieses Album startet mit Ambient-Drones, aus denen der Künstler dunkle, schöne, zerbrechliche, opulente, wütende Lieder herausschält. Lässt man sich erst auf die klassisch depressiven Themen ein, bricht Henke einem auf halber Strecke das Genick mit der zu Industrial-Sounds geäußerten Feststellung, „der linke Arm muss weg“ – willkommen bei Goethes Erben. Auf den DVDs gibt es Konzerte und Interviews.

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